12299/AB XXIV. GP

Eingelangt am 11.09.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0225-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

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E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 12517/J-NR/2012

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „den Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs 1 StGB“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Zum Stichtag 1. Juli gab es 2009 356, 2010 375, 2011 410 und 2012 409 Untergebrachte gemäß § 21 Abs. 1 StGB.

Zu 3:

Die Untergebrachten gemäß § 21 Abs. 1 StGB teilen sich zum Stichtag wie folgt auf die in der Integrierten Insassenverwaltung (IVV) hinterlegten „führenden Deliktsklassen“ auf (eine Aufgliederung nach Hauptstücken des StGB ist nicht hinterlegt und würde einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen):


 

Zu 4 und 5:

Mit Stichtag 1. Juli 2012 waren 129 Untergebrachte gemäß § 21 Abs. 1 StGB im Stand der Justizanstalt Göllersdorf, 92 im Stand der Justizanstalt Linz/Forensisches Zentrum Asten und 6 in der Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Wien-Josefstadt; die verbleibenden waren in psychiatrischen Krankenhäusern gemäß § 21 Abs.1 StGB untergebracht.

Zu 6:

Die Auslastung der Justizanstalt Göllersdorf betrug zum Stichtag 1. Juli 2012 hinsichtlich der Kapazitäten im Maßnahmenvollzug 99,3%, die Auslastung des Forensischen Zentrums Asten betrug 101,1%.

Zu 7 bis 11:

Vorauszuschicken ist, dass für die Anhaltung in einer psychiatrischen Anstalt von den Spitalserhaltern Privatpatiententarife im Betrag von 400 Euro und mehr pro Tag in Rechnung gestellt werden, während die Anhaltung in Göllersdorf bzw. im Forensischen Zentrum in Asten mit etwa 170 Euro pro Tag kalkuliert werden kann, wodurch sich zwangsläufig ein budgetärer Druck in Richtung Unterbringung in eigenen Einrichtungen ergibt. Vorteile einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sehe ich darin, dass solche Einrichtungen in allen Bundesländern dezentral bestehen und so eine Anhaltung nahe dem bisherigen Umfeld des Untergebrachten ermöglichen, weiters darin, dass diese Einrichtungen mit lokalen Nachbetreuungseinrichtungen gut vernetzt sind, wodurch insgesamt eine Entlassung erleichtert werden kann. Eine gänzliche Abkoppelung der forensischen Psychiatrie von der Normalpsychiatrie durch Rückübernahme aller Maßnahmenpatienten in justizeigene Einrichtungen hielte ich weder für zweckmäßig noch für praktisch durchführbar, stellt doch die Sicherstellung der erforderlichen psychiatrischen Versorgung selbst bei den bestehenden Einrichtungen schon eine zunehmend schwieriger werdende Aufgabe dar.  Zudem haben sich die psychiatrischen Krankenhäuser auf die Unterbringung forensischer Patienten eingestellt und sollen die hier bestehenden Kooperationen auch nicht abgebrochen werden. Ich betrachte auch die dadurch eröffneten Möglichkeiten alternativer Unterbringung und des fachlichen Austauschs als vorteilhaft für einen erfolgreichen Maßnahmenvollzug. Zugleich scheint es mir allerdings schon mit Blick auf die budgetären Vorgaben geboten, eigene Einrichtungen maßvoll und dort auszubauen, wo dies auch sinnvoll scheint. In diesem Sinne werden derzeit sowohl für die Justizanstalt Göllersdorf, aber eben auch für das forensische Zentrum in Asten Ausbaumöglichkeiten auf Arbeitsgruppenebene vertieft geprüft. Vor einer Entscheidung werden die vorgebrachten Einwände und die schon seinerzeit und in der Anfrage geäußerten Bedenken mit den eingangs dargestellten Erwägungen abzuwägen sein. Abgesehen von einem Ausbau der beiden bestehenden Einrichtungen käme auch eine Neuerrichtung an einem weiteren Standort in Betracht, soweit die personelle, insbesondere die psychiatrische Versorgung sichergestellt werden könnte.

Zu 12:

Festzuhalten ist, dass die nachstehenden Angaben auf der IVV fußen und sich auf die laufende Anhaltung beziehen. Das bedeutet etwa, dass in einzelnen Fällen bei Personen, deren bedingte Entlassung aus der Maßnahme widerrufen wurde, nur die Zeit der neuerlichen Anhaltung in die Statistik eingeht. Umgekehrt hatten einige dieser Personen im selben Haftblock (meist aus vorangegangenen Verurteilungen) auch Freiheitsstrafen zu verbüßen, die ebenfalls in die Statistik eingehen. Davon ausgehend waren die im Maßnahmenvollzug zum Stichtag nach § 21 Abs. 1 StGB angehaltenen Personen im Durchschnitt seit 1885 Tagen angehalten, der Median lag bei rund 1100 Tagen.

Zu 13:

In den angesprochenen Jahren wurden 52, 57 bzw. 82 Personen bedingt aus dem Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 1 StGB entlassen.

Zu 14 und 15:

Als Primärursache ist festzuhalten, dass die Einweisungen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben, womit die Entlassungen aus dem Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 1 StGB ungeachtet auch hier eingetretener Zunahmen nicht mithalten konnten. Die Zunahme der Anhaltungen im Maßnahmenvollzug ist ein keineswegs auf Österreich beschränktes Phänomen (vgl. zB Heinz, R&P 2011, 63).  Aus den vielschichtigen Gründen dafür sind etwa hervorzuheben:

-       Betonung des allgemeinen Sicherheits- und Sicherungsbedürfnisses, damit niedrigere Einweisungs- und höhere Entlassungsschwellen und steigende Anhaltedauern;

-       Steigerung des Opferschutzes;

-       stärkere Abgrenzung der Allgemeinpsychiatrien und Heime gegenüber gefährlichen Insassen;

-       grundlegende Veränderungen in der allgemeinpsychiatrischen Versorgung und der Anhaltung in Heimen durch das Unterbringungsrecht und die leistungsbezogene Krankenhausfinanzierung sowie das Heimaufenthaltsrecht;


-       höhere Sensibilität der Familie (der bisherigen Umgebung), der Öffentlichkeit und der Gerichtsbarkeit gegenüber psychisch Erkrankten und ihren Handlungen;

-       höhere Anforderungen an positive Zukunftsprognosen und dafür zu erfüllende Bedingungen.

In diesem Zusammenhang steht auch, dass für eine Entlassung zunehmend eine stationäre und entsprechend kostenintensive Nachbetreuung sichergestellt sein muss, entsprechende Plätze jedoch nicht immer in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Solche Nachbetreuungseinrichtungen stehen einerseits an einer Schnittstelle zwischen den Zuständigkeiten des Bundes und jenen der Länder und stoßen andererseits – wenn es darum geht, solche Einrichtungen aufzubauen – auch in der Bevölkerung immer wieder auf vehemente Ablehnung, wobei zugleich betont werden muss, dass sich der laufende Betrieb dann in der Regel weitgehend problemfrei gestaltet.

 

Wien,       . September 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl