12332/AB XXIV. GP

Eingelangt am 31.10.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

BMJ-Pr7000/0233-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 12545/J-NR/2012

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Beschränkung des Urheberrechts: Für blinde und sehbehinderte Menschen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Das Bundesministerium für Justiz hat einen Vertreter zu den Verhandlungen im 23. Standing Committee on Copyright and Related Rights (SCCR; ein Unterausschuss der World Intellectual Property Organization; WIPO) entsandt. Wie es bei der WIPO in jenen Bereichen üblich ist, in denen das Urheberrecht durch die Unionsgesetzgebung harmonisiert ist, haben im Plenum vorrangig die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten, vertreten durch die Europäische Kommission, das Wort geführt und eine sehr konstruktive Linie eingeschlagen, die von Österreich in der Koordinierung vor Ort unterstützt und mitgetragen wurde.


Zu 2:

Vorauszuschicken ist, dass es Artikel 5 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG (Info-RL) bereits jetzt allen Mitgliedsstaaten ermöglicht, entsprechende Ausnahmen für blinde und sehbehinderte Menschen vorzusehen. Alle Mitgliedsstaaten der EU haben, gestützt auf diese Bestimmung, entsprechende Ausnahmen vorgesehen, so auch Österreich in § 42d Urheberrechtsgesetz. Ein international verbindlicher Vertrag würde also weniger den Austausch von Formatkopien innerhalb Europas erleichtern, sondern allenfalls den Austausch von Formatkopien mit Drittstaaten, vorausgesetzt, diese würden den Vertrag auch ratifizieren. Für den Austausch deutschsprachiger Formatkopien existiert bereits eine Vereinbarung der drei Verwertungsgesellschaften Literar-Mechana (Österreich), ProLitteris (Schweiz) und VG Wort (Deutschland) über grenzüberschreitende Nutzung von Sprachwerken in einer für Blinde und Sehbehinderte zugänglichen Form. Die in Österreich lebenden blinden und sehbehinderten Personen würden also nur bei fremdsprachigen Werken von einem internationalen verbindlichen Vertrag profitieren, wobei jener Staat, aus dem die Formatkopien importiert werden sollen, den Vertrag auch ratifiziert haben muss. Auf der anderen Seite stehen Befürchtungen der Verleger, dass der Austausch von Formatkopien über das Internet auch zu einer nicht kontrollierbaren Nutzung durch nicht begünstigte Personen führen kann.

Zu 3:

Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten standen bisher im Rahmen der WIPO-Verhandlungen auf dem Standpunkt, dass der Zugang von sehbehinderten Menschen zu urheberrechtlich geschützten Werken durch ein gemeinsames Vertriebssystem mit Unterstützung der Verleger über vertrauenswürdige Intermediäre (wie Blindenverbände, Bibliotheken oder spezielle Schulen) erleichtert werden sollte und zunächst mit einem unverbindlichen Instrument dieses Anliegen vorerst am Besten und am Schnellsten umgesetzt werden könnte. Ein verbindlicher Vertrag würde erst nach der Ratifikation durch andere Staaten Abhilfe schaffen, wobei der Ratifizierungsprozess im Urheberrechtsbereich wegen der technischen Implikationen traditionell sehr langwierig ausfällt. Als Beispiel sei der WIPO-Urheberrechtsvertrag aus dem Jahr 1996 genannt, der von der EU erst im Jahr 2009 ratifiziert werden konnte, obwohl er von allen Mitgliedsstaaten mitgetragen wurde.

Zu 4:

Das Bundesministerium für Justiz sieht seine Aufgabe weniger darin, den Bedürfnissen internationaler Organisationen Rechnung zu tragen, als die spezifischen Interessen der in Österreich lebenden blinden und sehbehinderten Menschen, die durch die österreichischen Interessenvertretungen artikuliert werden, zu fördern. Das Ressort ist daher im Gespräch mit den relevanten österreichischen Interessenvertretungen, etwa dem Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich, um deren Bedürfnisse noch stärker im nationalen Recht berücksichtigen zu können.


Zu 5:

Die zitierte Aussage ist zutreffend. Die Kommission hat erst im Juni 2012 den Text eines Verhandlungsmandates vorgelegt, über den die zuständige Ratsarbeitsgruppe am 13. September 2012 diskutiert hat. Die Zustimmung des Rates zu diesem Mandat steht bevor, auch Österreich wird der Erteilung des Mandats für die Kommission zustimmen.

 

Wien,        . Oktober 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl