12288/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.09.2012
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0163-I/3/2012

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 6. SEP. 2012

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen

und Kollegen vom 11. Juli 2012, Nr. 12509/J, betreffend Vereinbarkeit von

Wasserkraftausbau und Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen vom 11. Juli 2012, Nr. 12509/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu den Fragen 1 bis 3:

 

Die Erreichung der Ziele gem. Qualitätszielverordnungen ist bis 2015 nicht realisierbar.Gemäß WRG bzw. EU-WRRL ist aber unter bestimmten Voraussetzungen eine stufenweise Zielerreichung (§ 30e (1) bzw. WRRL Art. 4 (4)) bzw. die Anwendung weniger strenger Umweltziele (§ 30e (1) bzw. Art. 4 (5)) möglich. Die entsprechende Festlegung und Begründung dafür erfolgte im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan.


Die Umweltziele im Gewässerbewirtschaftungsplan legen jenen Gewässerzustand fest, der in allen Oberflächenwasserkörpern und Grundwasserkörpern im jeweiligen sechsjährigen Planungszyklus – beginnend mit 2009 – erreicht werden soll. Sie sollen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Schutz und Verbesserung der Gewässer und der Möglichkeit, weiterhin die Gewässer nachhaltig nutzen zu können, gewährleisten. Die erforderlichen Maßnahmen zur Zielerreichung können sich über mehrere Planungszyklen erstrecken.

 

Es wurde darauf geachtet, die Fristen zur Erreichung des guten Zustandes auf 2021 oder 2027 zu erstrecken und nicht weniger strenge Umweltziele, d.h. eine Ausnahme vom Umweltqualitätsziel, zuzugestehen. Alle Ziele werden in jedem folgenden Planungszyklus überprüft.

Aufgrund der hohen Anzahl an notwendigen Sanierungen im Bereich der hydromorphologischen Belastungen können nicht alle Maßnahmen zeitgleich umgesetzt werden. Daher wurde im NGP 2009 eine Maßnahmenreihung durchgeführt. Der hydromorphologische Zustand soll bis 2015 vor allem in großen und größeren Gewässern verbessert werden, die zum Lebensraum der weit- und mittelstreckenwandernden Fischarten (Nase, Barbe und Huchen) bzw. der biozönotischen Regionen „Epipotamal“, „Metapotamal" sowie „Hyporhithral groß" gehören. Maßnahmenschwerpunkt in diesem prioritären Raum ist die Herstellung der Durchgängigkeit (Fischaufstiegshilfen sowie ausreichendes Restwasser) sowie lokale Verbesserung der Gewässerstrukturen. In den folgenden Planperioden wird diese Sanierung in den kleineren Gewässern fortgesetzt und falls erforderlich zusätzliche Maßnahmen festgelegt.

 

Zu den Fragen 4 bis 6:

 

Ja. Die Evaluierung der bis 2015 gesetzten Maßnahmen sowie die Festlegung weiterer Maßnahmenprogramme erfolgt in den Planungsperioden bis 2021 (NGP 2015) bzw. bis 2027 (NGP 2021). Siehe auch Antwort zu Fragen 1 bis 3.

 

Zu den Fragen 7 bis 9:

 

Vorab ist festzuhalten, dass es nicht Aufgabe der wasserrechtlichen Vollzugsbehörde ist, die Wasserkraftausbaupläne der Energiewirtschaft zu verwirklichen bzw. diese Ausbaupläne einer Prüfung zu unterziehen.

Die Vollzugsbehörde prüft und beurteilt aufgrund eines konkret eingereichten Projekts im Einzelfall nach Maßgabe des Wasserrechtsgesetzes, ob ein Ausnahmetatbestand nach § 104a Abs. 1 WRG vorliegt und ob die Voraussetzungen nach § 104a Abs. 2 WRG vorliegen, um das Projekt bewilligen zu können.


Auch wenn der Vollzugsbehörde konkrete Projekte zur wasserrechtlichen Bewilligung vorliegen, die einer Prüfung zu unterziehen sind, ob das Vorhaben nach § 104a Abs. 2 WRG als Ausnahme vom Verschlechterungsverbot bewilligungsfähig ist, kann die Vollzugsbehörde über laufende Verfahren im Detail keine Auskunft geben.

 

Erst nach dieser umfassenden Beurteilung, kann die Behörde zum Ergebnis kommen, ob eine Ausnahmebewilligung nach § 104a erteilt werden kann oder nicht.

Eine Diagnose, wie viele geplante Wasserkraftwerksprojekte nur mit Ausnahmebewilligung gemäß § 104a WRG durchführbar sind, ist nicht seriös, da nicht vorgreiflich der Prüfung des konkreten Kraftwerkprojekts samt den Detailunterlagen eine behördliche Entscheidung getroffen werden kann.

 

Auch inhaltlich kann eine Beurteilung nur bei Vorliegen konkreter Detailinformationen zu einem Kraftwerksprojekt durchgeführt werden. Derartige Daten liegen derzeit nicht vor, der Standort alleine ist in den wenigsten Fällen ausreichend, um eine Beurteilung durchführen zu können.

 

Eine eventuelle Verschlechterung eines Wasserkörpers hängt vom Ausgangszustand des betroffenen Gewässers (d.h. Informationen zum Standort sind erforderlich, z.B. welche Bäche werden wo gefasst?) sowie maßgeblich von der Art der Kraftwerksnutzung (z.B. Ausleitungskraftwerk, Flusskraftwerk mit Stau, etc.) und möglichen Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkungen ab. Beispielsweise führt ein Ausleitungskraftwerk mit ökologischem Mindestwasserabfluss und funktionierender Fischaufstiegshilfe üblicherweise nicht zu einer Zustandsverschlechterung. Im sehr guten Zustand ist bei geplanter Kraftwerksnutzung im Regelfall von einer Verschlechterung auszugehen.

 

Zu den Fragen 10 bis 16:

 

Bei dem in § 30a WRG zu berücksichtigenden Verschlechterungsverbot geht es um ein Verbot einer Verschlechterung des jeweiligen Ausgangszustands. Das Verschlechterungsverbot hat jedoch keinen generellen Charakter.

 

Unter bestimmten Voraussetzungen ist es möglich, Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot zuzulassen (siehe EU-WRRL Art. 4 (7) bzw. WRG § 104a).

 

Ein Vorhaben, das eine Verschlechterung im Sinne des § 104a Abs. 1 WRG mit sich bringt, ist jedoch nur unter Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 2 des § 104a WRG bewilligungsfähig.


Die rechtlichen Vorgaben nach § 104a WRG verlangen im Sinne der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen insbesondere eine Berücksichtigung aller durch das konkrete Projekt berührten öffentlichen Interessen im Sinne des § 105 WRG und eine damit erforderlich werdende Interessensabwägung aller verfahrensrechtlichen Schutzgüter.

In der von der Vollzugsbehörde zu treffenden Wertentscheidung sind die relevanten Aspekte des öffentlichen Rechts ausreichend zu erfassen und einander gegenüber zu stellen.

 

Um das im Regierungsprogramm festgelegte Ziel, das vorhandene Wasserkraftpotential künftig noch stärker nutzbar zu machen, verwirklichen zu können, wurde im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan - NGP 2009 (siehe Kapitel 6.10.3, S 197ff) „Schutz ökologisch wertvoller Gewässerstrecken unter zusätzlicher Nutzung der Wasserkraft für Stromerzeugung“ festgelegt, dass in den nächsten Jahren Planungen durch die Länder – in Abstimmung mit dem Bund – auf der Grundlage der jeweiligen Potentiale in den Ländern und unter Berücksichtigung der Kriterien der WRRL bzw. auch der ökologisch besonders bedeutenden Gewässerstrecken durchgeführt werden.

 

In einem ersten Schritt sieht der NGP 2009 die Erarbeitung von Kriterien für die Bewertung von Wasserkraftprojekten bzw. von Gewässerabschnitten hinsichtlich ihrer Eignung für Wasserkraftnutzung unter Berücksichtigung insbesondere energiewirtschaftlicher, ökologischer und sonstiger wasserwirtschaftlicher Gesichtspunkte vor (Kriterienkatalog).

 

Der Österreichischer Wasserkatalog – Wasser schützen – Wasser nutzen: Kriterien zur Beurteilung einer nachhaltigen Wasserkraftnutzung ist in Kraft.

 

Der Kriterienkatalog dient somit als Unterstützung für die das WRG vollziehenden Behörden, um diesen bei der Prüfung der Ausnahmekriterien nach § 104a WRG eine einheitliche Strukturierung, Analyse sowie Darstellung der erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.

 

Eine seriöse Beurteilung der angesprochenen Kraftwerksprojekte ist nur bei Vorliegen detaillierter Projektdaten möglich. Als Anhang zum Kriterienkatalog wird zur Hilfestellung für diejenigen Indikatoren der ökologischen Kriterien, bei denen kein Projektbezug bzw. keine Abhängigkeit des Indikators von der Projektgestaltung gegeben ist, eine kartenmäßige Darstellung zur Verfügung gestellt. Die in den Karten visualisierten Informationen über einzelne Indikatoren des Kriterienkatalogs sollen für Sachverständige und Projektanten zur Unterstützung dienen, können aber eine konkrete Vor-Ort Beurteilung nicht ersetzen.


Die im Katalog enthaltenen Kriterien sind auch eine wesentliche Planungsgrundlage für weitere, konkretere Planungsschritte. In einem ersten Schritt sollen – unter Berücksichtigung bereits allfällig existierender Planungsarbeiten – Studien in Bezug auf Wasserkraftpotenziale und ökologische Gesichtspunkte für einzelne Flüsse, (Teil)Einzugsgebiete oder bestimmte Regionen erstellt werden. Diese Studien sollen ermöglichen, bezogen auf einen bestimmten Planungshorizont, „sehr sensible“, „sensible“ und „weniger sensible“ Gewässerabschnitte zu bestimmen und Prioritätenreihungen u.a. aus ökologischer und energiewirtschaftlicher Sicht im Hinblick auf Wasserkraftnutzung abzuleiten. Diese Planungen können letztlich auch in der Erstellung von Rahmenplänen oder Regionalprogrammen gemäß WRG resultieren.

 

Im Kriterienkatalog werden Kennzeichen für die Beurteilung von Wasserkraftprojekten bzw. von Gewässerabschnitten unter energiewirtschaftlichen, ökologischen und sonstigen wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten festgelegt. Diese Kriterien sollen die Interessensabwägung, ob bei einer Verschlechterung des Gewässerzustands das Interesse an der Wasserkraftnutzung jenes an der Erhaltung des ökologischen Zustandes überwiegt, unterstützen und dazu beitragen, die energiewirtschaftlich und ökologisch am besten geeigneten Optionen bzw. Standorte zu identifizieren.

Der strategische Ansatz mit planungsbezogenen Kriterien samt einem erarbeiteten Prüfschema sind somit für ein einheitliches und nachvollziehbares Vorgehen bei der Prüfung des Ausnahmetatbestands nach  § 104a WRG 1959 erforderlich.

 

Zu den Fragen 17 bis 19:

 

Die “Kriterien zur Beurteilung einer nachhaltigen Wasserkraftnutzung“ wurden mit Erlass vom 30.1.2012 den Wasserrechtsbehörden zur Kenntnis gebracht. Er enthält  Informationen sowie Lösungsvorschläge für die Verfahrensabwicklung zu in der Praxis aufgetretenen Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot.

Es wurde auch den vollziehenden Organen des UVP-G 2000 als unverbindliche Richtschnur Hilfestellung bei der Handhabung der einschlägigen wasserrechtlichen Bestimmungen zur Verfügung gestellt.

 

Weiters wurde der Leitfaden im Internet unter http://www.lebensministerium.at/wasser/wasser-oesterreich/wasser­recht_national/planung/Kriterienkatalog.html speziell für Planer und Projektanten aber auch allgemein zugänglich gemacht.

Die  “Kriterien zur Beurteilung einer nachhaltigen Wasserkraftnutzung“  beinhalten weder eine „Verrechnungsformel“ noch ein Modell zur automatischen Entscheidungsfindung. Insofern enthält der Katalog auch keine „Grenzwerte“ für Kriterien, die „automatisch“ zu einer Versagung der Bewilligung führen können. Die Entscheidungsfindung im Rahmen einer Interessenabwägung stellt eine Einzelfallbeurteilung dar, die alle vorhandenen und (entscheidungs)relevanten Informationen zu berücksichtigen hat.

 

Ziel des Kataloges ist es Projektanten, Behörden und Verfahrensparteien hinsichtlich einer einheitlichen, nachvollziehbaren und transparenten Handhabung der Ausnahmekriterien zu unterstützen.

 

Der Bundesminister: