11226/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.06.2012
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Juni 2012
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0125-I/4/2012
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 11437/J vom 19. April 2012 der Abgeordneten Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Die Republik Österreich wird seit den 70er-Jahren von diversen Ratingagenturen geratet. Verträge mit Ratingagenturen werden typischerweise von der für das Schuldenmanagement zuständigen Einheit abgeschlossen. In Österreich ist das die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen.
Zu 2.:
Die Republik Österreich wird aktuell unter anderem von folgenden Ratingagenturen bewertet: S&P, Moody’s, Fitch, DBRS, sustainalytics und oekom research. Die Gesamtkosten, die die Republik Österreich jährlich für Ratingagenturen aufwendet, hängen auch vom Emissionsvolumen ab und liegen unter 0,0003% des Finanzschuldenportfolios des Bundes. Rund ein Drittel davon entfällt auf Research-Datenbankzugänge, der Rest auf die Kosten für den Ratingprozess.
Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur ist laufend bestrebt, diese Kosten für die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler so gering wie möglich zu halten. Dabei werden aber auch mögliche Risiken berücksichtigt, falls heimische Staatspapiere als „not rated“ eingestuft wären. 0,1% an zusätzlicher Zinsbelastung bedeutet bei einem jährlichen Emissionsvolumen von 27 Mrd. Euro für das Budget eine Belastung von rund 27 Mio. Euro p.a..
Zu 3. und 4.:
Die Fragen werden in die Richtung verstanden, ob die Agenturen bei ihrer Ratingtätigkeit auch die Auswirkungen des Ratings auf die Realwirtschaft berücksichtigen. Dies ist wohl zu verneinen, da Ratings zwar unbestritten Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, jedoch deren Berücksichtigung im Ratingprozess zu Verzerrungen führen könnten, die zu einer unrichtigen Bewertung der Ratingobjekte führen würde.
Zu 5.:
Es wurde ein Vollzugsgesetz zeitgerecht beschlossen, allerdings ist durch eine Novelle der genannten Verordnung die Strafkompetenz der national zuständigen Behörden (in Österreich der FMA) nahtlos an die ESMA übertragen worden, sodass dieses Gesetz praktisch totes Recht darstellt.
Zu 6.:
Es gibt von privater Seite Initiativen, eine solche Agentur zu gründen, wobei hier der in Deutschland ansässige Unternehmensberater Roland Berger zu nennen ist. Dieser versucht in Kontakt mit der hessischen Landesregierung und EU-Regierungen die finanziellen Mittel zu lukrieren, die für die Gründung einer solchen Agentur nötig sind.
Zu 7.:
Es gibt natürlich sowohl in der Kommission als auch in den Mitgliedstaaten Überlegungen betreffend einer solchen Agentur, die in einer Machbarkeitsstudie enden könnten.
Zu 8.:
Die Agentur wird sich natürlich denselben Regeln wie die anderen am Markt befindlichen Agenturen unterwerfen müssen, wobei hier primär die zitierte EU-Rating-Verordnung zu nennen ist, die gerade zum zweiten Mal novelliert wird. Um eine entsprechende Marktakzeptanz zu erhalten, wird sich die Europäische Agentur den direkten Wettbewerb mit den anderen Agenturen stellen und sich darin bewähren müssen.
Zu 9. und 10.:
Da die Errichtung einer Europäischen Ratingagentur oder besonderer europäischer Behörden zur Bewertung von Bonitäten nur im EU-weiten Einklang erfolgen kann, erscheinen nationale Alleingänge in diesem Bereich nur wenig effizient; nichts desto trotz hat Österreich jedoch seine grundsätzliche Befürwortung eines solchen Projekts auch in Brüssel deponiert.
Zu 11.:
Da das Bankenrecht weitgehend harmonisiert ist, kann Österreich hier nicht für sich allein andere Bestimmungen schaffen. Allerdings wird es pro futuro nicht mehr so sein, dass faktisch für die Ratingagenturen jegliche Haftung ausgeschlossen ist, vielmehr gibt es in der gerade diskutierten Novelle zur EU-Rating-Verordnung sehr wohl eine Bestimmung, die die zivilrechtliche Haftung für Ratingagenturen normiert, wenn die Agenturen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung verstoßen.
Mit freundlichen Grüßen