12230/AB XXIV. GP

Eingelangt am 06.09.2012
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

Beschreibung: Logo-solo

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0362-III/4a/2012

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 3. September 2012

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12414/J-NR/2012 betreffend Analphabetismus in Österreich, die die Abg. Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen am 6. Juli 2012 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1 bis 4:

Im einleitenden Teil der gegenständlichen Parlamentarischen Anfrage wird behauptet, dass die OECD/PIAAC-Studie im Frühjahr 2012 abgeschlossen worden wäre und dem Bundes­ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur daher bereits entsprechende Zahlen zur Verbreitung von Analphabetismus in Österreich vorliegen müssten. Unter Hinweis auf die Beantwortung der Fragen 1 und 3 bis 5 der Parlamentarischen Anfrage Nr. 8024/J-NR/2011 mit Schreiben vom 18. Mai 2011 wurde im Frühjahr 2012 erst die Feldphase der PIAAC-Haupterhebung abgeschlossen. Die erhobenen Daten müssen nun aufbereitet, ausgewertet und vergleichbar gemacht werden. Diese Auswertungen liegen dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur daher noch nicht vor, die Publikation der Ergebnisse der PIAAC-Erhebung ist nach derzeitigem Stand für den Oktober 2013 vorgesehen.


Zu Fragen 5 und 6:

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur hat im Bereich der Basisbildung einen besonderen Förderschwerpunkt gesetzt, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit für die Problematik des Analphabetismus/Illetrismus in Österreich zu sensibilisieren und die Grundlagen für ein flächen­deckendes, qualitätsgesichertes Angebot zur Basisbildung sicherzustellen. Was den schulischen Bereich und die im Mittelpunkt der Überlegungen stehenden Schülerinnen und Schüler anbelangt, so wird die Vermittlung der Grundkompetenzen als eine Kernaufgabe des Bundes­ministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur angesehen. Eine wichtige Aufgabe kommt dem im Verantwortungsbereich der Länder liegenden Kindergarten zu, der durch frühzeitige Diagnose Kompetenzen (im Sinne von Vorläuferfertigkeiten) und Haltungen (Lesemotivation) grundlegen kann; besondere Maßnahmen brauchen jene Kinder, die im sozialen Umfeld wenig Anregungen und Hilfestellungen erhalten bzw. bei denen die Unterrichtssprache Deutsch noch nicht genügend gefestigt ist.

 

Hinsichtlich bereits gesetzter Maßnahmen wird hingewiesen etwa auf:

-      Seit einigen Jahren wird verstärkt – auch schon vor dem Schuleintritt – der Fokus auf die sprachliche Förderung gelegt. Kinder, die im Herbst ihr letztes Kindergartenjahr beginnen, werden im Hinblick auf ihre Sprachkenntnisse beobachtet. Das im Bereich der Länder liegende verpflichtende letzte Kindergartenjahr ist eine wichtige Maßnahme, um allen Kindern einen fairen Schulstart zu ermöglichen: Ihre sprachliche Entwicklung kann über einen längeren Zeitraum im Kindergarten, also in einer gewohnten Umgebung, beobachtet werden.

-      In Kindergärten werden Sprachstandsfeststellungsverfahren (mit unterschiedlichen Instrumenten zB. BESK, BESK-DAZ, SSFB, SSFB-DA) durchgeführt; es wird vor allem im Rahmen des letzten (verpflichtenden) Kindergartenjahres die sprachliche Förderung weiter­geführt; der Sprachförder-Bildungsplan wird in den österreichischen Kindergärten ange­wendet; vor allem am Übergang zur Volksschule erfolgt die Zusammenarbeit der Päda­goginnen und Pädagogen.

-      Ein Sprachförderbildungsplan für Kinderbetreuungsinstitutionen ist erstmals in Österreich entwickelt worden: Er ist seit 2009 im Einsatz und bietet den Pädagoginnen und Pädagogen wertvolle Orientierung. In der Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen werden entsprechende Maßnahmen gesetzt. Sie müssen entsprechend auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet werden. Methoden der frühen sprachlichen Förderung sind Schwer­punkt in der Aus- und Weiterbildung der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen. In ihrer Ausbildung erhalten künftige Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sowie Horterzieherinnen und -erzieher neben der allgemeinen Universitätsreife spezielle Kennt­nisse in Bezug auf die Sprachentwicklung und Deutschdidaktik sowie die vorschulische Lesedidaktik. Im Bereich der beruflichen Bildung (für die spätere Tätigkeit) an den Bildungs­anstalten für Kindergartenpädagogik wird besonderer Wert auf die didaktische Arbeit mit Kindern (Vorläuferfertigkeiten des Lesens) und in der Hortausbildung auf die Lernhilfe Deutsch (bei der das Lesen eine zentrale Bedeutung hat) gelegt.

-      Für den Eintritt in die Volksschule entwickelten Expertinnen und Experten Deutsch­standards, um Förderbedarf rechtzeitig feststellen zu können. Ziel ist, dass alle Kinder gleichermaßen dem Unterricht folgen können. Die Entwicklung und Anwendung von so genannten Deutsch-Standards für die allgemein bildenden Pflichtschulen und die weiter­führenden Bildungswege, die die Berufsbildung inkludiert und bis hin zu den abschließenden Prüfungen reicht sowie mehrere Testverfahren (die den Lehrenden zeigen, wo der Einzelne steht und die die Grundlage für die Entwicklung geeigneter Förder­maßnahmen ermöglichen) sind den Pädagoginnen und Pädagogen eine wertvolle Hilfe bei ihrer Bildungsarbeit. Der Deutsch-Förderunterricht an den Schulen wird weitergeführt. Auch im Bereich des berufsbildenden Schulwesens bestehen zahlreiche Maßnahmen, um dem sekundären Analphabetismus entgegenzuwirken (Förderunterricht in Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen, Freigegenstände, Projekte etc.). Im Rahmen der vorgesehenen Stundenanzahl der einzelnen Schulformen werden die Schülerinnen und Schüler optimal gefördert.

-      Die ab 2015 (bzw. für berufsbildende höhere Schulen ab 2016) verbindliche Form der neuen Reifeprüfung (bzw. Reife- und Diplomprüfung) sieht vor, dass alle Kandidatinnen und Kandidaten eine vorwissenschaftliche Arbeit bzw. Diplomarbeit verfassen müssen. Dies setzt eine verstärkte Form der Unterrichtsarbeit im Bereich der Textrezeption, der Text­produktion sowie der Präsentation und Diskursfähigkeit voraus. Damit verbunden ist eine Erhöhung einer umfassenden „Literacy-Kompetenz“, die auch den Einsatz moderner Technologien beim Erwerb entsprechender Textkompetenzen berücksichtigt.

-      Die Öffnung der Schulen zu ihrem regionalen und sozialen Umfeld, der Ausbau ganztägiger Betreuung und die vielfältigen künstlerischen und sozial motivierten Projekte können insge­samt auch als ein Beitrag zur Inklusionsleistung des österreichischen Bildungssystems erachtet werden, damit wird auch dem funktionalen Analphabetismus präventiv entgegen­gewirkt.

 

Auch ist die Leseförderung weiterhin ein wichtiger Ansatzpunkt in der pädagogischen Arbeit. Unter dem bildungspolitischen Aspekt der Stärkung der Grundkompetenzen, der Qualitäts­entwicklung an Schulen und der Berücksichtigung der von neuen Medien geprägten Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen wurde seit 2006 ein neues Konzept einer umfassenden Lese­förderung entwickelt, das so ausgerichtet ist, dass

-      Leseförderung die mediale Bezugswelt der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt,

-      Leseförderung an den Schulen gegenstandsübergreifend betrachtet wird,

-      auch die Familien unterstützt werden, da Lesekompetenz der Kinder und Jugendlichen in hohem Maß von der Lesekompetenz im familiären Umfeld abhängig ist und in dem

-      notwendige strukturelle Maßnahmen vor allem im Bereich der Lehrerkräfteaus- und -fort­bildung gesetzt wurden und werden.

Es erfolgte eine Intensivierung der Kooperation mit traditionellen Einrichtungen der Lese­förderung wie dem Buchklub der Jugend und dem Österreichischen Jugendrotkreuz, die mit ihren Medien einen starken Zugang zu den Schülerinnen und Schülern vor allem im Bereich der Grundstufe und der Sekundarstufe I haben.

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

-      fördert darüber hinaus Leseinitiativen in den Regionen,

-      setzt flächendeckend an österreichischen Schulen in mehreren Schulstufen das Salzburger Lesescreening (SLS) ein,

-      stellt in Homepages (zB. http://www.literacy.at) Informationen bereit, um den medialen Aspekt stärker zu berücksichtigen,

-      lässt den Bereich etwa hinsichtlich der „Konzepte multimodaler Leseförderung in Österreich“ oder der „Family Literacy“ entsprechend beforschen,

-      bietet mit Initiativen wie „Medienpuzzle“ für Schulklassen der 7. bis 13. Schulstufe aller Schul­typen österreichweit aktuelle Informationen aus der Medienkunde und thematisiert anhand wechselnder Schwerpunkte die Mediennutzung und die Einflüsse der Medien,

-      veranstaltet Fortbildungsveranstaltungen für Lehrende aller Schularten,

-      macht Lese -und Textkompetenz zum Thema aller Unterrichtsgegenstände,

-      produziert Materialien zum Einsatz im Unterricht wie etwa die Praxismappe Lesen, Lese­strategien in Chemie, Lesestrategien in Mathematik,

-      setzt Zeichen, wie etwa die Mitwirkung an Buchmessen, die Finanzierung von Workshops für Schülerinnen und Schüler, die Mitwirkung an „Buchliebling“ (Wahl der beliebtesten Bücher Österreichs, Bereich: Kinder- und Schulbücher),

-      bietet bundesweite Lehrkräftefortbildung an, die durch zwei Zentren (Koordinationsstelle für Literacy und Koordinationsstelle Lesen) organisiert werden,

-      betreut alle österreichischen Schulbibliotheken – in Kooperation mit dem Bibliotheken­service in Wels – mit.

 

Die finanziellen Mittelaufwendungen im Bereich der Leseförderung sind für das Jahr 2011 mit rd. 360.000 EUR zu beziffern. Weiters wird darauf hingewiesen, dass die angesprochenen Maßnahmen für den schulischen Bereich einerseits in den jeweiligen Schulbudgets verankert sind und anderseits eine exakte finanzielle Zuordnung der angesprochenen Maßnahmen auf Grund der verschiedensten davon betroffenen Budgetansätze, welche wiederum nicht ausschließlich diesen Maßnahmen zugeordnet sind, nicht ermittelt werden kann.

 

Ferner fördert das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur im Bereich der Erwach­senenbildung im Rahmen des Ziel-3-Programms der Europäischen Union im Zeitraum 2007 bis 2013 Maßnahmen zur Basisbildung und Alphabetisierung in einem Gesamtumfang von 10 Mio. EUR. Neben Angeboten für Betroffene werden im Rahmen des ESF Entwicklungs­projekte gefördert, die der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der Entwicklung neuer Modelle und Curricula, der Vernetzung der Anbieter sowie der Erarbeitung von Qualitätsstandards dienen.

Mit 1. Jänner 2012 startete das Länder-Bund-Förderprogramm zum Nachholen von Bildungs­abschlüssen, in dessen Rahmen unter Anderem Maßnahmen zur Alphabetisierung und Grund­bildung durchgeführt werden. Entsprechend der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, die zwischen dem Bund und den Ländern dazu abgeschlossen wurde (BGBl. I Nr. 39/2012), werden bis Ende 2014 insgesamt 21,7 Mio. EUR für Alphabetisierungs- und Grundbildungsangebote bereitgestellt, die den qualitativen Anforderungen des Länder-Bund-Förderprogramms entsprechen. Damit erhalten rund 6.700 Personen die Möglichkeit, ihre Kompetenzen in den grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen zu verbessern und an den erwachsenengerechten Bildungsangeboten kostenfrei teilzunehmen.

 

Zu Frage 7:

Vorweg wird zu den in der Fragestellung enthaltenen kalkulierten Kosten in Höhe von 2,7 Mio. EUR darauf hingewiesen, dass diese veralteten Kostenschätzungen bereits in der Beantwortung der Fragen 10 bis 12 der Parlamentarischen Anfrage Nr. 3375/J-NR/2009 mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 korrigiert wurden.

Nach derzeitigem Stand wird der österreichische Anteil an den internationalen Kosten des PIAAC-Projektes nach Abzug einer Förderung durch die Europäische Kommission voraus­sichtlich ca. 300.000 EUR betragen. Die Kosten für die nationale Durchführung der Erhebung in Österreich liegen voraussichtlich bei ca. 3.000.000 EUR. Das ergibt Gesamtkosten der PIAAC-Studie bis zum Jahr 2014 in Höhe von ca. 3.300.000 EUR. Die beiden Bundesministerien für Unterricht, Kunst und Kultur sowie für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz haben eine Kostenteilung vereinbart, der auf das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur entfallende Hälfte Anteil wird daher ca. 1.650.000 EUR ausmachen.

 

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.