11586/AB XXIV. GP

Eingelangt am 30.07.2012
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

Textfeld:

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0131-I/3/2012

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 26. JULI 2012

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Erwin Preiner, Kolleginnen

und Kollegen vom 14. Juni 2012, Nr. 11975/J, betreffend

Atomkraft ist nicht nachhaltig – aktuelle Fragen

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen vom 14. Juni 2012, Nr. 11975/J, teile ich Folgendes mit:

 

Grundsätzliches:

 

Es ist außerordentlich zu bedauern, dass es so großen menschlichen Leids und so großer Schäden bedurfte, um der österreichischen Ablehnung der energetischen Nutzung der Kernenergie wieder Gehör zu verschaffen.

 

Im Einklang mit internationalem und europäischem Recht muss Österreich allerdings die nationale Souveränität anderer Staaten hinsichtlich der Auswahl der Energieträger grundsätzlich respektieren – allerdings nur unter maximalen Sicherheitsauflagen.


Unbeschadet dessen ist die Republik Österreich – das sei nochmals betont – berechtigt und verpflichtet, ihre Stimme zu erheben, wenn es um legitime Schutzbedürfnisse der österreichischen Bevölkerung, bzw. um den Schutz der Umwelt geht. Dies bedeutet, dass die Bundesregierung in allen Fällen von kerntechnischen Anlagen, die negative Auswirkungen auf Österreich haben oder haben könnten, alle rechtlichen Möglichkeiten zur Wahrung der österreichischen Sicherheitsinteressen nutzen wird. Dies gilt insbesondere für grenzüberschreitende UVP-Verfahren, aber auch für die Konsultationsmechanismen, die in den bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“ vorgesehen sind.

 

Zu Frage 1:

 

Mit der Tschechischen Republik läuft seit 2008 das grenzüberschreitende Verfahren zum geplanten Ausbau des AKW Temelín, Blöcke 3+4. Österreich hat sich von Beginn an am grenzüberschreitenden Umweltprüfverfahren beteiligt. In Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt hat das Umweltministerium alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, gegen den Ausbau Stellung zu beziehen. Die diversen Dokumentationen zum Vorhaben wurden kundgemacht und öffentlich aufgelegt, Stellungnahmen der Öffentlichkeit eingeholt und an das tschechische Umweltministerium übermittelt, ebenso wie die Fachstellungnahmen des BMLFUW. Weiters fanden Behördenkonsultationen sowie eine öffentliche Diskussions­veranstaltung in Wien (30. Mai 2012) und eine öffentliche Anhörung in Budweis (22. Juni 2012) statt. An den beiden letztgenannten Terminen habe ich selbst Österreichs Standpunkt klargemacht. Die betroffene Öffentlichkeit Österreichs konnte ihre Stellungnahmen und Bedenken vorbringen, die bei der Erstellung des endgültigen Standpunktes berücksichtigt werden müssen. Österreich wird weiter auf einen fortgesetzten Konsultationsprozess drängen und einen Monitoring-Prozess, etwa im Rahmen des bilateralen „Nuklearinformations­abkommens“,  in Gang zu setzen.

 

Betreffend die Slowakische Republik fanden jüngst im Rahmen der grenzüberschreitenden Verfahren zur UVP für die geplanten Vorhaben, an denen Österreich seit Verfahrensbeginn 2011 teilnimmt und für die ebenso der gesamte inländische Kundmachungs- und öffentliche Auflageprozess zur UVP-Dokumentation stattgefunden hat, sowohl die Behörden­konsultationen als auch die öffentliche Anhörung in Bratislava statt. Bei dieser Gelegenheit wurden offene Fragen und Bedenken vorgetragen und erörtert.

 

Zu Frage 2:

 

Hierzu wird auf die Fachstellungnahme des BMLFUW zum UVP-Gutachten des Umweltministeriums der Tschechischen Republik betreffend das geplante Vorhaben verwiesen, siehe

http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/uvpsup/espooverfahren/espoo_cz/uvptemelin34/ete34_uvp_gutachten/.

 

Zu Frage 3:

 

Das grenzüberschreitende Espoo-Verfahren zu Temelín 3+4 ist bisher konventionskonform geführt worden. Es wurden im Laufe des Verfahrens alle relevanten Dokumentationen an Österreich übermittelt und zur Verfügung gestellt. Die Öffentlichkeit Österreichs wurde gesetzes- und konventionskonform informiert und eingebunden. Sie war bei all diesen Verfahrensschritten beteiligt und konnte Stellungnahmen und Bedenken übermitteln.

 

Zu Frage 4:

 

Ich selbst habe an dieser Anhörung teilgenommen. Neben MitarbeiterInnen meines Hauses umfasste das Expertenteam die vom Umweltbundesamt im Auftrag des BMLFUW beigezogenen FachkonsulentInnen.

 

Zu Frage 5:

 

Österreich hat stets auf die Abhaltung einer öffentlichen Erörterung auf seinem Territorium gedrängt. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hinzuweisen, dass sich aus den relevanten Rechtsvorschriften der Espoo- und Aarhus-Konventionen sowie der EU-UVP-Richtlinie kein Rechtsanspruch auf die Abhaltung einer solchen Veranstaltung im betroffenen Land ergibt.

 

Zu Frage 6:

 

Es ist zu unterscheiden zwischen der Kritik am Vorhaben des Ausbaus Temelín 3+4 und der europarechtlichen Bewertung der Durchführung des diesbezüglichen grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens. Die Bürgerbeteiligung der betroffenen Staaten, auch Österreichs, war in allen Verfahrensstadien gewährleistet; siehe auch die Antworten zu den Fragen 1, 3 und 5.

 

Zu Frage 7:

 

Es ist bekannt, dass sich etwa in Deutschland der Freistaat Bayern und das Land Sachsen am gegenständlichen grenzüberschreitenden Verfahren beteiligen; die jeweiligen Fachstellung­nahmen der dortigen zuständigen Behörden wurden für Bayern durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit an das tschechische Umweltministerium übermittelt.

 

Zu Frage 8:

 

Ich mache bei jeder Gelegenheit auf die Gefahren der energetischen Nutzung der Kernenergie aufmerksam und betone die ablehnende Haltung auf bilateraler, europäischer und auch auf internationaler Ebene. Dennoch wird Energiepolitik national bestimmt und da es andererseits keine verbindlichen Mindestsicherheitskriterien auf europäischer oder internationaler Ebene gibt, muss Österreich bei allen Anlagen, die ein potenzielles Risiko für Österreich darstellen, auf maximale Sicherheit drängen.

 

Zu den Fragen 9 und 10:

 

Österreich verfügt mittlerweile über „Nuklearinformationsabkommen“ mit allen Nachbarstaaten ausgenommen Liechtenstein und Italien. Unter der Federführung des zuständigen Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten ist Österreich bemüht, auch mit Italien ein bilaterales „Nuklearinformationsabkommen“ zu verhandeln und abzuschließen.

 

Zu den Fragen 11 und 12:

 

Vorauszuschicken ist, dass es auf der ganzen Welt noch kein in Betrieb befindliches Endlager für abgebrannte Brennelemente und hoch aktive radioaktive Abfälle gibt. Diesbezügliche Vorarbeiten sind in Frankreich, in Schweden und in Finnland am weitesten fortgeschritten. Von der Nennung von potenziellen Standorten für derartige Endlager in Nachbarstaaten wird Abstand genommen, da es sich in allen Fällen um Auswahlverfahren handelt, die noch zu keinen definitiven Entscheidungen geführt haben.

 

Zu Frage 13:

 

In das sogenannte „Integrallager“, das am Standort Bohunice in der Slowakischen Republik errichtet werden soll, werden konditionierte, das heißt verpackte, feste schwach- und mittelaktive Abfälle eingelagert. Diese werden dann Zug um Zug in entsprechende Endlager verbracht, wie etwa in das Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle am Standort Mochovce.


Zu den Fragen 14 und 15:

 

Nach dem Schock von „Fukushima“ beginnen sich die Interessen der Nuklearindustrie neu zu formieren. Dies zeigt sich unter anderem an den Versuchen, direkte Subventionen für Kernkraftwerke zu ermöglichen. Dem ist entschieden entgegenzutreten. Diesbezüglich verweise ich auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend. Darüber hinaus habe ich mich selbst schriftlich an das zuständige Mitglied der Europäischen Kommission gewandt und meine Ablehnung deponiert.

 

Der Bundesminister: