12364/AB XXIV. GP
Eingelangt am 14.11.2012
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BM für Wissenschaft und Forschung
Anfragebeantwortung
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien Wien, 14. November 2012
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Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12562/J-NR/2012 betreffend Eignungstest für das Medizinstudium (EMS) – Genderauswertungssystem, die die Abgeordneten Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen am 14. September 2012 an mich richteten, wird nach Einholung einer Stellungnahme der Medizinischen Universität Wien wie folgt beantwortet:
Zu Fragen 1 und 4:
Grundsätzlich wird festgehalten, dass die Gestaltung des
Aufnahmetests im autonomen
Zuständigkeitsbereich der Medizinischen Universitäten liegt. An der
Medizinischen Universität Wien wurde die Auswertung des Aufnahmetests
für die Zulassung zum Diplomstudium Human- und Zahnmedizin (EMS-Test) in
einer speziellen Form genderspezifisch durchgeführt. Auf Grund dieser
Auswertungsmethode wurde die gleiche Leistung geschlechterspezifisch verschieden
bewertet. Dadurch gab es männliche Testteilnehmer (Studienwerber), die
trotz besserem
Leistungsergebnis nicht berücksichtigt wurden. Dem BMWF ist es ein
Anliegen, dass es weder Bevorzugungen noch Benachteiligungen gibt. Das wurde
auch der Medizinischen Universität mitgeteilt.
Anlass des Rechtsaufsichtsverfahrens war eine
Beschwerde der Österreichischen
Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Medizinischen
Universität Wien. Die Medizi-nische
Universität Wien hat 60 weitere Plätze für Studienanfänger/innen
zur Verfügung gestellt.
Generell wird seitens der Medizinischen Universitäten ein
neues einheitliches Testverfahren
erarbeitet, das die bisherigen mit dem Studienjahr 2013/14 ablösen
soll.
Zu Fragen 2 und 3:
Zunächst verweise ich noch einmal auf die
universitäre Autonomie im Rahmen der – soweit
gesetzlich zulässigen – Gestaltung von Zugangsbedingungen und
Durchführung von Aufnahmeverfahren für bestimmte Studien. Im Rahmen
dieser Autonomie haben die Medizinischen
Universitäten Wien, Graz und Innsbruck unterschiedliche
Zulassungsverfahren für die Studien Human- und Zahnmedizin festgelegt.
An den Medizinischen Universitäten Graz und
Innsbruck ist seit Einführung der Aufnahmetests ebenfalls eine geschlechterspezifisch
unterschiedliche Tendenz der Ergebnisse der Aufnahmetests aufgetreten, konnte
jedoch durch intensive Vorbereitungsmaßnahmen verringert werden.
Mögliche Grundbedingungen für die geschlechterspezifisch differierenden
Testergebnisse
wurden an den Medizinischen Universitäten breit diskutiert, es liegen auch
wissenschaftliche Studien zur Thematik vor (z.B.: Spiel, Schober).
Zu Fragen 5 und 6:
Gemäß § 124b Abs. 5 UG sind zum Schutz
der Homogenität des Bildungssystems in den
Studien Human- und Zahnmedizin 95 v.H. der jeweiligen Gesamtstudienplätze
für Studienanfänger/innen den EU-Bürger/innen und ihnen im
Hinblick auf den Studienzugang gleichgestellte Personen vorbehalten. 75 v.H.
der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfänger/innen
stehen den Inhaber/innen in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse zur
Verfügung.
Auf dieser Rechtsgrundlage ist die Zulassung zu den
Diplomstudien Human- und Zahnmedizin an die Absolvierung des an der Medizinischen
Universität Wien als qualitäts- und kapazitäts-orientiertes
Aufnahmeverfahren mit Eignungstest („Eignungstest für das
Medizinstudium“ EMS) ausgestalteten Zulassungsverfahren gekoppelt. Die
Vergabe der Studienplätze an der Medizi-nischen Universität Wien
erfolgt mittels EMS, der in Deutschland entwickelt, in der Schweiz
weiterentwickelt wurde und dort seit 1998 angewendet wird.
Rechtsgrundlage für die Durchführung dieses Verfahrens ist die Verordnung des Rektorats über die Zulassungsbeschränkung zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin (Mitteilungsblatt Studienjahr 2009/2010, 70. Stück, Nr. 15 idgF.), die Folgendes enthält:
„Gemäß § 10 der Verordnung
über die Zulassungsbeschränkung zu den Diplomstudien Human- und
Zahnmedizin erfolgt die Auswertung des Eignungstests am Zentrum für
Testentwicklung und Diagnostik, Department für Psychologie der
Universität Freiburg, Schweiz, an welchem für jede/n Studienwerber/in
der jeweilige Testwert ermittelt wird. Die Ermittlung des Testwertes
erfolgt genderspezifisch und fließt in die Rangfolge ein. Die
Ergebnisfeststellung führt zu einer Rangliste der Studienwerber/innen
für die jeweiligen Studien (Humanmedizin/Zahnmedizin). Nach Maßgabe
dieser Rangfolge erfolgt die Reihung der Studienwerber/innen in dem für
sie maßgeblichen Kontingent (Quote) und dementsprechend die Vergabe der
an der Medizinischen Universität Wien zur Verfügung stehenden Studienplätze.
Der EMS wird am Zentrum für Testentwicklung und
Diagnostik, Department für Psychologie der Universität Freiburg,
Schweiz, ausgewertet, für jede/n Studienwerber/in der jeweilige Testwert
nach Geschlechtern getrennt (genderspezifisch) ermittelt sowie die daraus
resultierende
Rangfolge erstellt. Die Testwertermittlung erfolgt nach der statistischen
Methodik der Mittelwertberechnung in der Weise, dass zur Berechnung des
Testwerts zunächst der Mittelwert und die Standardabweichung der Gesamtpunktezahl
für alle Testteilnehmenden getrennt nach
Geschlechtern bestimmt werden (der „Mittelwert“ ist gleichbedeutend
mit dem durchschnittlichen Ergebnis aller Teilnehmenden; die „Standardabweichung“
ist ein Maß dafür, wie eng oder breit die Punktezahlen der einzelnen
Teilnehmer/innen um den Mittelwert geschart sind). Der
individuelle Testwert kommt dadurch zustande, dass von der Gesamtpunktezahl der
Mittelwert der Punktezahlen subtrahiert und die Differenz durch den Wert der
Standardabweichung
dividiert wird. Anschließend wird zur leichteren Handhabbarkeit mit 10
multipliziert und der Wert
100 addiert. Der mittlere Testwert beträgt
dadurch 100 und seine Standardabweichung 10. Bei gleichem Testwert werden die
Studienwerber/innen in der Reihenfolge des mittleren Rang-platzes aller
Untertests berücksichtigt. Bei der Berechnung des Testwerts für Studienwer-berinnen
werden deren Mittelwert und Standardabweichung, bei der Berechnung des
Testwerts für Studienwerber deren Mittelwert und Standardabweichung
herangezogen. Die im Rahmen des Aufnahmeverfahrens für das Diplomstudium
Zahnmedizin durchgeführte Überprüfung der praktischen Eignung
wird an der Medizinischen Universität Wien ausgewertet und in die
Testwertermittlung miteinbezogen.“
Zu Frage 7:
Laut Auskunft der Universität erfolgte die Auswertung entsprechend dem bei der Anmeldung zum EMS angegebenen Geschlecht.
Zu Frage 8:
Die genderspezifische Testwertermittlung dient nach
Ansicht der Medizinischen Universität Wien dem bestimmten und begrenzten
Zweck, tatsächlich in der sozialen Wirklichkeit bestehende
faktische Ungleichheiten zu beseitigen bzw. zu verringern. Diese faktische
Ungleichheit basiere u.a. auf der Benachteiligung der Frauen, die sich durch
Einstellungen, Verhaltensmuster und Strukturen in der Gesellschaft ergäbe.
Es seien die Faktoren, die auch im Bildungssystem, vor allem in der schulischen
Sozialisation, wirksam wären. Diese Benachteiligung hätte sich
mehrfach in den Testergebnissen der letzten sechs Jahre niedergeschlagen. Bei
der vom
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Auftrag gegebenen
Evaluation der
Eignungstests für das Medizinstudium in Österreich
(Spiel/Schober/Litzenberger, Projektbericht 2008) zeigte sich, dass es beim EMS
einen signifikanten Geschlechtseffekt (Männer haben
bessere Ergebnisse als Frauen) gibt, der im Hinblick auf die
Verrechnungsfairness proble-matisch ist. Frauen schneiden beim EMS systematisch
schlechter ab als Männer, was Spiel et al. auf kontinuierliche
Sozialisationsunterschiede in der Bildungskarriere aufgrund des Schul-systems zurückführen.
Obwohl mehr als die Hälfte der Testteilnehmer/innen weiblich war, haben
lediglich 42 % der Frauen einen Studienplatz erhalten und waren bei der Zulassung
zum
Studium daher unterrepräsentiert.
Zu Frage 9:
Laut Auskunft der Universität wurde die Auswertung entsprechend der geltenden Zulassungsverordnung ausschließlich genderspezifisch vorgenommen.
Zu Frage 10:
Nach Ansicht der Medizinischen Universität Wien
ist das Ziel der genderspezifischen Aus-wertung die Beseitigung bzw. Korrektur
struktureller Benachteiligungen beim Zugang zum
Medizinstudium und damit die Verbesserung der faktischen Chancengleichheit des
bisher
unterrepräsentierten weiblichen Geschlechts beim Zugang zur medizinischen Berufsvorbildung.
Zu Frage 11:
Die Kosten haben für das Jahr 2011 €
478.600,-- betragen. Dieser Betrag beinhaltet die Kosten für
Testentwicklung, -erstellung und -auswertung sowie Mietkosten. Die
Personalkosten für die Testdurchführung (Eigenpersonal) sind nicht
inkludiert. Heuer sind die Kosten in derselben
Größenordnung, der genaue Betrag kann noch nicht bekannt gegeben
werden, da die
Endabrechnung noch nicht erfolgt ist.
Zu Frage 12:
Laut Angaben der Medizinischen Universität Wien hat die genderspezifische Auswertung des EMS keine Mehrkosten verursacht.
Der Bundesminister:
o.Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle e.h.