11804/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.08.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

BMJ-Pr7000/0185-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

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E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 11998/J-NR/2012

Der Abgeordnete zum Nationalrat Rupert Doppler und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „beschlagnahmte Drogen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Infolge der in der Anfrage angesprochenen Vorfälle rund um den ehemaligen stellvertretenden Leiter der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurden im Rahmen von Schwerpunktrevisionen die Verwahrungsstellen einer verstärkten Prüfung unterzogen. Dabei ergaben sich keine Anzeichen, dass – wie im Anlassfall des Landesgerichtes für Strafsachen Wien – Suchtmittel widerrechtlich entnommen worden wären.

Verwahrungsstellen (§ 614 Geo) können bei Gerichten mit mehreren mit Strafsachen befassten Abteilungen eingerichtet werden. In der Praxis sind in allen Landesgerichten und größeren Bezirksgerichten (mit mehreren Strafabteilungen) solche Verwahrungsstellen eingerichtet.


Zu 3 bis 5:

Zu der in der Anfrage gebrauchten Terminologie der „beschlagnahmten“ Drogen ist zu bemerken, dass nach § 113 Abs. 4 StPO im Fall einer Sicherstellung von Gegenständen (§ 109 Z 1 lit. a StPO) eine Beschlagnahme auch auf Antrag dann nicht mehr stattfindet, wenn sich die Sicherstellung auf Gegenstände bezieht, deren Besitz allgemein verboten ist (§ 110 Abs. 3 Z 2 StPO). Da davon auszugehen ist, dass Suchtgift praktisch immer (und psychotrope Stoffe in den meisten Fällen) als solche Gegenstände anzusehen sind, deren Besitz allgemein verboten ist (RV zum StPRG, 25 BlgNR XXII. GP 154 f), wird eine Beschlagnahme sichergestellter Suchtmittel im Regelfall nicht mehr stattfinden. Die Staatsanwaltschaft hat die erforderlichen Verfügungen über die sichergestellten Gegenstände und ihre weitere Verwahrung zu treffen und gegebenenfalls die Sicherstellung aufzuheben.

Bis zu einer allfälligen Anklageerhebung wird in der Regel die weitere Verwahrung bei den Sicherheitsbehörden angeordnet. In diesem Fall wären die für die Sicherheitsbehörden geltenden Vorschriften für die Verwahrung anzuwenden.

Wird eine Anklage eingebracht, wird üblicherweise das zuständige Gericht um Verwahrung ersucht und gleichzeitig wird den Sicherheitsbehörden angeordnet, die sichergestellten Suchtmittel an die gerichtliche Verwahrungsstelle zu übergeben.

Den Verwahrungsstellen sind die Suchtmittel (von den Sicherheitsbehörden) in deutlich beschrifteten, versiegelten und festen Behältnissen zu übergeben. Damit soll einerseits Art und Menge des Suchtmittels zweifelsfrei ersichtlich sein und jeglicher Verdacht eines Missbrauchs von vornherein ausgeschlossen werden.

Der hohe Wert, den Suchtmittel im unerlaubten Verkehr regelmäßig aufweisen, erfordert jedenfalls eine besonders sorgsame Lagerung sichergestellter oder eingezogener Suchtmittel (z.B. in Eisen- oder Panzerschränken). Es ist auch darauf zu achten, dass während der Lagerung kein Beweisverlust (etwa durch Zersetzungsprozesse unter der Einwirkung von Licht, Wärme oder hoher Luftfeuchtigkeit) eintritt.

Eine Öffnung der versiegelten Verpackungen vor einer allfälligen Vernichtung ist nur in Ausnahmefällen notwendig; ist dies der Fall, hat die Öffnung durch Sachverständige, Staatsanwälte oder Richter zu erfolgen.

Sichergestellte oder eingezogene Suchtmittel sind als gefährlicher Abfall iSd § 2 Abs. 4 Z 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), BGBl. Nr. 325/1990 idF BGBl. I Nr. 54/2008, einzustufen. Darunter sind jene Abfälle zu verstehen, die gemäß einer Verordnung nach § 4 Z 2 AWG als gefährlich festgelegt sind. Dafür sind wiederum die gefahrenrelevanten Eigenschaften nach Anhang 3 des AWG heranzuziehen; solche sind z.B. die Gesundheitsschädlichkeit und Giftigkeit. Diese – gerade Suchtmitteln immanenten – Eigenschaften werden Stoffen und Zubereitungen zugemessen, die bei Einatmung, Einnahme etc. Gefahren hervorrufen oder sogar den Tod verursachen können.

