12287/AB XXIV. GP
Eingelangt am
10.09.2012
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
NIKOLAUS
BERLAKOVICH
Bundesminister
An die Zl. LE.4.2.4/0164-I/3/2012
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 6. SEP. 2012
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dr. Eva Glawischnig-Piesczek,
Kolleginnen und Kollegen vom 11. Juli 2012, Nr. 12508/J, betreffend
Zerstörung Österreichischer Flussheiligtümer
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen vom 11. Juli 2012, Nr. 12508/J, teile ich Folgendes mit:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Grundlage für die Ausweisung der „Flussheiligtümer“ war die Studie „Ausweisung flusstypspezifisch erhaltener Fließgewässerabschnitte in Österreich“. In dieser Studie der Universität für Bodenkultur wurden Fließgewässerabschnitte ausgewiesen, deren Morphologie, Dynamik sowie Umlandausprägung dem ursprünglichen Flusstyp entsprechen und keine direkten Beeinflussungen des Abflussregimes (Stau, Ausleitung, Schwall) aufweisen (Kat. A) sowie jene die zwar Veränderungen aufweisen, jedoch nicht durch systematische flussbauliche oder energiewirtschaftliche Eingriffe in ihrem Charakter verändert sind (Kat. B). Die Auswahl erfolgte nach der Qualität der Lebensräume, dem Bestand großflächiger Auwälder, dem Vorkommen von bestimmten Leitarten oder der Lage in einem Großschutzgebiet.
Diese Bewertung der als Flussheiligtümer ausgewiesenen Gewässerabschnitte ist nicht gleichzusetzen mit dem sehr guten ökologischen Zustand nach EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL).
Die Intention der Ausweisung im Buch der Flüsse war die Erhaltung dieser ökologisch bedeutenden Flussstrecken.
Seit der Kampagne „Lebende Flüsse“, mit welcher 1998 einzigartige und damit schutz- und erhaltenswerte Flussstrecken als „Flussheiligtümer“ vorgestellt wurden, ist über ein Jahrzehnt vergangen. In dieser Zeit wurde die EU-WRRL erlassen, die die Erhaltung und Sanierung der europäischen Gewässer zum Ziel hat. Der Richtlinie zufolge sind die Mitgliedstaaten gehalten, neben der Sanierung von Gewässerstrecken, den bestehenden ökologischen Zustand in Gewässern nicht zu verschlechtern. Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot sind nur unter den in der Richtlinie vorgesehenen Gründen möglich.
In Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, insbesondere zur Unterstützung einer einheitlichen und transparenten Planung und Vollziehung der Regelungen um das Verschlechterungsverbot, hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft den "Wasserkatalog Österreich“ veröffentlicht. In einem Anhang zum Katalog werden einzelne Komponenten der ökologischen Kriterien bezogen auf das österreichische Gewässernetz dargestellt. Einzelne Komponenten erfüllen auch die seinerzeitigen „Flussheiligtümer“, insofern sind diese in den umfassenderen Arbeiten rund um die Wasserrahmenrichtlinie aufgegangen.
Zu den Fragen 4 und 5 sowie 8 bis 11:
Auch innerhalb des Umweltbereiches können bestimmte Themen zu Zielkonflikten führen – konkret betrifft dies die Erhaltung ökologisch wertvoller Gewässerstrecken und die Steigerung des Anteiles an erneuerbarer Energie aus Wasserkraftnutzung.
Der Ausbau der Wasserkraft leistet einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien und damit zum Klimaschutz – dies wurde auch in der 2010 veröffentlichten Energiestrategie verankert. Gleichzeitig besteht jedoch auch der Anspruch, Gewässer in ihrem Zustand zu erhalten und nicht zu verschlechtern. Vor dem Hintergrund der aktuellen ökologischen Situation unserer Gewässer ist dies ein wesentliches Anliegen des Natur- und Gewässerschutzes. Einen Ausbau der Wasserkraft sollte es daher nur dort geben, wo dies ökologisch verträglich und vertretbar ist.
Um dieses Spannungsfeld zwischen Ökologie einerseits und zukünftiger Wasserkraftnutzung in Zusammenhang mit den Klimazielen andererseits aufzulösen, wurde in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und unter Einbeziehung weiterer Experten bzw. Expertinnen der „Österreichische Wasserkatalog – Wasser schützen – Wasser nutzen: Kriterien zur Beurteilung einer nachhaltigen Wasserkraftnutzung“ erarbeitet. Dieser enthält energiewirtschaftliche, ökologische und sonstige wasserwirtschaftliche Kriterien und soll als Hilfestellung für die Abwägung der verschiedenen öffentlichen Interessen bei der Prüfung von Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot dienen.
Die vorgeschlagenen Kriterien sind auch eine wesentliche Planungsgrundlage für weitere, konkretere Planungsschritte. In einem ersten Schritt sollen - unter Berücksichtigung bereits allfällig existierender Planungsarbeiten - Studien in Bezug auf Wasserkraftpotenziale und ökologische Gesichtspunkte für einzelne Flüsse, (Teil)Einzugsgebiete oder bestimmte Regionen erstellt werden. Diese Studien sollen ermöglichen, bezogen auf einen bestimmten Planungshorizont, „sehr sensible“, „sensible“ und „weniger sensible“ Gewässerabschnitte zu bestimmen und Prioritätenreihungen u.a. aus ökologischer und energiewirtschaftlicher Sicht im Hinblick auf Wasserkraftnutzung abzuleiten.
Auch die als Flussheiligtümer ausgewiesenen Gewässerabschnitte können, so sie den Kriterien entsprechen, in diese Planungen einbezogen werden.
Zu Frage 6.
Ob es in der Venter und Gurgler Ache zu einer Verschlechterung des Zustands kommt, lässt sich auf Basis der derzeit vorliegenden Daten nicht abschätzen. Dafür sind detailliertere Informationen zur Projektausführung erforderlich.
Eine eventuelle Verschlechterung eines Wasserkörpers hängt vom Ausgangszustand des betroffenen Gewässers (d.h. genaue Informationen zum Standort sind erforderlich) sowie maßgeblich von der Art der Kraftwerksnutzung (z.B. Ausleitungskraftwerk, Flusskraftwerk mit Stau, etc.) und möglichen Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkungen ab. Beispielsweise führt ein Ausleitungskraftwerk mit ökologischem Mindestwasserabfluss und funktionierender Fischaufstiegshilfe üblicherweise nicht zu einer Zustandsverschlechterung. Im sehr guten Zustand ist bei geplanter Kraftwerksnutzung im Regelfall von einer Verschlechterung auszugehen.
Zu Frage 7:
Es ist lt. Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. Mai 2007 (FA13A-32.00 M27-07/88) als auch lt. Bescheid des BMLFUW vom 30.11.2009 (BMLFUW-UW.4.1.12/0186-I/6/2009) beim Kraftwerk Schwarze Sulm, Ausbaustufe A von einer Verschlechterung des sehr guten Zustands auszugehen.
Der Bundesminister: