11333/AB XXIV. GP

Eingelangt am 04.07.2012
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                          Wien, am        Juli 2012

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0130-I/4/2012

 

 

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 11493/J vom 4. Mai 2012 der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. bis 6.:

Mit Schreiben vom 27. März 2006 wurde die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) gemäß § 16 Abs. 4 Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz beauftragt, bei der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse Aktiengesellschaft (BAWAG) eine Prüfung nach den Bestimmungen des § 70 Abs. 1 Z 3 Bankwesengesetz durchzuführen, wobei sich die FMA wegen des Auslandsbezugs der Mitwirkung einer international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu bedienen hatte. Prüfungszeitraum war 1993 bis 2006. Mit Schreiben des Bundesministers für Finanzen vom 20. Juni 2006 wurde der Zeitraum bis 1988 erweitert.


 

Beauftragt war eine umfassende Prüfung des Kreditinstituts, der Kreditinstitutsgruppe und der sonstigen kontrollierten Unternehmen. Soweit Finanz-Holdinggesellschaften gem. § 2 Z 25 BWG auf Eigentümerseite der BAWAG vorlagen, waren auch diese zu prüfen. Prüfungsfelder waren:

 

•        Off-shore - Geschäfte und Geschäfte in jenen Ländern, die als Niedrigsteuerländer      bekannt waren (Kredite, Beteiligungen, Derivate und Wertpapiergeschäfte);
•        Risikomanagement und Interne Revision;

•        die Konsolidierung der Eigenmittel;

•        die Werthaltigkeit der von Eigentümerseite zur Vermeidung eines          Abschreibungsbedarfes gegebenen Sicherheiten, umfassend auch die noch offene      Haftung für die Besitzgesellschaft des Oasis-Casinos in Jericho;

•        die Verbuchung des Firmenwertes des Kaufes der Österreichische Postsparkasse AG;

•        die Beteiligung von Refco am Kauf der Österreichische Postsparkasse AG;

•        Darstellung jener Erträge, die zur Abdeckung der in den Jahren 1994 bis 2000   entstandenen Verluste herangezogen wurden;

•        die Aufbringung von Eigenmittelinstrumenten der BAWAG P.S.K. - Gruppe, speziell       durch verbundene Unternehmen;

•        die Inhalte der Prospekte, die für Emissionen am Kapitalmarkt aufgelegt wurden.

 

Ein erster Totalverlust der ab 1995 investierten Gelder (USD 639 Mio.) ist im Zeitraum vom 1. Oktober 1998 bis zum 16. Oktober 1998 eingetreten. In der Folge wurden mehrere Stiftungen zur Verlustverschleierung gegründet und Wolfgang Flöttl in der Erwartung eines Verlustausgleichs weitere Gelder (zunächst USD 250 Mio.) zu Spekulationszwecken zur Verfügung gestellt.

 

Gewinne stellten sich allerdings nicht ein, vielmehr hat die BAWAG weitere Mittel nachgeschossen und waren rund 2 Jahre später alle investierten Gelder  verloren. Anfang 2001 betrug das Obligo der BAWAG aus den Wolfgang Flöttl zu Spekulationsgeschäften zur Verfügung gestellten Krediten rd. EUR 1,9 Mrd.

 

Basis für die Verlustfeststellung durch die BAWAG waren die Angaben von Wolfgang Flöttl, die durch Verlustaudits verifiziert wurden (siehe Antwort zu den Fragen 23 und 24).

 

Die Geschäfte wurden nach dem Wissensstand des Bundesministeriums für Finanzen über Broker sowohl an Börsen als auch OTC („over the counter“) durchgeführt.

 

Zu 7. und 8.:

Es gab keine Weisungen.

 

 

Zu 9.:

Primärer Prüfungsgegenstand der vom Bundesministerium für Finanzen bei der FMA beauftragten Prüfung war die Einhaltung des Bankwesengesetzes, nicht aber die Aufarbeitung strafrechtlich relevanter Tatbestände. Die Verluste aus den Spekulationsgeschäften waren in diesem Zusammenhang zwar ein zentrales Element, jedoch  kein eigener Erhebungstatbestand, weswegen es dazu keine eigenen Aktenzahlen gibt. Die vom Bundesministerium für Finanzen beauftragte Prüfung wurde unter GZ BMF-160200/0026-III/4/2006 aktenmäßig erfasst und unter GZ BMF-040200/0026-III/4/2006 erweitert. Das Prüfungsergebnis ist unter GZ BMF-160200/0001-III/4/2007 erfasst.

 

Zu 10.:

Der elektronische Akt (ELAK) wurde im Bundesministerium für Finanzen im Dezember 2004 eingeführt. Seither erfolgt die Aktenverwaltung vollelektronisch. Das betrifft auch die angeführten Akten.

 

Zu 11. bis 14.:

Die Aktenbearbeitung richtete sich nach der Geschäfts- und Personaleinteilung.
Üblicherweise involviert waren die Gruppe III/B, die Abteilung III/4, fallweise die Sektionsleitung und das Büro des Bundesministers.

 

Zu 15. bis 22.:

Seitens des Bundesministeriums für Finanzen wurden keine eigenen Erhebungen zu den im Jahr 2006 bereits historischen Verlusten aus den Karibikgeschäften durchgeführt. Der Fokus des Bundesministeriums für Finanzen lag im Jahr 2006 auf der Stabilisierung der Bank und der Einschätzung des Risikos aus der in Aussicht genommenen und schließlich auch gewährten Garantie. Dafür war die aktuelle Entwicklung der Bank, insbesondere die juristische Auseinandersetzung rund um den Fall Refco, maßgeblich.


 

Die strafrechtliche Aufarbeitung der vergangenheitsbezogenen Sachverhaltselemente, im Zuge derer Zeitpunkt und Ausmaß der Verluste aus den Karibikgeschäften zentrale Elemente waren, wurde parallel von der Staatsanwaltschaft im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Justiz durchgeführt.

 

Zu 23. und 24.:

Das Bundesministerium für Finanzen hat dazu keine eigenen Erhebungen durchgeführt.

 

Im Prüfungsbericht der FMA wird erwähnt, dass die zwischen 1995 und 2000 angefallenen Verluste Gegenstand spezieller Verlustaudits der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen waren.

 

Zu 25.:

Das Non-Prosecution Agreement liegt dem Bundesministerium für Finanzen nicht vor.

 

Zu 26.:

Seitens der Republik Österreich wurden keine Dokumente zur Verfügung gestellt. Welche Unterlagen die BAWAG bzw. der ÖGB in den Vergleichsverhandlungen der gegnerischen Seite übermittelt haben, ist dem Bundesministerium für Finanzen nicht bekannt.

 

Zu 27.:

Insgesamt kostete der Vergleich mit den Refco-Gläubigern der BAWAG rund
US-Dollar 1,334 Mrd. Der damit verbundene Wertverlust der Bank wurde zur Gänze vom ÖGB getragen. Da der Betrag im Veräußerungserlös gedeckt war, entstanden der Republik Österreich keine Kosten.

 

Zu 28.:

Dies ist dem Bundesministerium für Finanzen nicht aus originären Quellen bekannt, es wurde dies jedoch medial kolportiert.

 

Zu 29.:

Es liegen dem Bundesministerium für Finanzen diesbezüglich keine Informationen vor.

 

Zu 30.:

Dazu liegen dem Bundesministerium für Finanzen keine Unterlagen vor.


 

Zu 31.:

Das Bundesministerium für Finanzen war in die Entscheidungsfindung des ÖGB nicht eingebunden, sodass keine Aussage getroffen werden kann, warum die Gremien des ÖGB gerade dieses Verhandlungsergebnis als vorteilhaft erachtet haben.

 

Zu 32., 33:

Meinungen und Einschätzungen sind nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts.

 

Zu 34.:

Dem Bundesministerium für Finanzen liegt keine Dokumentation des Vergleichs vor.

 

Zu 35.:

Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Finanzen.

 

Zu 36. bis 40.:

Dem Bundesministerium für Finanzen lag der Vergleich im Detail nicht vor; soweit medial darüber informiert wurde, sind einzelne Aspekte bekannt.

 

Zu 41. bis 51.:

Das Non-Prosecution Agreement wurde dem Bundesministerium für Finanzen im Detail nicht bekannt gemacht. Dementsprechend gibt es auch keine aktenmäßige Dokumentation. Sehr wohl dokumentiert ist die Vergleichssumme inklusive Nebenabreden, wie zum Beispiel dem Besserungsschein von bis zu EURO 200 Mio., abhängig vom erzielten Verkaufspreis.

 

Zu 52. bis 63.:

Warum BAWAG bzw. ÖGB nicht versucht haben, Dr. Flöttl stärker zu verpflichten, ist nicht bekannt.

 

Zu 64. bis 75.:

Dass die BAWAG Erhebungen zur Ausforschung des Vermögens von Dr. Flöttl beauftragt hat wurde öffentlich berichtet und war somit auch im Bundesministerium für Finanzen bekannt. Eine wie immer geartete Involvierung des Bundesministeriums für Finanzen gab es jedoch nicht.


 

Zu 76. bis 87.:

Das Bundesministerium für Finanzen hat keine näheren Informationen über die Erhebungsergebnisse der von der BAWAG beauftragten Detektei.

 

Zu 88. bis 99.:

Die von der BAWAG getroffenen Veranlassungen sind im in Antwort zu Frage 9 erwähnten Prüfungsbericht beschrieben. In bankinterne Entscheidungen war das Bundesministerium für Finanzen in keiner Weise involviert.

 

Zu 100. bis 112.:

Gefährdet war im Jahr 2006 das gesamte Institut und damit verbunden sämtliche Kundengelder. Dies vor dem Hintergrund, dass die Bank das Jahr 2005 neuerlich mit einem erheblichen Verlust beendete, keinerlei Reserven mehr hatte, unterkapitalisiert war und der ÖGB in Ermangelung eigenen Vermögens keine Unterstützung bieten konnte. In dieser Situation waren nicht nur der Jahresabschluss 2005 und der Fortbestand der Bank formell in Frage gestellt, vielmehr hat die mediale Berichterstattung das Vertrauen der Kunden in ihr Institut völlig unterminiert. Die BAWAG hatte erhebliche Mittelabflüsse hinzunehmen und blieb im Frühjahr 2006 nur durch die Liquiditätshilfen der OeNB, die die Liquiditätslage der Bank tagesaktuell beobachtet und FMA und Bundesministerium für Finanzen zeitnahe informiert hat, zahlungsfähig.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Maria Fekter eh.