12158/AB XXIV. GP

Eingelangt am 05.09.2012
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

GZ: BMG-11001/0217-I/A/15/2012

Wien, am 5. September 2012

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 12400/J der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Vorweg erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass es sich bei der in der Anfrage behandelten Thematik vorwiegend um Vorgänge handelt, die in die Amtszeiten meiner Vorgängerinnen fallen und sich vor meiner Angelobung zum Bundesminister für Gesundheit verwirklicht haben. Insofern bin ich bei der Beantwortung der Anfrage auf die zugänglichen Akten und die Informationen der im meinem Ressort handeln-den Personen angewiesen.

 

Festzuhalten ist auch, dass im Zuge des anhängigen Strafverfahrens seitens meines Ressorts den zuständigen Behörden umfassende Einsicht in Akten gewährt wird.


Fragen 1 bis 3, 19 und 20:

Die gesamten Arbeiten sowohl am Pandemieplan als auch an den vielen einzelnen organisatorischen Maßnahmen im Vorfeld oder im Laufe einer Pandemie, sowie an der gerade laufenden Überarbeitung des österreichischen Pandemieplans auf Basis der von der Gesundheit Österreich GmbH durchgeführten Evaluierung waren und sind auch heute komplexe arbeitsteilige Vorgänge im Gesundheitsressort, die ins-gesamt ein hohes Maß an Expertise und Verantwortungsbewusstsein verlangen. Basierend auf den Erfahrungen mit der Influenza A(H1N1) kann festgehalten werden, dass der mediale Druck und die sich sehr oft widersprechenden Expert/inne/en-meinungen eine mehr als kritische Größe bei der Entscheidungsfindung über das richtige Vorgehen eines Gesundheitsministers bzw. einer Gesundheitsministerin ist.

 

Insofern kann auch der Kabinettschef der damaligen Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Rauch-Kallat und nunmehrige Leiter der Sektion I im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nicht isoliert gehandelt haben. Auch die Entscheidung, die Bevölkerung zur Eigenbevorratung von Grippeschutzmasken einzuladen, verlief 2005 - wie mir berichtet wird - rückwirkend betrachtet arbeits-teilig. So weit mir bekannt, wurde der Vorgang „Pandemieaktion“ zur Eigenbevor-ratung der Bevölkerung mit Grippeschutzmasken im Kabinett der Bundesministerin operativ von Mag. Christoph Hörhan betreut. Die unmittelbare Beauftragung zur Initiierung der Aktion durch die damalige Bundesministerin Ende Oktober 2005 fußte kausal auf den Beratungsergebnissen der EU-Gesundheitsminister/innen mit der WHO-Generaldirektorin im Rahmen eines informellen EU-Ministerrats, bei dem Bundesministerin a. D. Rauch-Kallat auch anwesend war.

 

Dies stand wiederum im Einklang mit dem von einschlägigen wissenschaftlichen Expert/inn/en bereits zuvor entwickelten österreichischen Pandemieplan. Darauf aufbauend lag Anfang November 2005 eine mittels Demoskopie unterstützte Einschätzung vor, aus der hervorging, dass sich rund 60 Prozent der Bevölkerung einer solchen Bevorratungsaktion von Masken auf eigene Kosten anschließen würden.

 

Weiters lagen der zuständigen Fachsektion, unter der damaligen Leitung von

SC Dr. Hubert Hrabcik, auf der Grundlage einer Ausschreibung des Bundeslandes Niederösterreich - damals als „Marktforschung“ im engeren Sinn bezeichnet - Informationen vor, welche Firmen eine große Anzahl an Grippeschutzmasken liefern könnten – und zwar die Firmen: 3M Österreich GmbH (Brunner Feldstraße 63, 2380 Perchtoldsdorf) und Dräger Safety Austria GmbH (Wallackgasse 8, 1230 Wien). Diese beiden Firmen wurden auf der Grundlage all dieser vorliegenden Informationen vom damaligen Kabinettschef zu Gesprächen eingeladen, inwiefern sie sich an einer Aktion beteiligen würden, die gemeinsam mit dem Handel und einer entsprechenden Unterstützung durch die Medien eine Eigenbevorratung der Bevölkerung zum Ziel hatte.


Auch (die) Handelsketten wurden vom Ressort eingeladen, sich an dieser - von der Ressortführung gewünschten - einmaligen „Public-Health-Maßnahme“ zu beteiligen. Der damalige Kabinettschef hat im Sinne der Durchführung dieser Bevorratungs-aktion gemäß seiner eigenen Angaben in Abstimmung mit der zuständigen Fach-sektion und mit Unterstützung seiner Mitarbeiter/innen im Ministerbüro den gesamten Vorgang inklusive der Vorbereitung der Öffentlichkeitsarbeit im Ressort entsprechend seines Funktions- und Rollenverständnisses koordiniert und die Gespräche sowohl mit den Herstellern als auch in der Folge auch mit den Handels-firmen geleitet.

 

Mir vorliegenden Informationen zu Folge wurden seitens des Hauses Kommuni-kationsmaßnahmen in Bezug auf „Pandemiemasken“ erstellt bzw. erarbeitet, wie z.B.: Erstellung von BMGF-Folder, Information der Österreichischen Leitmedien, Betrieb einer Hotline bei der AGES etc. Die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen kann von mir ex post nicht verifiziert werden.

 

Fragen 4, 12, 13, 24 und 25:

Da die Aktion, für die Bevölkerung eine Bevorratung von Grippeschutzmasken auf eigene Kosten zu ermöglichen, im damaligen Verständnis der Ressortführung keine „Beschaffung des Bundes im engeren Sinne“ darstellte, wurden im Sinne eines

öffentlichen Beschaffungsvorgangs nach dem Vergaberecht keine Vergleichsan-gebote eingeholt.

 

Wesentlich zum Gesamtverständnis der auch im einschlägigen Rechnungshofbericht genannten (und seither bekannten) Preise ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass die Aktion über Wunsch der Ressortleitung über den Handel abgewickelt wurde und die Masken von Anfang an für den Verkauf im (Lebensmittel-) Handel bestimmt waren. Die Aktion war aus dazumaliger Ressortsicht also nicht als „Gratis-Verteilung“ von Masken, die davor von der Bundesregierung gekauft worden wären, konzipiert worden. Argumentiert wurde damit, dass die beiden Hersteller derartige Masken üblicherweise in kleinen Mengen über Baumärkte verkauften, wo der Stückpreis damals ein Vielfaches über dem gemeinsam für die „Pandemieaktion“ (gleichen) vereinbarten Preis lag.

Der Lebensmittelhandel wurde deswegen vom Ressort angesprochen, weil es stra-tegisch um einen Handelsplatz ging, bei dem die Bevölkerung regelmäßig Einkäufe tätigt und damit einen leichten und raschen Zugang zu den Masken erhalten sollte. Am Beginn hatte man deswegen z.B. auch an Tankstellenshops gedacht, die aber auf Grund der kleinen Verkaufsflächen dann nicht weiter in Betracht gezogen wurden. Der damals beteiligte Lebensmittelhandel hat sein Mitwirken offenbar auch als Mit-wirkung an einer „Public-Health-Maßnahme“ verstanden.

Aus heutiger Sicht kann zugestanden werden, dass im Zeitraum der Vorbereitung der Bevorratungsaktion die mediale Berichterstattung und somit die öffentliche Sensibili-sierung gerade einen Höhepunkt erlebte, weil an den Grenzen der Europäischen Union und Anfang Jänner 2006 auch in Österreich erste Fälle von aviärer Influenza in Wildgeflügelpopulationen aufgetreten waren.


Fragen 5 bis 8 und 14 bis 17:

Die „Erklärung über die Abnahme nicht verkaufter Pandemiemasken im Rahmen der Pandemievorsorge“ (siehe Beilage A) wurde im Zuge der vorbereitenden Gespräche im Beisein aller Beteiligten (BMG, Herstellerfirmen und Handel) vereinbart, wobei sich das Ressort des Rechtsbeistands der Finanzprokuratur bediente.

Die Herstellerfirmen haben - nach den mir zur Verfügung gestellten Informationen - diese Erklärung deswegen erbeten, weil sie für den österreichischen Markt eine außergewöhnlich hohe Stückzahl an Masken hergestellt und geliefert haben, die im regulären Verkaufsgeschäft nicht abgesetzt hätte werden können. Rechtsgültig gezeichnet wurde die Erklärung von der damaligen Bundesministerin für Gesundheit und Frauen. Der Handel selbst hat auf einen Aufschlag zum Fabriksabgabepreis bis auf einen kleinen Logistikzuschlag weitgehend verzichtet und war im Sinne der Projektabwicklung an den Gesprächen beteiligt.

 

Frage 9:

Parallel bzw. zeitlich vorgelagert zur Aktion, die Bevölkerung zur Bevorratung von Grippeschutzmasken auf eigene Kosten über den Weg des (Lebensmittel-) Handels einzuladen, hat es für die Schlüsselkräfte im öffentlichen Bereich eine Ausschreibung der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) gegeben. Diese wurde vom Ressort initiiert und es lagen in der Folge Einschätzungen vor, die zur damaligen Bewertung der betei-ligten Mitarbeiter/innen im Ressort führte, dass keine der an der BBG-Ausschreibung teilnehmenden Firmen die Anzahl an gewünschten Masken in der vereinbarten Qualität (FFP1) für die Bevorratungsaktion der Bevölkerung hätte liefern können.

 

Frage 10:

Im Zuge der Vorbereitung der Aktion wurde offenbar im Sinne einer (kostenmäßigen) Risikominimierung die Stückzahl von ursprünglich 17 auf 9 Millionen Masken reduziert.

 

Frage 11:

Die beiden Herstellerfirmen haben in einem Verhältnis von etwa 1:1 geliefert.

 

Frage 18:

Dem Ressort liegen aktenmäßig erfasst keine Beschwerden zur Aktion vor.

 

Frage 21:

Im Zuge der Maßnahmen bei der Influenzapandemie A(H1N1) 2009 wurden kosten-lose Kontingente der 2007 eingelagerten Grippeschutzmasken an die Bundesländer übergeben, damit sie im Falle der Verteilung logistisch näher an der Bevölkerung gelagert werden können. Insgesamt wurden 1.056 Paletten mit durchschnittlich 6.000 Masken an die Bundesländer übergeben. Derzeit wird noch ein Restbestand von 1.587.880 Stück (253 Paletten) von meinem Ressort eingelagert. Da die Haltbar-keit dieser Schutzmasken von der Herstellungsfirma bis 2016 bestätigt wurde, kann die Lagerung bis zum Jahr 2016 erfolgen.


Frage 22:

Die Einlagerung wurde in zwei Lagern vorgenommen:

§  Im Lager des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) werden Kosten von € 5,-- (keine Mehrwertsteuer) pro Palette und Monat verrechnet. Die Kosten für das Jahr 2009 betrugen € 23.610,-- und für das

       Jahr 2010 € 15.240,--. Die Abrechnung für 2011 wurde meinem Ressort bis      

       dato von Seiten des BMLVS noch nicht in Rechnung gestellt.

 

§  Ein großes Kontingent an Schutzmasken wurde auch in einem Lager der Landwirtschaftlichen Bundesversuchswirtschaften GmbH, Saalfelden, gelagert. Dieses Lager wurde im Dezember 2009 zur Gänze geräumt.

 

Fragen 23 und 26:

Es sind keine weiteren Kosten angefallen.

 

Frage 25:

Es gab keine unterschiedlichen Konditionen (siehe auch Beantwortung der Fragen 4, 12, 13, 24 und 25).

 

Fragen 27 und 28:

Im Influenza Pandemieplan, Strategie für Österreich, 3. Auflage November 2006, ist/war Folgendes angeführt:

„1.5.6. Schutzmasken

• Zur Vermeidung von Influenza-Infektionen werden für das Gesundheitspersonal bei direktem Kontakt zu Influenza-Patienten und -innen Mundschutzmasken der Gruppe FFP3 mit Ventil empfohlen. Für Patienten und ‑innen werden Mundschutzmasken der Gruppe FFP3 ohne Ventil empfohlen (siehe Kapitel "Krankenhaushygienische Maßnahmen"). Ansonsten FFP1 oder chirurgische OP-Masken.“

„2.2.4. Bevorratung von Masken

• Auch ein Atemschutz trägt zu einer Reduktion des Übertragungsrisikos bei. Einerseits kann ein Mundnasenschutz mit einer einfachen OP-Maske die tröpfchengebundenen Keime in der Ausatemluft zurückhalten. Andererseits stellen Atemschutzmasken in Abhängigkeit von ihrer Filterleistung (entsprechend FFP1-, FFP2- oder FFP3-Qualität) eine der jeweiligen Exposition

adaptierte Schutzmöglichkeit zur Verhinderung der Einatmung der über Tröpfcheninfektion verbreiteten Erreger dar. Der Vorteil der Masken ist ihre breite Einsetzbarkeit und Wirksamkeit unabhängig von allfälligen Erregertypen, Resistenzbildungen und individuellen Medikamentenunverträglichkeiten. Es wurden daher von allen betroffenen Rechtsträgern erhebliche Mengen von geeigneten, auf den jeweiligen speziellen Einsatz zugeschnittenen Masken eingelagert.“

 

Die damalige Entscheidung für Masken in der Qualität FFP1 für die Bevorratungs-aktion auszuwählen, fußte auf der Überlegung, dass OP-Masken nicht eng genug am Gesicht haften würden und bei engem Körperkontakt - wie bei Heimkrankenpflege zu erwarten - keine Garantie des Schutzes vor einer Tröpfcheninfektion vorliegen würde.

Aus damaliger Sicht führten in erster Linie Haftungsgründe dazu, sich für FFP1 Masken zu entscheiden. Das wurde den Herstellern auch schriftlich seitens des Ressorts bestätigt.

 

Die Empfehlungen werden derzeit aufgrund der von meinem Ressort in Auftrag gegebenen Evaluierung der Influenzapandemie A(H1N1) 2009 überarbeitet.

 

Zusammenfassend zeigte die bestehende Evidenz zum Thema Mundschutzmasken, dass

 

·        die Anwendung von Mundschutzmasken im Rahmen der sogenannten Heimkrankenpflege die Übertragungsrate für Influenzaerkrankungen reduzieren kann;

·        für die Bewertung, welcher Maskentyp (OP-Masken oder Masken mit besserer Filterleistung) im Rahmen der Heimkrankenpflege am besten ist, unzureichend Evidenz vorliegt;

·        keine Empfehlung für das Tragen von Mundschutzmasken durch Gesunde in der Öffentlichkeit abgeleitet werden kann (jedenfalls für Grippewellen mit mildem Verlauf, wie die Pandemie A(H1N1) 2009).

 

Fragen 29 und 31:

Das Ressort hat im Jahr 2006 für die Schlüsselkräfte in seinem Wirkungsbereich, wie bereits im Rechnungshofbericht angemerkt, aus dem BBG-Kontingent einmalig

FFP1 Masken angeschafft. Für eine Packung à 20 Stück wurden Kosten von € 5,52 (inkl. MWSt) berechnet. Es wurden 9.500 Stück FFP1 Masken und 500 FFP3 Masken bei der BBG - durch das Ressort - für Schlüsselpersonal bestellt; 5.000 Stück FFP1 Masken für das ehemalige Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (Rechnungsadresse: 1030 Wien, Radetzkystraße 2) und 4.500 FFP1 Masken bzw. 500 FFP3 Masken für die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (Rechnungsadresse: 1220 Wien, Spargelfeldstraße 191).

 

Frage 30:

In Bezug auf die „Qualität“ der angeschafften Masken verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 27 und 28; im Übrigen auf die vom Rechnungshof (Bund 2008/10) getroffenen Feststellungen.

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe

Anfragebeantwortung (gescanntes Original)

zur Verfügung.