11588/AB XXIV. GP

Eingelangt am 31.07.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für europäische und internationale Angelegenheiten

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen haben am 31. Mai 2012 unter der ZI. 11777/J-NR/2012 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Menschenrechtsverletzungen “ gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Die Situation der christlichen Minderheiten in der Türkei ist dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) bekannt.

Die jeweilige rechtliche Lage der anerkannten wie der nicht anerkannten Religionsgemeinschaften in der Türkei, denen unterschiedliche Formen der Beschränkung auferlegt werden, wird vom BMeiA kritisch gesehen.

Allerdings sind in dieser Frage in den letzten Jahren auch positive Entwicklungen zu

verzeichnen, die wohl auch mit dem türkischen Annäherungsprozess an die EU und zahlreichen bilateralen Forderungen nach einer Verbesserung der Lage der christlichen Minderheiten in der Türkei im Zusammenhang stehen.

So sieht z.B. die Änderung des Stiftungsgesetzes (seit Februar 2008) eine Erweiterung des Rechts auf Eigentumserwerb und Verbesserungen bei der Verwaltung der Stiftungen vor.

Unter den in der ersten Jahreshälfte an die Stiftungen zurückgegebenen Immobilien finden sich v.a. in Istanbul bedeutende Anlagen, wie die Bulgarische Exarchat-Stiftung, das armenische Surp Pirgic-Krankenhaus oder die griechisch-orthodoxe Kandilli Metermofosis Kirche. Die Zahl der Einrichtungen mit dem Status einer juristischen Person ist auf 166 angestiegen. Die griechisch-orthodoxen Schulen auf der Insel Gökceada, die 1964 geschlossen wurden, sind wiedereröffnet worden. Bei Fragen des Rechtsstatus und der Ausbildung von Geistlichen sind allerdings keine positiven Entwicklungen erkennbar.

Auf höchster politischer, aber auch zivilgesellschaftlicher Ebene finden verstärkt Treffen statt, die sowohl bei den beteiligten Vertretern der religiösen Minderheiten, der Zivilgesellschaft und der Medien, aber auch bei den politischen Vertretern zunehmend Anerkennung finden. Die Einbindung von Vertretern christlicher Minderheiten in den sog. „Prozess zur Erstellung einer zivilen Verfassung in der Türkei“, der auf ein Referendum vom 12. September 2010 zurückgeht, wird begrüßt.

Diese positiven Entwicklungen können nicht über weitere wichtige Herausforderungen hinwegtäuschen, mit denen die Türkei konfrontiert ist: die Anerkennung religiöser Minderheiten und Zuerkennung der Rechtspersönlichkeit, das Recht der Minderheiten, unabhängige Verbände zu gründen, das Recht der Stiftungen, Dachorganisationen zu gründen, sowie die Rückgabe zahlreicher Kirchen an die christlichen Gemeinden selbst.

Zu Frage 2:

Österreich setzt sich weltweit und damit auch in der Türkei für die Religionsfreiheit ein. Der Schutz religiöser Minderheiten ist ein Schwerpunktthema Österreichs im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, aber auch ein zentrales Thema bei meinen Gesprächen mit den türkischen Gesprächspartnern, zuletzt mit dem türkischen Außenminister am 22. März 2012 in Wien. Das Anliegen der Durchsetzung der Religionsfreiheit ist nicht auf christliche Minderheiten beschränkt. Österreich spricht diese Thematik im Rahmen des Dialogs der Kulturen und Religionen, in den auch die Türkei einbezogen ist, an und bemüht sich, VertreterInnen religiöser Minderheiten in die diversen Dialoginitiativen mit einzubeziehen. Österreich hat sich wiederholt für das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel eingesetzt.

Zu Frage 3:

Bedauerlicherweise ist es in der Türkei immer wieder zu tätlichen Angriffen und auch der Ermordung von christlichen Vertretern gekommen. Diese Vorfälle sind gerichtlich verfolgt worden, wenn auch aus Sicht der Vertreter christlicher Minderheiten und anderer Beobachter nicht immer mit dem gebührlichen Nachdruck. Die Zahl antichristlicher Gewaltakte hat jedoch in den letzten zwei Jahren abgenommen und die türkische Regierung zeigt generell mehr Bereitschaft, um sich den Problemen der Religionsvielfalt und Freiheit anzunehmen. Von einer bedenklichen oder gefährlichen Situation der christlichen Minderheit in der Türkei kann daher grundsätzlich nicht gesprochen werden.

Zu Frage 4:

Die Diskussion um Verbesserungen in den Bereichen Religionsfreiheit und Minderheitenschutz wird zurzeit sowohl im Rahmen der Verfassungsreform, wie auch im Rahmen der im Parlament behandelten Justizreform geführt. Österreich und die EU verfolgen diese Entwicklungen sehr genau.