12346/AB XXIV. GP

Eingelangt am 09.11.2012
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                                                        

Parlament

1017 Wien                                                                  Wien, am       November 2012

 

GZ: BMF-310205/0215-I/4/2012

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12551/J vom 10. September 2012 der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. und 2.:

Dem Bundesministerium für Finanzen sind Ketten- und Karussellgeschäfte bekannt. Im Rahmen von Außenprüfungen (Betriebsprüfungen, Umsatzsteuersonderprüfungen) konnte im Jahr 2011 bei Prüffeststellungen „Karussellbetrug“ Folgendes festgestellt werden:

 

Fallanzahl

224

Beträge in Euro

87.553.041

 

Zu 3.:

Eine eigene Statistik über Fälle mit Kraftfahrzeugen innerhalb der Karussellgeschäfte wird nicht geführt.


Zu 4.:

Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Finanzen.

 

Zu 5.:

Der VwGH hat wiederholt entschieden, dass eine Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen soll, u.a. den Erfordernissen des § 11 Abs. 1 Z 5 UStG 1994 genügen muss
(vgl. VwGH 9.9.2004, 2001/15/0139, 30.3.2006, 2002/15/0203 und 2003/15/0015).
Nach dieser Gesetzesbestimmung gehört zu den notwendigen Merkmalen einer Rechnung der Ausweis des Entgeltes für die Lieferung oder sonstige Leistung. Es muss sich um das tatsächlich beabsichtigte Entgelt handeln. Kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse (Hingabe kopierter Verrechnungsschecks und damit Unter-bleiben eines tatsächlichen Zahlungsflusses, auffällig hoher Preis der Ware, ungewöhnliche Geschäftsanbahnung) die Feststellung getroffen werden, dass für die Warenlieferungen zwischen den Unternehmen der von einer Person aufgebauten Lieferantenkette überhaupt nicht beabsichtigt war, das Entgelt tatsächlich und in der in den Rechnungen ausgewiesenen Höhe zu leisten, ist bereits deshalb der Vorsteuerabzug zu versagen (mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom 28.2.2002, 96/15/0270, 18.9.2003, 2000/15/0126 und 24.6.2004, 2001/15/0140).

 

Hatte der Steuerpflichtige Kenntnis davon, dass die auffällig ungewöhnliche Abwicklung der Umsätze einer durch eine andere Person initiierten Lieferantenkette einen Mehrwertsteuer-betrug bezweckte, oder konnte er davon Kenntnis haben, so steht ihm das Recht auf Vorsteuerabzug nicht zu (VwGH 30.3.2006, 2002/15/0203 mit Hinweis auf EuGH 12.1.2006, Rs C-354/03, Optigen u.a.).

 

Neben der höchstgerichtlichen Judikatur gibt es zahlreiche Berufungsentscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates zum Thema Vorsteuerbetrug, von denen beispielsweise anzuführen sind:

 


 

Zu 6.:

Darüber sowie über ausländische Scheinunternehmer wird keine gesonderte Statistik geführt. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 2. verwiesen.

 

Zu 7.:

Die Bekämpfung des Karussellbetruges hat sich auf europäischer Ebene in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Die Umsetzung der EU VO 904/2010 (Amtshilfe-verordnung für Umsatzsteuerangelegenheiten) über die Zusammenarbeit der Verwaltungs-behörden und die Bekämpfung des Betruges im Bereich der Mehrwertsteuer bildet die Grundlage für eine sehr enge Kooperation mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Auskunftsverkehr, multilaterale Prüfungen und Spontaninformationen werden immer intensiver und zielgerichteter genutzt.

 

Zum Zweck der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges ist es zu einer engeren Vernetzung der Steuerverwaltungen innerhalb der europäischen Union mit der Zielsetzung eines zeitnahen Informationsaustausches über betrugsrelevante Sachverhalte gekommen. Diese ursprünglich auf Eigeninitiative der Mitgliedstaaten eingerichtete Vernetzung fand 2010 ihre Fortsetzung in der Einführung von EUROFISC als Plattform für eine engere und zielgerichtete Zusammenarbeit der teilnehmenden Staaten.

 

Zu 8.:

Einzelauskunftsersuchen eingehend:

1.341

Einzelauskunftsersuchen ausgehend:

828

Spontaninformation eingehend:

246

Spontaninformation ausgehend:

527

 


Der Inhalt der Einzelauskunftsersuchen und Spontaninformationen wird nicht aufgezeichnet, daher kann nicht angegeben werden, in wie vielen Fällen KFZ betroffen sind. Mehr als 2000 Einzelauskunftsersuchen nachträglich auf deren Inhalt zu prüfen stellt einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand dar.

Eurofisc WF2 und Multilaterale Kontrollen (MLC) zeigen, dass es sich im Bereich der KFZ weniger um Karussellbetrug als vielmehr um den klassischen Betrug mit Missing Trader handelt, der darauf abzielt, sich die Umsatzsteuer und etwaige motorbezogene Steuern zu ersparen. Ein Großteil des Autohandels – insbesondere im Gebrauchtwagenbereich – wird mittlerweile über virtuelle Netze (Internetbörsen) abgewickelt, wodurch die Etablierung von Scheinunternehmen vielfach nicht mehr erforderlich ist, um betrügerische Geschäfts-methoden anzuwenden. Im Jahr 2011 war Österreich in insgesamt drei Multilateralen Kontrollen im Zusammenhang mit KFZ involviert. 1.361 Informationen über Verkäufe von neuen KFZ an private Abnehmer in anderen EU-Mitgliedstaaten wurden im Jahr 2011 im Rahmen des automatischen Informationsaustausches an die jeweiligen Mitgliedstaaten übermittelt.

 

Zu 9.:

Alle Mitgliedstaaten der EU sind mit gestiegener Umsatzsteuerkriminalität (Karussellbetrug, Missing Trader etc.) konfrontiert. Die EU Kommission hat Ende 2010 ihr Grünbuch betreffend "Zukunft der Mehrwertsteuer – hin zu einem einfacheren, solideren und effizienteren Mehr-wertsteuersystem" veröffentlicht (KOM(2010) 695 vom 1.12.2010). Darin werden in Zusammenhang mit der Betrugsbekämpfung verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt (split payment, reverse charge usw.), wie die Erhebung der Mehrwertsteuer mithilfe moderner Technologien verbessert und vereinfacht werden kann.

 

Diese Vorschläge werden in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen analysiert. Österreich wird hier weiterhin zielführende Ansätze unterstützen, die dazu führen, die betrugsanfälligen Umsatzsteuer-Zahlungsflüsse aus der Unternehmerkette zu eliminieren. Zu berücksichtigen sind bei diesen „unbaren“ Mehrwertsteuer-Abwicklungen allerdings die Befolgungskosten für die Unternehmer und die Vermeidung des Entstehens neuer Betrugsszenarien.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Maria Fekter eh.