12174/AB XXIV. GP

Eingelangt am 06.09.2012
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                     Wien, am      August 2012

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0196-I/4/2012

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12351/J vom 6. Juli 2012 der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Das in der Presseaussendung vom 11. März 2012 erwähnte EDV-System ist dem Bundesministerium für Finanzen bereits seit mehreren Jahren bekannt.

 

Zu 2. und 5.:

Seitens der im Bundesministerium für Finanzen zuständigen IT-Abteilung wurde das in der gegenständlichen schriftlichen parlamentarischen Anfrage angesprochene System nie offiziell befürwortet. Da eine detaillierte Analyse der technischen Machbarkeit bisher nicht stattgefunden hat, kann auch keine konkrete Aussage über den technischen und finanziellen Aufwand sowie über die Dauer der Umsetzung getroffen werden.


Zu 3.:

Herr Dr. Herwig Heller, Leiter der Betrugsbekämpfung im Bundesministerium für Finanzen, hat diese Aussage nach eigenen Angaben nicht getroffen. Dies ergibt sich bereits aus dem in der Einleitung der gegenständlichen schriftlichen parlamentarischen Anfrage angeführten Text.

 

Da der geschätzte Nettosteuereffekt des Umsatzsteuerbetrugs jedenfalls weniger als die in der gegenständlichen schriftlichen parlamentarischen Anfrage insinuierte Summe beträgt, und selbst wenn er diese Höhe erreichte, die Erfindungsgabe beim Umsatzsteuerbetrug eine völlige Beseitigung dieses Phänomens unwahrscheinlich erscheinen lässt, wird keine Maßnahme zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs einen Effekt von zwei Milliarden Euro bewirken können.

 

Zu 4.:

Die Ermittlung der entgangenen Steuereinnahmen aus verschiedenen Formen des Umsatzsteuerbetrugs ist schon allein deswegen schwierig, weil die nicht aufgedeckten Betrugsfälle nur auf Grund indirekter Effekte grob umrissen werden können. So werden von verschiedenen Einrichtungen die Steuerausfälle durch Umsatzsteuerbetrug für die ganze Europäische Union zwischen 40 Mrd. Euro (Europäisches Parlament, 2009/C 295 E/04) und 100 Mrd. Euro (IVA) geschätzt, wobei offenbar nicht alle Mitgliedstaaten in gleichem Maße betroffen sind. Österreich hat in den letzten Jahren in Gesetzgebung und Verwaltung auf den Umsatzsteuerbetrug deutlich reagiert, etwa durch die Einführung des Übergangs der Steuerschuld in Risikobranchen und eine bessere Identifizierung von Verdachtsmomenten. Diese Maßnahmen sollten zu einer relativen Verbesserung der österreichischen Position geführt haben.

 

Zu 7. (richtigerweise 6. Fragestellung):

Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes-ministeriums für Finanzen.

 

Zu 8. (richtigerweise 7. Fragestellung):

Beim „Reverse-Charge-Verfahren“ geht es darum, dass die Mehrwertsteuer nicht vom Leistungserbringer, sondern vom Leistungsempfänger geschuldet wird. Ist der die Leistung empfangende Unternehmer Steuerschuldner, ist ein Umsatzsteuerbetrug in der geschilderten Form nicht mehr möglich. Der Leistungsempfänger schuldet die Umsatzsteuer, es steht ihm jedoch in der Regel gleichzeitig in derselben Höhe der Vorsteuerabzug zu, sodass es zu keiner Umsatzsteuerbelastung kommt.

 

Davon zu unterscheiden ist der Vorsteuerabzug nach dem so genannten „Ist-System“, bei dem der Steuerschuldner der leistende Unternehmer ist, aber dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug erst dann zusteht, wenn die Rechnung bezahlt worden ist.

 

Die geltende Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG sieht nur in einigen Fällen zwingend den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger vor. Darüber hinaus räumt sie den Mitgliedstaaten in Bezug auf bestimmte Umsätze die Möglichkeit ein, das „Reverse-Charge-Verfahren“ anzuwenden. Österreich hat sehr weitreichend von diesen Optionen Gebrauch gemacht. So besteht bereits derzeit gerade in besonders betrugsanfälligen Bereichen, wie z. B. Bauleistungen, Schrottumsätze, Übertragung von Emissionszertifikaten oder Lieferung von Mobilfunkgeräten ein Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger. Die Einführung eines generellen „Reverse-Charge-Systems“ hat derzeit keine Chance auf Realisierung, da einige Mitgliedstaaten diesem System sehr ablehnend gegenüber stehen.

 

Das gegenständliche „Überrechnungsmodell“ ist in der derzeit geltenden Richtlinie nicht abgedeckt. Sollte Österreich dieses Modell umsetzen, dann könnte das nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Dass die potenziellen Betrüger freiwillig zum „Überrechnungsmodell“ optieren, ist unwahrscheinlich. Für die steuerehrlichen Unternehmerinnen und Unternehmer, die zu diesem Modell optieren, würde ein technischer Mehraufwand entstehen, der mit hohen Kosten verbunden ist.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Maria Fekter eh.