Die Entsorgung zur Vernichtung bestimmter Suchtmittel obliegt – sofern diese nicht ohnehin durch die Sicherheitsbehörden erfolgt – der Staatsanwaltschaft (§ 113 Abs. 4 zweiter Satz iVm § 445a Abs. 2 StPO, je idFd Budgetbegleitgesetzes 2009) oder dem Gericht (§ 408 Abs. 2 StPO).

Bei der Entsorgung sind die im 3. Abschnitt des AWG geregelten Grundsätze der Abfallbehandlung (§§ 15 ff AWG) zu beachten. Nach § 15 Abs. 1 Z 1 AWG sind bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen die Ziele und Grundsätze nach § 1 Abs. 1 und 2 AWG zu beachten. Nach § 1 Abs. 2 Z 2 AWG sind Abfälle zu verwerten, soweit dies ökologisch zweckmäßig und technisch möglich ist etc. (Abfallverwertung). Nach § 1 Abs. 2 Z 3 AWG sind jedoch nach Z 2 nicht verwertbare Abfälle je nach ihrer Beschaffenheit durch biologische, thermische, chemische oder physikalische Verfahren zu behandeln (Abfallbeseitigung).

Da Suchtmittel als gefährlicher Abfall einer – ökologisch zweckmäßigen – Verwertung (im Regelfall) nicht zugeführt werden können, sind sie nach den Grundsätzen des AWG zu beseitigen. Nach ihrer Beschaffenheit stellt die thermische Beseitigung (Verbrennung) jedenfalls die am ehesten zielführende und zweifelsfrei umweltschonendste Maßnahme dar.

Die thermische Vernichtung von Suchtmitteln und deren Übergabe an justizfremde Personen bzw. Institutionen zu diesem Zweck erfolgt durch eine vom jeweiligen Behördenleiter (Leiter der Staatsanwaltschaft, Präsident des Landesgerichts, Vorsteher des Bezirksgerichts) zu bestellende Kommission von mindestens drei Personen, der auch ein Staatsanwalt oder Richter angehört.

Dabei wird darauf geachtet, dass der dabei entstehende Aufwand durch die jeweils zu vernichtende Menge gerechtfertigt ist; gegebenenfalls werden daher einzelne Suchtmittelmengen zusammengefasst und erst bei Erreichen einer diesen Aufwand rechtfertigenden Menge gemeinsam vernichtet. Dabei werden zum Beispiel kleinere Bezirksgerichte durch die Verwahrungsstelle des jeweils übergeordneten Landesgerichts durch Übernahme und fachgerechte Entsorgung kleinerer Suchtgiftmengen unterstützt.

Die Anordnung und protokollarische Erfassung der Vernichtung erfolgt mit einem eigens dafür vorgesehen Formular (StPOForm. Verz 5; Auftrag zur – kommissionellen – Vernichtung eines Beweisgegenstandes). Die Justizverwaltungsorgane haben bei der Entsorgung auf die Einhaltung des AWG zu achten.


Zu 6 bis 8:

In der Praxis ist der Zutritt zu den Verwahrungsstellen mit Sicherheitstüren (Nummerncodes, Spezialschlüssel) gesichert; die Öffnung der Sicherheitstüren erfolgt nach dem Vier-Augen-Prinzip. Teilweise ist zusätzlich eine Videoüberwachung eingerichtet.

Eine wesentliche Neuerung bei der Neustrukturierung der Verwahrungsstelle im Landesgericht für Strafsachen Wien ist die durchgehend getrennte Behandlung von normalen und sogenannten „sensiblen“ Verwahrnissen, wobei unter Letzteren etwa Suchtmittel, Waffen, Bargeld oder Pretiosen zu verstehen sind. Ich ersuche aber um Verständnis, dass ich aus naheliegenden Gründen keine näheren Angaben zu diesen sicherheitsrelevanten Bereichen machen kann.

 

Wien,      . August 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl