1192/AB XXIV. GP

Eingelangt am 05.05.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN

            FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0074-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1153/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gerichtliche Strafverfahren nach § 168 a Strafgesetzbuch“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zur Erstellung der eingeholten Berichte der Staatsanwaltschaften wurden diesen elektronische Auswertungen aus der Verfahrensautomation Justiz zur Verfügung gestellt. Auf Basis dieser Daten konnten die Staatsanwaltschaften lediglich jene Verfahren auswerten, in denen die Anzeigen im Jahr 2008 erstattet wurden. Verfahren mit einer Anzeigeerstattung vor dem 1. Jänner 2008 konnten von den Anklagebehörden daher nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Außerdem sind Mehrfachzählungen von Anzeigen auf Grund von Verfahrensabtretungen bzw. -rückabtretungen zwischen den Anklagebehörden bzw. Gerichten nicht auszuschließen.

Durch diese Berichte der Anklagebehörden sind mir folgende Fälle bekannt geworden:

Zu 1:

Nachstehende Pyramidenspiele bzw. Gewinnerwartungssysteme wurden zur Anzeige gebracht:

Staatsanwaltschaft Wien:

„lottogroup.eu“, „Schenkkreis Hillinger“.

Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt:

„Schenkkreis Chart“.

Staatsanwaltschaft St. Pölten:

Ein „Schenkkreis“.

Staatsanwaltschaft Graz:

„Business-Forum“, „Hotel Business-Forum“, „Euro Success GmbH; vier namentlich nicht benannte Systeme.

Staatsanwaltschaft Leoben:

„Unternehmerforum Aktives Schenken“.

Staatsanwaltschaft Klagenfurt:

Zwei „Schenkkreise“.

Staatsanwaltschaft Salzburg:

Ein „Schenkkreis“.

Staatsanwaltschaft Wels:

Bei der Staatsanwaltschaft Wels langte im Jahr 2008 eine Anzeige wegen § 168a StGB ein. Derzeit werden sicherheitsbehördliche Erhebungen geführt, im Zuge derer abgeklärt werden soll, ob überhaupt ein Gewinnerwartungssystem im Sinne des § 168a StGB vorliegt.

Staatsanwaltschaft Innsbruck:

Ein namentlich nicht benanntes System.

Staatsanwaltschaft Feldkirch:

Bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch erstattete eine Privatperson eine Anzeige gegen unbekannte Täter, weil sie durch ein Pyramidenspiel geschädigt worden sei. Tatsächlich lag jedoch kein Pyramidenspiel vor.

Zu 2:

Ich gehe davon aus, dass sich diese Frage auf bei Gerichten durch Anklageerhebung anhängig gewordene Verfahren bezieht. Im Übrigen darf darauf hingewiesen werden, dass mit Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes am 1.1.2008 das gerichtliche Vorverfahren abgeschafft wurde.


                       Gericht

Anzahl der Verfahren im Jahr 2008

Bezirksgericht Neunkirchen

1

Landesgericht Leoben

1

Bezirksgericht Graz-Ost

2

Bezirksgericht Hartberg

1

Bezirksgericht Schwaz

1

Landesgericht Feldkirch

1

 

Zu 3:

Im Jahr 2008 kam es zu folgenden gerichtlichen Verurteilungen nach § 168a StGB:

Gericht

Verurteilung

Bezirksgericht Neunkirchen

1 Person; bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Wochen („Schenkkreis“)

Bezirksgericht Hartberg

1 Person; bedingt nachgesehene Geldstrafe in der Höhe von 70 Tagessätzen á 34 Euro („Gewinnerwartungssystem VIP-Collektive“)

 


Zu 4 und 5:

Sieht eine Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer bei ihr eingelangten Anzeige ab, wird das Strafverfahren gemäß §§ 190 ff StPO eingestellt. Das Gesetz differenziert dabei nicht zwischen Zurücklegung der Anzeige und Einstellung des Verfahrens, sodass die Fragen 4 und 5 gemeinsam beantwortet werden.

Staatsanwaltschaft

Anzahl der Einstellungen

Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt

1

Staatsanwaltschaft Graz

6

Staatsanwaltschaft Klagenfurt

2

Staatsanwaltschaft Linz

1

Staatsanwaltschaft Innsbruck

2

 

Zu 6:

Nachstehend eine Auflistung von im Jahr 2008 zur Anzeige gebrachten Strafverfahren, die noch nicht rechtskräftig entschieden worden sind:

Staatsanwaltschaft

Anzahl

Staatsanwaltschaft Wien

2 (ein Verfahren wurde gemäß § 197 StPO abgebrochen); „lottogroup.eu“, „Schenkkreis Hillinger“

Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt

1; „Schenkkreis Chart“

Staatsanwaltschaft St. Pölten

1; „Schenkkreis“

Staatsanwaltschaft Graz

3; „Euro Sucess GmbH“ und zwei namentlich nicht benannte Systeme

Staatsanwaltschaft Leoben

1; „Unternehmerforum Aktives Schenken“

Staatsanwaltschaft Wels

1; vgl. Beantwortung der Frage 1.

Staatsanwaltschaft Salzburg

1; „Schenkkreis“

Staatsanwaltschaft Innsbruck

ein namentlich nicht benanntes System

 


Zu 7:

Diversionsrechtliche Bestimmungen wurden im Jahr 2008 in drei Fällen angewandt.

Staatsanwaltschaft/Gericht

Anzahl

Staatsanwaltschaft Linz

1; Probezeit ein Jahr

Bezirksgericht Schwaz

1; Geldbuße

Landesgericht Feldkirch

1; Geldbuße

 

Zu 8:

Wiederum gehe ich davon aus, dass sich diese Frage auf bei Gerichten durch Anklageerhebung anhängig gewordene Verfahren bezieht. Den Berichten der Staatsanwaltschaften zufolge gibt es keine offenen (Gerichts-)Verfahren. Wie eingangs bereits erwähnt, standen den Staatsanwaltschaften lediglich staatsanwaltschaftliche Registerdaten für das Jahr 2008 zur Verfügung. Eine Auswertung von gerichtsanhängigen Verfahren, in denen zuletzt vor dem 1. Jänner 2008 Verfahrensschritte gesetzt wurden, ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich von der Erteilung eines entsprechenden Auftrages Abstand genommen habe.

Zu 9 und 10:

Bei der Staatsanwaltschaft Graz ist im Zusammenhang mit dem im Ausland ansässigen und über das Internet beworbenen Pyramidenspiel „Euro Success GmbH“ ein Strafverfahren anhängig, wobei derzeit Erhebungen im Rahmen internationaler Rechtshilfe geführt werden. Hinsichtlich eines bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten anhängigen Verfahrens wird auf die Beantwortung der Fragen 11 und 12 verwiesen.

Zu 11 und 12:

Zunächst weise ich darauf hin, dass nicht jede bei einer Staatsanwaltschaft gegen Veranstalter bzw. Teilnehmer von Schenkkreisen erstattete Anzeige in weiterer Folge auch zu einem Gerichtsverfahren führt.


Staatsanwaltschaft Wien:

Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist im Zusammenhang mit dem „Schenkkreis Hillinger“ ein Strafverfahren gegen drei Beschuldigte anhängig. Im Ermittlungsverfahren wurde das Gericht bisher lediglich mit einem Antrag nach § 108 StPO befasst.

Staatsanwaltschaft St. Pölten:

Am 31. Dezember 2008 langte bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten eine Anzeige wegen § 168a StGB u.a. Del. betreffend einen Schenkkreis in Deutschland ein. Derzeit werden Sachverhaltserhebungen durch das Landeskriminalamt Niederösterreich geführt.

Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt:

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt führte wegen des „Schenkkreises Chart“ ein Strafverfahren gegen zwei Beschuldigte. Hinsichtlich des einen Beschuldigten stellte sie das Verfahren gemäß § 190 StPO ein und erhob hinsichtlich des anderen Beschuldigten Strafantrag beim Bezirksgericht Neunkirchen; diesbezüglich darf auf die Beantwortung der Frage 3 verwiesen werden.

Weiters führt die StA Wiener Neustadt aufgrund einer Anzeige vom 17. Dezember 2008 im Zusammenhang mit dem „Schenkkreis Chart“ ein Strafverfahren gegen zwei Beschuldigte. Das Ermittlungsverfahren ist bis dato noch nicht abgeschlossen.

Staatsanwaltschaft Graz:

Bezüglich „Schenkkreise“ führte die Staatsanwaltschaft Graz aufgrund von Anzeigen aus dem Jahr 2008 insgesamt sechs Verfahren gegen zwölf Beschuldigte. Davon wurden drei Verfahren gemäß § 190 StPO eingestellt und in einem Verfahren Strafantrag eingebracht. In den beiden anderen Verfahren sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

Staatsanwaltschaft Leoben:

Die Staatsanwaltschaft Leoben führte im Zusammenhang mit „Schenkkreisen“ zwei Verfahren gegen insgesamt vier Personen. Im einen Verfahren wurde Strafantrag wegen §§ 146, 148 1. Fall StGB beim Landesgericht Leoben eingebracht. Dieses Gericht sprach den Beschuldigten im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 17. Oktober 2008 frei. Im anderen Verfahren werden derzeit sicherheitsbehördliche Erhebungen geführt.

Staatsanwaltschaft Klagenfurt:

Hinsichtlich der bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt im Jahr 2008 im Zusammenhang mit „Schenkkreisen“ anhängig gewesenen Verfahren wird auf die Beantwortung der Fragen 1, 4 und 5 verwiesen. Diese Strafverfahren betrafen insgesamt sechs Personen.

Staatsanwaltschaft Linz:

Die Staatsanwaltschaft Linz führte betreffend „Schenkkreise“ im Jahr 2008 ein Verfahren gegen eine Veranstalterin, wobei die Anzeigeerstattung im Jahr 2007 erfolgte. Nach sicherheitsbehördlichen Erhebungen wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO eingestellt.

Staatsanwaltschaft Salzburg:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg führt im Zusammenhang mit einem „Schenkkreis“ ein Strafverfahren. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft Salzburg beim Landesgericht Salzburg die gerichtliche Bewilligung der Anordnung von Hausdurchsuchungen. Die Ermittlungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Staatsanwaltschaft Innsbruck:

Bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck war im Jahr 2008 aufgrund einer Anzeige aus dem Jahr 2007 wegen eines „Schenkkreises“ ein Strafverfahren anhängig, das gemäß § 190 StPO eingestellt wurde.

Zu 13:

Den mir vorliegenden Berichten zufolge ist der Schweizer Schenkkreis „Spirit of Independence“ bislang nicht bekannt geworden.

Zu 14:

Da Werbeveranstaltungen für Schenkkreise in Deutschland nicht in meine Zuständigkeit fallen, ersuche ich um Verständnis, dass ich von einer Stellungnahme dazu Abstand nehme.

Zu 15 und 16:

Diesbezüglich ist ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Salzburg anhängig; hiezu wird auf die Beantwortung der Fragen 11 und 12 verwiesen.

Zu 17:

Praktische Anwendungsprobleme, die eine legistische Anpassung notwendig machen, sind derzeit nicht bekannt. Die Herausforderungen in der Praxis liegen darin, die hinter den Organisationen oder den jeweiligen angeführten Betreibern stehenden Personen (Verdächtige) auszumitteln, insbesondere auf Grund der raschen und weltweiten Verbreitung von Ketten- oder Pyramidenspielen übers Internet. Auch können sich Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der gesetzten Verbreitungshandlungen, der Förderung oder einer gewerbsmäßigen Verbreitung des Gewinnerwartungssystems ergeben.

 

. Mai 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)