12487/AB XXIV. GP
Eingelangt am 03.12.2012
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
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NIKOLAUS BERLAKOVICH Bundesminister
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An die Zl. LE.4.2.4/0183 -I 3/2012
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 30. NOV. 2012
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Werner Neubauer, Kolleginnen
und Kollegen vom 11. Oktober 2012, Nr. 12765/J, betreffend
EU-Bericht über Stresstests von Atomkraftwerken in Europa
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen vom 11. Oktober 2012, Nr. 12765/J, teile ich Folgendes mit:
Grundsätzliches:
Eingangs sei daran erinnert, dass die Stresstests für europäische Kernkraftwerke auf meine Initiative zurückgehen. Da es dafür keine Rechtsbasis in den Europäischen Verträgen gibt, konnten die Stresstests nur in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung von Behörden und Kernkraftwerksbetreibern realisiert werden. Dies hat unter anderem zur Folge, dass auch die Umsetzung der Ergebnisse nicht mit Hilfe von Rechtsmitteln erzwungen werden kann und dass alle Vereinbarungen, seien sie nun inhaltlicher oder prozeduraler Natur, im Konsens zu treffen sind.
Auf Grund des Mandats des Europäischen Rates „für eine umfassende Sicherheits- und Risikobewertung“ vom März 2011 loteten die Stresstests vorrangig die Robustheit der Kernkraftwerke gegen Naturkatastrophen aus – erstmals systematisch und umfassend. Unbeschadet dessen weisen die nun vorliegenden Ergebnisse weit über den Bereich auslegungsüberschreitender Unfälle hinaus und lassen z.B. Rückschlüsse auf die Auslegung in vielen Bereichen zu.
Hinsichtlich der nachfolgenden Ausführungen ist auch festzuhalten, dass weder die Ergebnisse der Stresstests noch andere Sicherheitsberichte eine vergleichende Bewertung von Kernkraftwerken ermöglichen. Eine „Reihung“ von Kernkraftwerken ist grundsätzlich nicht möglich, da bis heute dafür keine anerkannte Methodik existiert. Auch die vielfach bemühten probabilistischen Risikoanalysen lassen eine derartige Reihung in seriöser Weise nicht zu.
Zu Frage 1:
Die vorliegenden Ergebnisse der Stresstests enthalten eine Fülle wichtiger Erkenntnisse. Dies ist nicht zuletzt der aktiven Mitwirkung Österreichs zuzuschreiben. Allerdings ist das Mandat des Europäischen Rates vom März 2011, der eine Überprüfung aller kerntechnischen Anlagen in der EU mittels einer umfassenden und transparenten Risiko- und Sicherheitsbewertung gefordert hatte, noch nicht erfüllt. Hier fehlen noch ganz wesentliche Elemente wie konkrete Bewertungen für jede Anlage und verbindliche Umsetzungspläne für die Maßnahmen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die betroffenen nationalen Nuklearaufsichtsbehörden bis Ende dieses Jahres nationale Aktionspläne veröffentlichen werden, die dann im Frühjahr 2013 einem gesamteuropäischen Peer Review unter Mitwirkung aller Mitgliedstaaten unterzogen werden.
Zu den Fragen 2 bis 5:
Bereits unmittelbar nach Vorliegen der Ergebnisse der Stresstests Ende April 2012 wurde in meinem Hause mit der Auswertung für die Nachbarstaaten begonnen. Diese Auswertung umfasst nicht nur die genannten Kernkraftwerke in der Tschechischen und der Slowakischen Republik sowie in Slowenien sondern auch jene in Ungarn, der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland. Diese Auswertung wird von denselben unabhängigen Experten vorgenommen, die für Österreich an den Stresstests selbst mitgewirkt haben. Diese Auswertung wird dann die Basis für unsere Forderungen an die Nachbarstaaten darstellen. Die Umsetzung der von den Experten als besonders wichtig eingeschätzten Maßnahmen wird über etliche Jahre Punkt um Punkt zu verfolgen sein. Den rechtlichen Rahmen dafür bieten die bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“.
Zu Frage 6:
Österreich muss die Souveränität anderer Staaten, ihre Energieträger selbst zu wählen, respektieren. Zwei unserer Nachbarstaaten hat die Katastrophe von Fukushima davon überzeugt, Zug um Zug aus der Kernenergienutzung auszusteigen, und ein weiterer Nachbarstaat wird von der geplanten Wiederaufnahme eines Kernenergieprogramms Abstand nehmen. Andere Nachbarstaaten halten jedoch bedauerlicherweise noch immer an der Nutzung der Kernenergie fest. In diesen Fällen ist Österreich berechtigt – und zum Schutz seiner Bevölkerung und der Umwelt auch verpflichtet – maximale Sicherheitsauflagen einzufordern. Diese Forderungen sind jedoch an die betroffenen Staaten, deren Behörden und KKW-Betreiber, zu richten, nicht an die Europäische Kommission.
Zu Frage 7:
Wie bereits wiederholt ausgeführt, wird die Bundesregierung weiterhin alle zur Verfügung stehenden – auch rechtlichen – Mittel zum Schutz der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt einsetzen. Da das bisherige UVP-Verfahren hinsichtlich des geplanten Ausbaus des KKW Temelín formal korrekt durchgeführt wurde, ist derzeit kein belastbarer Klagsgrund darstellbar. Unbeschadet dessen stehen wir in dieser Angelegenheit in ständigem Kontakt mit der Europäischen Kommission, da es Aufgabe der Europäischen Kommission als Hüterin der Verträge ist, zu prüfen, ob die Tschechische Republik mit der mehrfachen Novellierung des tschechischen UVP-Gesetzes die UVP-Richtlinie nunmehr vollständig umgesetzt hat. In diesem Zusammenhang sei auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 6174/J-NR (5998/AB vom 8. September 2010) verwiesen.
Zu den Fragen 8 und 9:
Dazu darf auf die Beantwortung der Fragen 2 bis 5 verwiesen werden. Die Analyse der Experten ist abzuwarten. Grundsätzlich kann es in jedem Kernkraftwerk zu schweren Unfällen mit einem Versagen der Sicherheitseinrichtungen und in der Folge zu großen Freisetzungen von radioaktiven Stoffen kommen, auch wenn derartige Ereignisse als sehr unwahrscheinlich einzustufen sind. Fukushima hat jedoch drastisch vor Augen geführt, dass auch sehr unwahrscheinliche Ereignisse eintreten können und in einem derartigen Fall sind Auswirkungen auf das Bundesgebiet der Republik Österreich nicht auszuschließen. Dies ist einer der Gründe, warum Österreich die energetische Nutzung der Kernenergie ablehnt.
So lange noch Kernkraftwerke in Betrieb sind, wird Österreich höchste Sicherheitsstandards einfordern. Andererseits muss Österreich weiterhin auf einen diesbezüglichen Notfall vorbereitet sein. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unter Einbindung aller betroffenen Bundes- und Landesbehörden die Notfallpläne aktualisiert und umfassende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ausgearbeitet. Die Notfallpläne werden regelmäßig, wie bei der letzten bundesweiten Notfallübung INTREX 2012, geübt und dadurch laufend optimiert. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden der Nachbarländer in diesem Bereich kontinuierlich verbessert, um zu gewährleisten, dass Österreich bei einem Notfall rechtzeitig über alle Information verfügt, um gezielt Maßnahmen zum Schutz der eigenen Bevölkerung setzen zu können.
Grundsätzlich ist darauf zu verweisen, dass – wie für alle anderen Kernkraftwerke in Europa – vor Inbetriebnahme von Temelín und Dukovany entsprechende Notfallpläne ausgearbeitet und von der tschechischen Nuklearaufsichtsbehörde genehmigt werden mussten. Die aktuellen Notfallpläne werden ebenfalls regelmäßig geübt. Mehrmals haben österreichische Behördenvertreter als Beobachter an diesen Übungen teilgenommen.
Zu den Fragen 10 und 11:
Die Einspeisevergütung ist eines von mehreren Fördermodellen (neben Investitionsförderung, Quotenregelung, Ausschreibungsverfahren usw.) für elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen. Den vorliegenden Evaluierungen der Europäischen Kommission zufolge ist es – bezogen auf den EU-Raum – effektiver und effizienter als andere Fördersysteme. Die wesentliche Zielsetzung dieser Förderung ist es, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und eine Heranführung der Stromtechnologien auf regenerativer Basis an die Marktreife zu erreichen.
Wie im Regierungsprogramm ausgeführt, tritt die Bundesregierung gegen jede Art der Förderung der Kernenergienutzung ein. Diesbezüglich sei jedoch auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft, Jugend und Familie verwiesen.
Zu Frage 12:
Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.
Zu Frage 13:
Bei bestimmten Störfallabläufen kann es zur Freisetzung von Wasserstoff im Sicherheitseinschluss und – sofern die Bedingungen für eine Zündung gegeben sind – auch zu Wasserstoffexplosionen kommen. Dies führt nicht zwingend zu einer Zerstörung des Sicherheitseinschlusses und anschließender Freisetzung von Radionukliden, kann aber eine kritische Situation schaffen. Folglich werden heutzutage Kernkraftwerke mit entsprechenden Einrichtungen ausgestattet bzw. nachgerüstet, um derartige Explosionen zu verhindern.
Zu Frage 14:
Zum Zeitpunkt der Beantwortung der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage lag der dieses UVP-Verfahren abschließende „Standpunkt“ des Umweltministeriums der Tschechischen Republik noch nicht vor.
Zu Frage 15:
Zu einem allfälligen Ausbau des KKW Krsko in Slowenien wurde noch kein UVP-Verfahren eingeleitet. Die Projektvorbereitung insgesamt wurde unterbrochen. Bezüglich der Stellungnahmen im Rahmen von grenzüberschreitenden UVP-Verfahren zu kerntechnischen Anlagen in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik, aber auch zu allen anderen Verfahren, an denen sich Österreich beteiligt hat, darf auf die Internetseite des Umweltbundesamtes verwiesen werden, wo die einzelnen Verfahren einschließlich aller relevanten Dokumente übersichtlich aufbereitet sind
(http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/kernenergie/uvp_kernkraft/).
Der Bundesminister: