11566/AB XXIV. GP
Eingelangt am 25.07.2012
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung

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NIKOLAUS BERLAKOVICH Bundesminister
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An die Zl. LE.4.2.4/0120 -I 3/2012
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 23. JULI 2012
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Mag. Ruth Becher, Kolleginnen
und Kollegen vom 31. Mai 2012, Nr. 11784/J, betreffend Umsetzung
der Entschließung 162/E (XXIV. GP) des Nationalrates betreffend
Plastiktragtaschen durch Umweltminister Berlakovich
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen vom 31. Mai 2012, Nr. 11784/J, teile ich Folgendes mit:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Für die Bewertung von Tragetaschen liegen bereits zahlreiche Ökobilanzen bzw. Studien vor, woraus sich folgende Einschätzungen ergeben:
- Ein Vergleich der Studien kann nur unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Annahmen, Systemgrenzen, funktionellen Einheiten, Materialzusammensetzungen (Bioplastik), Transportprozesse, end-of-life-Phasen (Verbrennung vs. Deponierung) etc. vorgenommen werden.
- Die Relevanz der durch „Plastiksackerl“ verursachten CO2-Emissionen ist verglichen mit anderen Emissionsquellen gering.
- Die meisten LCA-Studien kommen zu dem Ergebnis, dass konventionelle Plastiktaschen weniger klimaschädlich sind als Papiertaschen.
- Die Produktionsphase (mit Vorketten) hat den größten Einfluss auf die Umweltauswirkungen.
- Braune, ungebleichte Papiertragetaschen schneiden besser ab als weiße, gebleichte. Kunststofftragetaschen (aus PE) mit hohem Recyclatanteil schneiden besser ab als solche aus Primärmaterial.
- Für „Bioplastik“ gibt es uneinheitliche Ergebnisse, u. a. weil die Verwertungsrealitäten je nach betrachtetem Land unterschiedlich sind (thermische Verwertung vs. Deponierung). Unter österreichischen Verhältnissen haben Tragetaschen aus bioabbaubarem Kunststoff auf Stärkebasis einen niedrigeren Carbon Footprint gegenüber konventionellem LDPE und Papier (denkstatt-Studie). Weitere Studien kommen jedoch zu einem anderen Schluss: Unter australischen Verhältnissen ergeben sich keine Vorteile von biologisch abbaubaren Tragtaschen. Eine weitere Studie kommt zum Ergebnis, dass stärkebasierte Biokunststoffe aufgrund eines größeren Energieverbrauchs in der Produktion bzw. wegen ihres höheren Gewichts bezüglich ihrer Umweltauswirkungen schlechter abschneiden als konventionelle Tragtaschen. Im Falle der Deponierung kommt es zudem zu Methanemissionen.
- Die Kompostierung von abbaubarem Kunststoff bringt keine Nutzeffekte.
- Ökologische Auswirkungen des Littering von Tragetaschen wurden in keiner der Studien quantifiziert. Diese sind auch über die üblichen Wirkungskategorien nicht abbildbar. Lediglich in einer australischen Studie wurde das “Litteringpotential“ quantifiziert.
- Die Wichtigkeit der Wiederverwendung wird von unterschiedlichen Autoren betont. Die Wiederverwendung ist der Schlüssel zur Reduktion der Umweltauswirkungen (in allen Wirkungskategorien!).
Zu den Fragen 4 bis 6:
Im Rahmen eines 5-Punkte-Programms (siehe http://www.lebensministerium.at/umwelt/abfall-ressourcen/plastiksackerl.html) wurde seitens des BMLFUW eine Kooperation mit dem Handel zur Reduktion von Plastiksackerln und zum verstärkten Einsatz von abbaubaren Verpackungsmaterialien initiiert. Zu diesem Pilotprojekt wurden abfallseitige Begleituntersuchungen und Erhebungen hinsichtlich der Akzeptanz bei den Konsumenten durchgeführt. Im Ergebnis begrüßen die KonsumentInnen biologisch abbaubare Tragehilfen, sind jedoch zu überwiegenden Teilen nicht bereit, dafür mehr zu bezahlen.
Das BMLFUW setzt in erster Linie auf freiwillige Maßnahmen des Handels zum vermehrten Einsatz von Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen und auf bewusstseinsbildende Maßnahmen im Hinblick auf Vermeidung und eine möglichst oftmalige Verwendung.
Zu den Fragen 7 und 8:
Wie zu den Fragen 4 bis 6 ausgeführt, setzt das BMLFUW auf freiwillige Maßnahmen des Handels:
Im Zuge des Pilotprojektes und in der Folge davon werden in den Lebensmittelhandelsunternehmen vermehrt auch Mehrfachtragetaschen angeboten. Ein Handelsunternehmen hat die Abgabe von Gratis-Tragetaschen eingestellt. Als Weiterführung des oben genannten Pilotprojekts werden bei zwei großen Lebensmittelhandelsunternehmen Bio-Obst und -Gemüse in Zelluloseverpackungen abgepackt. Ein weiteres Unternehmen beabsichtigt, Kunststofftragetaschen nicht mehr in Verkehr zu setzen.
Anzumerken ist, dass für immer wieder verwendbare Tragetaschen Papier bzw. kompostierbare Materialien wenig geeignet sind, da die Festigkeit/Nassreißfestigkeit nicht oder nicht ausreichend gegeben ist. Leichte Abbaubarkeit und Langlebigkeit sind ein Widerspruch in sich.
Zu den Fragen 9 bis 11:
Tragetaschen sind Verpackungen, für diese gelten EU-weit Regelungen auf der Rechtsgrundlage Binnenmarkt (harmonisierte Regelungen, über die nationale Regelungen nicht hinausgehen dürfen). Die EU-Regelungen enthalten auch Vorgaben betreffend die Kennzeichnung. Daher kann diese Frage nicht auf nationaler Ebene gelöst werden. Ich habe die Frage einer verpflichtenden Kennzeichnung von Tragetaschen an die EU-Kommission herangetragen, welche dieses Thema u. a. in einem Grünbuch behandeln will; dieses soll in Kürze publiziert werden.
Zu den Fragen 12 bis 15:
Im Zuge des 5-Punkte-Programms wurden die bestehenden Regelungen in anderen EU-Ländern bezüglich Kunststofftragetaschen evaluiert.
Von 21 Ländern, über die Auskünfte eingeholt werden konnten, haben die meisten keine konkreten Maßnahmen, speziell für Kunststofftragetaschen erlassen. In manchen Ländern
werden Gebühren oder Steuern beim Verkauf von Plastiktragetaschen eingehoben (Belgien, Dänemark) oder ist eine derartige Gebühr geplant (Frankreich, Estland). In manchen Ländern bestehen freiwillige Vereinbarungen zur Reduktion (GB, Litauen, Luxemburg). In Italien wurde ein Verbot erlassen, ein Vertragsverletzungsverfahren ist anhängig. Ein best-practice-Modell, das auch in Österreich umgesetzt werden kann, konnte nicht identifiziert werden.
Zu den Fragen 16 bis 18:
Sämtliche beabsichtigte Regelungen im Bereich der Verpackung sind allen Mitgliedstaaten zur Kenntnis zu bringen und es besteht für jeden Mitgliedstaat und die Europäischen Kommission (EK) die Möglichkeit, dazu Bemerkungen oder ausführliche Stellungnahmen abzugeben. Diese Notifikationen werden in einer Datenbank der EK-DG Enterprise gesammelt und sind öffentlich zugänglich (TRIS, http://ec.europa.eu/enterprise/tris/pisa/app/search/index.cfm?lang=DE).
Soweit Regelungen, wie unter Punkt 13 erwähnt, über den Planungsstand hinausgekommen sind, wurden sie auch notifiziert. Zur Art der Regelungen siehe auch die Antwort zu den Fragen 12 bis 15.
Zu den Fragen 19 bis 21:
Bereits im Umweltministerrat am 14. März 2011 wurde das Thema von mir aufgegriffen und über das österreichische 5-Punkte-Programm berichtet.
Die EK wurde aufgefordert, sich folgender Fragestellungen anzunehmen:
· Alternativen zu Kunststofftragetaschen
· gezielte Maßnahmen zur Vermeidung von Kunststofftragetaschen
· Maßnahmen gegen die kostenlose Abgabe von Kunststofftragetaschen
· Prüfung einer Kennzeichnungspflicht.
Österreich unterstrich die Notwendigkeit europäischer Maßnahmen zur Vermeidung von Plastiktragetaschen und forderte die EK auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen.
Italien, Slowenien, Malta, Portugal, Lettland, Spanien, Frankreich und Irland begrüßten diese österreichische Initiative. Die EK dankte Österreich für diese Initiative und plant nun ein Grünbuch zu dieser Problematik herauszugeben. Dieses Grünbuch existiert bereits in Entwurfform (Juni 2012) und wird in Kürze erscheinen. In weiterer Folge ist ein harmonisiertes Vorgehen auf Europäischer Ebene geplant, wobei sich Österreich auch in diesen Prozess entsprechend einbringen wird.
Zu den Fragen 22 bis 24:
Sollen fossile Grundstoffe vermieden werden, so gilt es, Alternativen zum Plastiksackerl zu evaluieren. Dazu ist es wichtig, die Materialeigenschaften und die Vor- und Nachteile bei den jeweiligen Einsatzbereichen sowie das Kosten-Nutzenverhältnis zu beachten. Und selbstverständlich darf eine Alternative nicht zum Nachteil der Versorgung mit Nahrungsmitteln führen.
Bei der Verwendung von biologisch abbaubaren Sackerln muss auch die Frage der Entsorgung beachtet werden. Im eigenen Kompost im Garten werden meistens nicht die notwendigen Temperaturen erreicht, um derartige Materialien in einem überschaubaren Zeitraum zu kompostieren. Auch biologisch abbaubare Sackerl enthalten derzeit noch einen relevanten Anteil an Kunststoffen, daher sind diese Materialien – auch wenn sie grundsätzlich kompostierbar sind – in den Kompostanlagen nicht gerne gesehen.
Weiters ist es derzeit technisch nicht möglich, biologisch abbaubare Sackerln in den Sortiermaschinen als solche zu erkennen, sodass diese Tragehilfen nicht einem eigenen Verwertungsweg zugeführt werden können.
Aus all diesen Gründen verfolgt das BMLFUW auf nationaler Ebene die Strategie, freiwillige Maßnahmen des Handels zur Vermeidung und Reduktion von Kunststofftragetaschen zu unterstützen und insbesondere die mehrmalige Verwendung von Tragetaschen – aus welchem Material auch immer – zu forcieren.
Eine Unterstützung von Produzenten beim Umstieg auf die Herstellung von biologisch abbaubaren Tragehilfen ist erst bei einem geplanten harmonisierten Umstieg in der EU zweckmäßig.
Der Bundesminister: