1248/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.05.2009
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

An die                                                                                    Zl. LE.4.2.4/0046 -I 3/2009

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 5. MAI 2009

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen

                        und Kollegen vom 13. März 2009, Nr. 1336/J, betreffend Österreich

                        und die Finanzierung der Atomkraft

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen vom 13. März 2009, Nr. 1336/J, teile ich Folgendes mit:

 

Die vorliegende Anfrage beinhaltet auch eine Reihe von Fragen zum Thema Euratom, die bereits im Zuge der Beantwortung mehrerer parlamentarischer Anfragen erschöpfend beantwortet wurden. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich von der Wiedergabe bekannter und bereits gegebener Antworten absehe und lediglich auf die diesbezüglichen Beantwortungen verweise.


Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 5:

 

Ich wiederhole, dass Fragen, die grundsätzliche Angelegenheiten der Mitgliedschaft Öster­reichs bei der Europäischen Union betreffen, nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes­ministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft fallen. Ich verweise daher auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 237/J-NR/2009 XXIV. GP (288/AB XXIV. GP) durch den Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, der parlamentarischen Anfrage Nr. 421/J-NR/2009 XXIV. GP (419/AB XXIV. GP) durch den Herrn Bundeskanzler, auf meine Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 526/J-NR/2008 XXIV. GP (535/AB XXIV. GP) sowie auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfragen Nrn. 1139/J-NR/2009 XXIV. GP und 1335/J-NR/2009 XXIV. GP durch den Herrn Bundeskanzler.

 

Zu Frage 6 a:

 

Ich wiederhole, dass die Gemeinschaften (EWG, EGKS und EAG) nur zu Beginn einen eige­nen Haushaltsplan und somit ein eigenes Budget hatten. Bereits seit dem „Fusionsvertrag“ von 1967 gibt es nur ein umfassendes Gemeinschaftsbudget (kein Euratom-Budget als solches!). Darüber hinaus beruht die vielfach – auch von der Fragestellerin – zitierte Summe von 40 Mio € an jährlichen Zahlungen auf einer Fehlinterpretation der Anfragebeantwortung 1001/AB XXII. GP (parlamentarische Anfrage Nr. 943/J aus dem Jahre 2004). Die Summe von 40 Mio € kommt in der Anfragebeantwortung nicht vor und kann aus dieser auch nicht abgeleitet werden. Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 1337/J-NR/2009 XXIV. GP durch den Herrn Bundesminister für Finanzen.

 

Zu Frage 6 b:

 

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nrn. 1139/J-NR/2009 XXIV. GP und 1335/J-NR/2009 XXIV. GP durch den Herrn Bundeskanzler sowie auf meine Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 1145/J-NR/2009 XXIV. GP.

 

Zu Frage 7:

 

Ja, bereits mehrfach. Ich erinnere daran, dass bereits mein Vorgänger das Forum für Atom­fragen – das einschlägige wissenschaftliche Beratungsgremium der Bundesregierung – be­auftragte, den möglichen Beitrag der Kernenergie zur Bekämpfung des Klimawandels sowie zu einer nachhaltigen Energiezukunft im Detail zu prüfen. Das Ergebnis dieser Analyse mit dem Titel „Kernenergie, Klimawandel und Nachhaltigkeit“ liegt in deutscher und englischer Sprache gedruckt und auf CD-ROM vor und ist auch auf www.lebensministerium.at als „Download“ verfügbar. Dieses „Argumentarium“ wurde national und international breit verteilt; beispiels­weise an alle Abgeordneten zum Nationalrat und Bundesrat, an die zuständigen Mitglieder der Europäischen Kommission, an die Umwelt- und EnergieministerInnen der EU sowie an inter­nationale Organisationen wie IAEO und OECD, aber auch an NGOs, Universitäten und inter­essierte Privatpersonen.

 

Zu den Fragen 8 und 9:

 

Ich wiederhole, dass weder Fragen, die das Gemeinschaftsbudget bei der Europäischen Union noch grundsätzliche Angelegenheiten der Mitgliedschaft Österreichs bei der Euro­päischen Union betreffen, in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft fallen.

 

Zu Frage 10:

 

Energiepartnerschaften werden von der Österreichischen Energieagentur im Auftrag des BMLFUW koordiniert und fachlich betreut und bestehen derzeit mit Bulgarien, Rumänien, der Slowakischen Republik, Slowenien, der Tschechischen Republik, der Ukraine und Ungarn. Aktuell wird eine Energiepartnerschaft mit Belarus in die Wege geleitet.

 

Energiepartnerschaften bereiten die Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Projektent­wicklung vor, sie nutzen Marktkräfte, sind aber nicht darauf ausgerichtet, diese zu ersetzen. Energiepartnerschaften verbessern die Erfolgsaussichten für bilaterale und internationale Projekte und nutzen diese auch für ihre Ziele. Aus den Energiepartnerschaften selbst werden keine Investitionsprojekte finanziert, es werden aber Investoren mit Projektwerbern vernetzt und Finanzierungsoptionen erläutert.

 

Energiepartnerschaften sind auf langfristige Zusammenarbeit ausgerichtet. Manche bestehen schon seit über 10 Jahren. Daher haben Energiepartnerschaften, trotz des sukzessiven EU-Beitritts mehrerer Partnerländer, nach wie vor große Bedeutung. Das wurde durch eine um­fassende Evaluierung – veröffentlicht auf der Internetseite der Energieagentur – der Energie­partnerschaften im Jahr 2007 eindrucksvoll bestätigt.

Daher wird die Bundesregierung auch weiterhin, wie im Regierungsprogramm ausgeführt, „konkrete Alternativen zur Kernenergie, insbesondere im Rahmen von „Energiepartner­schaften“ mit Reformstaaten, aufzeigen“.

 

Vor diesem Hintergrund habe ich ein Strategiepapier ausarbeiten lassen, das sowohl auf der Internetseite der Energieagentur als auch auf der Internetseite des BMLFUW (www.lebensministerium.at) veröffentlicht wurde. Dieses Strategiepapier zeigt auch Potenziale für die zukünftige Entwicklung, etwa in Form neuer Energiepartnerschaften mit Litauen oder Armenien, auf.

 

Diese Potenziale, aber auch die Möglichkeiten, die die bereits bestehenden Energiepartner­schaften bieten, werden wir – auch unter Einbeziehung von PartnerInnen – bestmöglich nutzen. Weitere Fortschritte sind dabei immer nur im Konsens mit dem Partnerland möglich.

 

Zu Frage 11:

 

Das BMLFUW nimmt im Rahmen grenzüberschreitender UVP-Verfahren zwei Funktionen wahr: Zum einen fungiert es als Kontaktstelle im Rahmen der EU-UVP-Richtlinie bzw. der UN/ECE-Espoo-Konvention über UVP im grenzüberschreitenden Rahmen, zum anderen versteht sich das BMLFUW als technischer Verfahrensanwalt aller österreichischen Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Sicherheitsinteressen in Bezug auf kerntechnische Anlagen. Das Umweltbundesamt, als Fachstelle des Bundes für Umweltschutz und Umweltkontrolle in Österreich, veröffentlicht auf seiner Homepage www.umweltbundesamt.at alle diesbezüglich relevanten Unterlagen als zusätzliches Service.

 

Seit 2000 hat sich Österreich an folgenden grenzüberschreitenden UVP- bzw. SUP-Verfahren beteiligt (einige dieser Verfahren laufen noch):

·                     UVP-Verfahren betreffend die Betriebsverlängerung der Blöcke 1-4 des Kernkraft­werkes Paks in Ungarn,

·                     UVP-Verfahren betreffend Errichtung und Betrieb je eines Brennelement-Behälter­lagers zur Aufbewahrung von bestrahlten Brennelementen bei den Kernkraftwerken an den Standorten Isar/Niederaichbach, Biblis, Grafenrheinfeld, Neckarwestheim, Philippsburg und Gundremmingen in der Bundesrepublik Deutschland,

·                     UVP-Verfahren betreffend die Leistungserhöhung der Blöcke 1 und 2 des Kernkraftwerks Mochovce in der Slowakischen Republik,

·                     UVP-Verfahren betreffend das Vorhaben der Inbetriebnahme einer neuer Kernkraft­anlage am Standort Mochovce („Mochovce Block 3+4“) in der Slowakischen Republik,

·                     UVP-Verfahren betreffend die Errichtung der Blöcke 3 und 4 des Kernkraftwerkes Cernavoda in Rumänien,

·                     UVP-Verfahren betreffend die Errichtung eines neuen Kernkraftwerkes in der Nähe des bestehenden Kernkraftwerks von Ignalina im Stadtbezirk von Visaginas in Litauen,


 

·                     UVP-Verfahren betreffend das Vorhaben der Erweiterung der Kernkraftanlage Olkiluoto um einen 4. Block (Finnland),

·                     UVP-Verfahren betreffend das Vorhaben der Erweiterung der Kernkraftanlage Loviisa um einen 3. Block (Finnland),

·                     UVP-Verfahren betreffend das Vorhaben der Errichtung eines Kernkraftwerkes durch die Firma Fennovoima Oy in Finnland,

·                     UVP-Verfahren betreffend das Vorhaben der Errichtung einer neuer Kernkraftanlage am Standort Temelín („Temelín Block 3+4“) in der Tschechische Republik,

·                     SUP-Verfahren für die Energieversorgungsstrategie der Slowakischen Republik,

·                     SUP-Verfahren für den Plan einer Entsorgungsstrategie der Kernenergienutzung (Back end) in der Slowakischen Republik.

 

Darüber hinaus war bzw. ist Österreich in alle Verfahren und Verfahrensschritte hinsichtlich eines oder mehrerer Endlager für radioaktive Abfälle aller Art und für abgebrannte Brenn­elemente in der Schweiz eingebunden. Die Beteiligung an einem SUP-Verfahren zur Natio­nalen Grundsatzerklärung zur Kernenergie (National Nuclear Policy Statement, NPS) des Vereinigten Königreichs wird derzeit geprüft.

 

In allen angeführten Fällen wurde auch die Möglichkeit zu bilateralen Konsultationen auf Verwaltungs- bzw. ExpertInnenebene genutzt. Nicht verschwiegen werden darf, dass weder die Stellungnahmen aus der öffentlichen Auflage von Projektunterlagen, sei es im Ursprungs­land oder in Österreich, noch die offiziellen Stellungnahmen Österreichs für die jeweils verfahrensleitende Behörde bindend sind. In den meisten Fällen greifen die zuständigen Behörden aber fachlich begründete Argumente aus den Stellungnahmen auf. Besonders deutlich nachvollziehbar ist dies etwa im Standpunkt des tschechischen Umweltministeriums im Rahmen des Feststellungsverfahrens zur Erweiterung des KKW Temelín. In anderen Fällen würde nur eine sehr aufwändige Analyse erkennbar machen, in welchen Aspekten bzw. in welchem Ausmaß den österreichischen Argumenten Folge geleistet wurde. Generell betreffen die meisten Meinungsunterschiede die Berücksichtigung auslegungsüberschreitender schwerer Unfälle bereits im UVP-Verfahren. Während Österreich vehement für eine frühzeitige Berücksichtigung dieser Aspekte eintritt, vertreten hier manche Behörden in manchen Ursprungsländern wesentlich reserviertere Standpunkte. Doch auch hier hat das Auftreten Österreichs bereits einen Umdenkprozess eingeleitet.

 

Zu den Fragen 12 und 13:

 

Voraussetzung für die Beteiligung an einem grenzüberschreitenden UVP-Verfahren ist die Möglichkeit „voraussichtlicher erheblicher grenzüberschreitender nachteiliger Auswirkungen“ auf Österreich. Es gibt Projekte, bei denen Experten diese Möglichkeit grundsätzlich aus­schließen, wie etwa bei weit entfernten geologischen Tiefenlagern (z. B. in Finnland oder in Schweden), aber auch beim Rückbau der Blöcke V-1 des Kernkraftwerks Jaslovske Bohunice in der Slowakischen Republik. In letzterem Fall hat sich Österreich zwar aus diesem Grunde formell nicht beteiligt, jedoch bilaterale Konsultationen geführt.

 

Auch in jenen Fällen, wo ein Ursprungsland ein Sicherheitskonzept vorlegt, mit dem eine mögliche Betroffenheit Österreichs nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen wird, kann die Beteiligung an einem UVP-Verfahren nicht mehr argumentiert werden.

 

So hat sich Österreich seit Beginn der bulgarischen Überlegungen zur Fertigstellung eines Kernkraftwerkes am Standort Belene mit dem geplanten Bauvorhaben befasst und eine mögliche Betroffenheit Österreichs im Sinne der Espoo Konvention geprüft. Da die bulgari­sche Seite schließlich schriftlich die Einhaltung eines strengen Sicherheitskonzeptes bestätigt hat, war keine Basis für ein grenzüberschreitendes UVP-Verfahren gegeben. Die Einhaltung dieses Sicherheitskonzeptes ist dem BMLFUW selbstverständlich auch weiterhin ein Anliegen.

 

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass Österreich hinsichtlich der Anwen­dung des Betroffenheitskriteriums der Espoo-Konvention Pionierarbeit geleistet hat. Auch Österreich hat zunächst einen wahrscheinlichkeitstheoretischen Ansatz verfolgt und sich daher bei weit entfernten Kernkraftwerksprojekten, wie etwa beim seinerzeitigen Verfahren bezüglich des derzeit in Bau befindlichen dritten Blocks des KKW Olkiluoto in Finnland oder der Erweiterung des KKW Flamanville in Frankreich nicht beteiligt. Angesichts der hohen me­thodischen Unsicherheiten dieses Ansatzes, die – wie mir ExpertInnen bestätigen – kaum eli­minierbar sind, hat sich jedoch bereits mein Vorgänger entschieden, an allen Verfahren teilzu­nehmen, bei denen „erhebliche grenzüberschreitende nachteilige Auswirkungen“ auf Österreich nicht ausgeschlossen werden können. Auch das nunmehrige Regierungs­programm trägt diesem Ansatz Rechnung, in dem es dazu ausführt: „In allen Fällen von kerntechnischen Anlagen die negative Auswirkungen auf Österreich haben oder haben könnten, wird die Bundesregierung alle rechtlichen Möglichkeiten zur Wahrung österreichi­scher Sicherheitsinteressen nutzen“.

 

Zu Frage 14:

 

Unbeschadet des Umstandes, dass das BMLFUW stets bemüht ist, aktuelle und zukünftige Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren und zu verfolgen, kann hier keine gesicherte Prognose abgegeben werden. Tatsache ist, dass doch in einigen Staaten Europas der Aus- bzw. der Neubau von Kernkraftwerken intensiv diskutiert wird. Abgesehen von Deutschland und Liechtenstein ist dies jedenfalls in allen Nachbarstaaten der Fall. Ob bzw. wann ein kon­kretes Verfahren eingeleitet wird, hängt jedoch von komplexen Entscheidungen der Inv­estoren bzw. der zukünftigen Betreiber, aber auch der nationalen Behörden, ab und kann daher nicht konkret vorhergesagt werden.

 

Zu Frage 15:

 

Hier ist zunächst klarzustellen, dass die Bundesländer die verfahrensleitenden Behörden sind und nicht das BMLFUW. Daher wird der Ablauf jedes einzelnen Verfahrens maßgeblich von den Ländern beeinflusst. Wie bereits in Beantwortung der Frage 11 ausgeführt, beschränkt sich der gesetzliche Auftrag auf die Rolle als Kontaktstelle im Rahmen der EU-UVP-Richtlinie bzw. der UN/ECE-Espoo-Konvention. Unbeschadet dessen werde ich weiterhin im Anlassfall die Notwendig­keit einer Fachstellungnahme des BMLFUW prüfen lassen. Die diesbezüglichen fachlichen Überlegungen habe ich in der Beantwortung der Fragen 11 bis 14 bereits eingehend dargestellt.

 

Der Bundesminister: