12472/AB XXIV. GP

Eingelangt am 30.11.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

BMJ-Pr7000/0249-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

Zur Zahl 12689/J-NR/2012

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Minenaktie Goldfields – Scalping (Marktmanipulation)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Ja, der Sachverhalt ist dem Bundesministerium für Justiz aufgrund der Berichterstattung durch die Oberstaatsanwaltschaft Linz vom 25. Juli 2012 bekannt geworden.

Zu 2 bis 8:

 „Scalping“ erfüllt in erster Linie den Verwaltungsstraftatbestand der Marktmanipulation gemäß § 48c BörseG. Demnach begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Marktmanipulation betreibt oder gegen eine gemäß § 48d Abs. 12 erlassene Verordnung der Finanzmarktaufsicht (FMA) verstößt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Der Tatbestand der Marktmanipulation wird von der FMA geahndet. Welche Handlungen als Marktmanipulation gelten, ist in § 48a Abs. 1 Z 2 BörseG festgelegt.


„Scalping“ kann somit vorrangig verwaltungsstrafrechtlich nach § 48c BörseG verfolgt werden. Sollte aufgrund der Umstände des Einzelfalles auch ein gerichtlich strafbarer Tatbestand erfüllt sein, so ist die Tat nach dem gerichtlichen Straftatbestand – etwa Betrug – zu bestrafen. Solche besonderen Fälle können jedoch nicht aus den elektronischen Registern der Verfahrensautomation Justiz (VJ) automatisiert herausgefiltert werden. Eine händische Recherche durch bundesweite Akteneinsicht scheitert am unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand.

Das Oberlandesgericht Linz hat in seinem Beschluss dargelegt, aus welchen rechtlichen Argumenten eine Anwendung des Betrugstatbestands auf den zu beurteilenden Sachverhalt ausgeschlossen ist und kam zu dem Schluss, dass das dem Beschuldigten im deutschen Verfahren zur Last gelegte Verhalten nach österreichischem Recht eine Marktmanipulation gemäß § 48a Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 Z 3 BörseG darstellt, welche – anders als im deutschen Recht – in Österreich nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, sondern nach § 48c BörseG einen Verwaltungsstraftatbestand bildet.

Ich ersuche um Verständnis, dass ich als Bundesministerin für Justiz aufgrund der verfassungsmäßig gebotenen Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung die Entscheidungen der unabhängigen Rechtsprechung nicht zu kommentieren habe.

Aufgrund der oben wiedergegeben Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Linz sah die Oberstaatsanwaltschaft Linz von der Anregung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ab, nachdem sich im Übrigen die Entscheidung zum Vorteil des Beschuldigten auswirkte, sodass auch durch eine solche Beschwerde eine abweichende Übergabeentscheidung nicht erwirkt hätte werden können.

Zu 9 und 10:

Statistiken zu Erledigungen der FMA in Verwaltungsstrafverfahren sind im Bundesministerium für Justiz nicht bekannt.

Zu 11 bis 14:

Missbrauch einer Insiderinformation ist gemäß § 48b BörseG gerichtlich strafbar; eine „Erledigung durch die FMA“ kommt in diesen Fällen nicht in Betracht. Gemäß § 48i Abs. 1 BörseG hat die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts des Missbrauchs einer Insider-Information grundsätzlich die FMA mit Ermittlungen zu beauftragen. Die FMA wird in diesem Fall im Dienste der Strafrechtspflege tätig. Das Hauptverfahren wegen Missbrauchs einer Insider-Information obliegt jedoch immer dem Landesgericht für Strafsachen Wien (§ 48h BörseG).

Gerichtliche Verurteilungen wegen § 48b BörseG scheinen in der Gerichtlichen Kriminalstatistik im Zeitraum 2007 bis 2011 als führendes Delikt nicht auf.


Eine Auswertung der VJ zu § 48b Börsegesetz ergibt folgendes Bild:

 

Zu 15:

Die Marktmanipulation (§ 48c BörseG) ist wie der Missbrauch von Insiderinformationen (§ 48b BörseG), welcher bereits jetzt einen gerichtlichen Straftatbestand darstellt, im BörseG geregelt.

Die Europäische Kommission hat im Oktober 2011 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation unterbreitet. Ziel dieses Vorschlages ist es, Mindestvorschriften in Bezug auf Straftaten und strafrechtliche Sanktionen für Marktmissbrauch (d.h. Insiderhandel und Marktmanipulation) zu schaffen. Mit dem Vorschlag sollen die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, Insider-Geschäfte und Marktmanipulation im Rahmen der Richtlinie strafrechtlich zu ahnden, wenn diese vorsätzlich begangen wurden. Die Ausformulierung der einzelnen Tatbestände ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen.

Zu 16:

Eine Auslieferung unterblieb im konkreten Fall, weil eine rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts über die Unzulässigkeit der Übergabe besteht: Das Rechtsmittel der Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft Salzburg gegen den Beschluss des dortigen Landesgerichts vom 14. Februar 2012, mit dem die Übergabe des Pascal G. an Deutschland für unzulässig erklärt worden war, blieb vor dem Oberlandesgericht Linz erfolglos.

Zu 17:

In diesem Fall kam das Oberlandesgericht Wien in seinem Beschluss vom 8. Juli 2012 im Rahmen der Beurteilung der Haftbeschwerde des Beschuldigten – unter ausdrücklicher Ablehnung der vom Landesgericht Salzburg vertretenen Rechtsauffassung – zur Auffassung, dass der dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegende Sachverhalt nach österreichischem Recht dem Tatbestand des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Deliktstfall zu unterstellen sei und das Landesgericht Korneuburg – ausgehend von dieser Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Wien – die Übergabe rechtskräftig bewilligte.

Zu 18:

Der Fortgang des Verfahrens in Deutschland ist nicht bekannt.

 

Wien,    . November 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl