12178/AB XXIV. GP
Eingelangt am 06.09.2012
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am August 2012
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0186-I/4/2012
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12357/J vom 6. Juli 2012 der Abgeordneten Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Gemäß Art. 8 Abs. 5 des ESM-Vertrages ist die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Das Risiko ist unter allen Umständen auf den Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt (das sind 19 Mrd. 483 Mio. 800 Tsd. Euro).
Eine Kapitalerhöhung ist ohne neuerliche Zustimmung des Nationalrats in Österreich nicht möglich. Art. 10 des ESM Vertrages sieht für so einen Fall eindeutig die Notifikation des Abschlusses nationaler Verfahren vor.
Zu 2.:
Die ESM-Mitglieder verpflichten sich gemäß Art. 8 Abs. 4 des ESM-Vertrages unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zum genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel zu leisten. Sie kommen demnach sämtlichen Kapitalabrufen gemäß den Bedingungen dieses Vertrages fristgerecht nach.
Versäumt es ein ESM-Mitglied, den Betrag, der aufgrund seiner Verpflichtungen im Zusammenhang mit eingezahlten Anteilen oder Kapitalabrufen nach Maßgabe der Art. 8, 9 und 10 fällig werden, in voller Höhe zu begleichen, so werden gemäß Art. 4 Abs. 8 sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds solange ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist.
Wenn ein ESM-Mitglied die aufgrund eines Kapitalabrufs gemäß Art. 9 Abs. 2-3 erforderliche Einzahlung nicht vornimmt, so ergeht gemäß Art. 25 Abs. 2 des ESM Vertrages ein revidierter erhöhter Kapitalabruf an alle ESM-Mitglieder, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält.
Der Gouverneursrat beschließt geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das betreffende ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM innerhalb vertretbarer Zeit begleicht. Weiters kann der Gouverneursrat Verzugszinsen für den Zeitraum einfordern, in dem ein Land säumig ist. Diese sollen gemäß der noch zu beschließenden Bestimmungen für Kapitalabrufe der Höhe der Finanzierungskosten der anderen ESM-Mitglieder zuzüglich eines Aufschlags von 200 Basispunkten entsprechen (dieser Aufschlag wird im Fall von Ländern unter einem vollständigen Anpassungsprogramm auf 50 Basispunkte reduziert). Es entstehen also für jene ESM-Mitglieder, die einem Kapitalabruf fristgerecht nachkommen, keine Mehrkosten.
Zu 3.:
Die Immunitätsbestimmungen des ESM-Vertrags entsprechen jenen anderer internationaler Institutionen, z.B. Art. VII Abs. 8 des Artikels des Abkommens der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Wirtschaftsförderung (IBRD, d.h. Weltbank) und Art. IX Abschnitt 8 des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds, BGBl. Nr. 105/1949, sowie Art. 51 des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), BGBl. Nr. 222/1991.
Die Immunität dient nicht dem persönlichen Vorteil der Organmitglieder, sondern ausschließlich der Institution, die deshalb auch alleine über die Aufhebung der Immunität entscheidet. Der Gouverneursrat kann die einem Gouverneur gewährten Immunitäten mit qualifizierter Mehrheit jederzeit aufheben. Weiters beziehen sich die Bestimmungen ausschließlich auf die amtlichen Tätigkeiten und nehmen die Person ihres außeramtlichen Handelns wegen selbstverständlich nicht von der Gerichtsbarkeit aus.
Es darf auch daran erinnert werden, dass für den ESM beschlossen wurde, Anspruch auf einen bevorrechtigten Gläubigerstatus bei Darlehensvergaben zu erheben, wie ihn zum Beispiel auch der IWF de facto hat. Dabei handelt es sich nicht um ein Recht, das per Vertrag begründet werden kann, sondern um gelebte Praxis, die auch gerichtlich bestritten werden kann. Es ist daher wichtig, den ESM und dessen Organe vor missbräuchlichen Klagen zu schützen.
Bezüglich der politischen Verantwortung ist festzuhalten, dass die österreichischen Vertreter in Gouverneursrat und Direktorium bei allen wichtigen Entscheidungen der Zustimmung des Nationalrats bedürfen.
Mit freundlichen Grüßen