1241/AB XXIV. GP
Eingelangt am 07.05.2009
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0078-Pr 1/2009
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 1203/J-NR/2009
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen den Ministerpräsidenten von Thüringen Dieter Althaus“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Ja.
Zu 2:
Gemäß § 49 Z 4 StPO kommt dem Beschuldigten das Recht zu, sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen. Da die Verantwortung von Dieter Althaus, aufgrund seiner eigenen schweren Verletzung keine Erinnerung an den Vorfall zu haben, medizinisch durchaus nachvollziehbar erscheint, und der Sachverhalt auf Basis der Ermittlungsergebnisse, insbesondere des Inhaltes mehrerer Sachverständigengutachten als umfassend geklärt anzusehen war, hatte die Staatsanwaltschaft Leoben keine Veranlassung, auf einer persönlichen Einvernahme des Beschuldigten vor Einbringung des Strafantrages beim Bezirksgericht Irdning zu bestehen. In der Hauptverhandlung machte der Angeklagte von der in § 455 Abs. 2 und 3 StPO normierten Möglichkeit, sich durch seinen Verteidiger als Machthaber vertreten zu lassen, Gebrauch. Bei einem Machthaber handelt es sich um einen echten Stellvertreter des Beschuldigten, der ihn auch in der Aussage vertreten kann. Im Übrigen handelt es sich bei der Entscheidung, von einer Aufforderung des Angeklagten zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung abzusehen, um eine Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung.
Zu 3:
Abgesehen von der besonderen Konstellation im Anlassfall ist zu bemerken, dass die Unterlassung der Vernehmung des Angeklagten grundsätzlich nicht mit Nichtigkeit bedroht ist (kann er doch auch jede Aussage verweigern), es sei denn, dass es um die Beurteilung der Zulässigkeit eines Abwesenheitsverfahrens gemäß § 427 Abs. 1 StPO geht. Auf die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme (siehe § 164 Abs. 3 StPO) möchte ich ergänzend hinweisen.
§ 455 StPO regelt jedoch gerade keinen Unterfall eines Abwesenheitsverfahrens, weil Abs. 3 ausdrücklich klarstellt, dass ein Machthaber in der Hauptverhandlung die Stellung des Angeklagten hat.
Zu 4 bis 8:
Da die Bestimmung des § 451 Abs. 3 StPO im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kam, erübrigten sich schon deshalb sowohl Berichte des Anklagevertreters als auch weitere Veranlassungen. Für dienstrechtliche oder dienstaufsichtsbehördliche Maßnahmen besteht daher kein Anlass.
Zu 9 und 10:
Der Unabhängigkeit der Justiz und der Gerichtsbarkeit würde es widersprechen, ein in Ausübung richterlicher Unabhängigkeit geführtes Verfahren als Justizministerin zu kommentieren oder zu bewerten. Im Übrigen weise ich auf die Verfassungsbestimmung des Art. 90a B-VG hin, wonach auch die Staatsanwaltschaft, wenngleich nicht unabhängig, zur Gerichtsbarkeit zählt. Aus meiner Sicht ermöglichen gerade die Bestimmungen der §§ 451 und 455 StPO ein Verfahren, das Öffentlichkeit in nur eingeschränktem Umgang zulässt.
Im Übrigen erlaube ich mir zu diesem Thema auf die rechtswissenschaftlichen Abhandlungen in der Zeitschrift für internationales Strafrecht (ZIS) 2009, 97 bis 106, zu verweisen.
. Mai 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)