11293/AB XXIV. GP
Eingelangt am 27.06.2012
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
Zur Zahl 11481/J-NR/2012
Der Abgeordnete zum Nationalrat Christian Lausch und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Beziehung einer Psychologin der JA N.N.2 mit einem Häftling“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Zum Stichtag 1. April 2012 befanden sich 604 Insassen aufgrund einer Verurteilung wegen eines oder mehrerer Delikte nach dem Zehnten Abschnitt des StGB in Haft.
Im Folgenden die Verteilung nach den einzelnen Justizanstalten bzw. den einzelnen Delikten, wobei darauf hingewiesen wird, dass häufig Verurteilungen wegen mehrerer Delikte erfolgen und das gefragte Delikt nicht bestimmend für die führende Deliktsgruppe sein muss:

Zu 2:
Von Anfang 2006 bis 31. März 2012 wurden insgesamt 1.387 Personen aus der Strafhaft wegen eines oder mehrerer Delikte nach dem Zehnten Abschnitt des StGB entlassen.
Der nachstehenden
Übersicht sind die einzelnen Entlassungsgründe und die jeweiligen
Justizanstalten zu entnehmen:
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Bezogen auf die einzelnen Delikte ergibt sich folgende Verteilung:

Zu 3 bis 20:
Die Genannte ist Vertragsbedienstete und als Leiterin des psychologischen Dienstes der Justizanstalt N.N.2 beschäftigt; es gehörte und gehört seit vielen Jahren zu ihren Aufgaben, in verschiedenen Stadien des Vollzugs faktenbasiert (also auf nachvollziehbarer Grundlage, wie z.B. absolvierten Therapien, Tests etc.) aus psychologischer Sicht Stellungnahmen zu einzelnen Insassen abzugeben. Diese Stellungnahmen sind allerdings nicht allein, sondern nur gemeinsam und in der Zusammenschau mit einer Reihe von weiteren Äußerungen und Berichten der mit einem konkreten Insassen befassten Bediensteten Grundlage für die Stellungnahme der Anstaltsleitung, z.B. im Verfahren über eine bedingte Entlassung; die Entscheidung darüber obliegt dem Gericht, das dabei an Stellungnahmen aus dem Bereich des Vollzugs nicht gebunden ist. Daher kommt der Stellungnahme des psychologischen Dienstes im Verfahren nur beschränktes Gewicht zu. Die Bedienstete hat seinerzeit – wie in vielen anderen Verfahren – auch im Verfahren über eine bedingte Entlassung des genannten Insassen und österreichischen Staatsbürgers P. S. eine Stellungnahme abgegeben.
Die nunmehr (neuerlich) erhobenen Vorwürfe, die Bedienstete habe in unsachlicher Weise eine vorzeitige Entlassung des P. S. unterstützt oder bewirkt, sind den Dienstbehörden aus einer anonymen Eingabe im Herbst 2010 bekannt und wurden schon damals ernst genommen und eingehend untersucht. Vertreter der Dienstbehörde haben in die den genannten ehemaligen Strafgefangenen betreffenden Akten Einsicht genommen, eine ausführliche Stellungnahme der Anstaltsleitung eingeholt, die eine qualitativ hochwertige Arbeitsleistung attestiert hat, und es wurde auch die Bedienstete selbst durch den damaligen Leiter der Dienstbehörde eingehend zu den Vorwürfen befragt.
Es konnten bei diesen Erhebungen allerdings nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass die Vorwürfe Berechtigung hätten. Insbesondere wurde der genannte ehemalige Strafgefangene, der wegen §§ 207 Abs. 1, 207a Abs. 1 und 209 StGB in Haft gewesen war, im Jahr 2006 nicht vorzeitig, sondern erst zum Strafende entlassen. Es haben sich für die Dienstbehörde auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Bedienstete mit Bezug auf P. S. während dessen Anhaltung in der Justizanstalt irgendeiner Pflichtverletzung (geschweige denn, einer so gravierenden, wie ihr vorgeworfen wird) schuldig gemacht hätte.
Es gibt für die Dienstbehörde ebenso wenig Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Strafgefangene, der seine Strafe vollständig verbüßt hat, sich seit seiner Entlassung nicht wohlverhalten hätte. Ich weise darauf hin, dass in Österreich alljährlich gut 7.000 Personen aus der Strafhaft in die Gesellschaft zurück entlassen und wieder Teil des sozialen Gefüges werden.
Nach den unbestrittenen und unwiderlegten Angaben der Bediensteten sei sie dem ehemaligen Strafgefangenen erst rund ein Jahr nach dessen Entlassung wieder begegnet. Die Behauptung, wonach die Bedienstete mit dem ehemaligen Insassen in der Folge eine sexuelle Beziehung hatte, ist mir wie der Öffentlichkeit nicht zuletzt aufgrund der medialen Berichterstattung darüber bekannt. Beweise dazu liegen mir allerdings nicht vor.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, dass Bundesbedienstete in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen haben, dass Bedenken gegen die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben nicht entstehen, nicht jeglichen Eingriff in ihre privaten Lebensverhältnisse rechtfertigt. Bei der Prüfung, ob ein außerdienstliches Verhalten einen für eine rechtliche Vorwerfbarkeit ausreichenden Dienstbezug aufweist, ist ein zurückhaltenderer Maßstab anzulegen als bei dienstlichem Fehlverhalten. Dies folgt aus der mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbarenden Absicht des Gesetzgebers, die disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten für den außerdienstlichen Bereich (Freizeitverhalten) einzuschränken. Vielmehr muss bei der Beurteilung des außerdienstlichen Verhaltens als Dienstpflichtverletzung in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem durch Art. 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Privatlebens auch von Bediensteten und ihrer konkreten dienstlichen Aufgabenstellung vorgenommen werden (vgl. VwGH 14.6.2007, 2006/12/0169).
Ich halte ausgehend von den dargestellten Fakten die Rechtsansicht der Dienstbehörde, wonach diese Abwägung im konkreten Zusammenhang zu Gunsten des verfassungsrechtlich geschützten Privatlebens der Bediensteten auszugehen hat, für jedenfalls vertretbar.
Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bedienstete durch in ihrem privaten Umfeld gelegene Umstände in ihrer beruflichen Tätigkeit eingeschränkt oder beeinflusst oder in ihrer Urteilsfähigkeit gegenüber Gruppen von Straftätern voreingenommen wäre oder die gebotene Sachlichkeit bei der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben vermissen lassen würde.
Die Vollzugsbehörden haben selbstverständlich größtes Interesse daran, dass die mit dem Strafvollzug befassten Bediensteten ihre Aufgaben korrekt wahrnehmen und insbesondere vorzeitige Entlassungen nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen dafür tatsächlich gegeben sind. Die in diesen Verfahren schon seitens der Justizanstalt zu treffenden Teamentscheidungen einerseits und die Entscheidungskompetenz der unabhängigen Gerichte andererseits stellen aus meiner Sicht ausreichend sicher, dass es zu keinen im Zeitpunkt der Entscheidung ungerechtfertigten vorzeitigen Entlassungen kommt.
Ohne Frage wird auch die weitere Arbeit der Bediensteten – nicht zuletzt aufgrund der erhobenen Vorwürfe – in erster Linie von der Anstaltsleitung, der die Dienstaufsicht zunächst zukommt, aber auch von der Dienstbehörde aufmerksam verfolgt werden. Sollten sich dabei Einschränkungen zeigen, werden die dann allenfalls erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden.
Seit 2006 wurden aufgegliedert nach Jahren, führenden Deliktsgruppen und Entlassungsgründen insgesamt 722 Personen von der JA N.N.2 aus der Strafhaft entlassen:

Ich ersuche um Verständnis dafür, dass ich Angaben dazu, in welchem dieser 722 Fälle die Genannte in irgendeiner Weise (mit-)befasst war, wegen der dafür erforderlichen Durchsicht sämtlicher Akten und des damit verbundenen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwandes nicht machen kann.