12499/AB XXIV. GP

Eingelangt am 04.12.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12718/J der Abgeordneten Wöginger, Kolleginnen und Kollegen wie folgt:

 

Fragen 1 - 10:

Die Beantwortung dieser Fragen fällt nicht in den Vollzugsbereich des BMASK.

 

Fragen 11 - 15:

Zu Frage 11:

Das im Abschnitt 2 § 5 ff. des Freiwilligengesetzes (FreiwG, BGBl. I Nr. 17/2012) geregelte soziale Volontariat mit Ausbildungscharakter ist als persönliches Bildungsjahr mit beruflicher Orientierung und der Übernahme sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung definiert, das nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses absolviert werden kann, sondern rechtlich als Ausbildungsverhältnis zu verstehen ist. Sowohl in § 8 Abs. 4 Z 4 als auch im § 9 Abs. 2 des FreiwG wird klargestellt, dass entsprechende Einsätze kein Ersatz für eventuell fehlende Arbeitsplätze sein dürfen (Arbeitsmarktneutralität). Die Höhe des Taschengeldes beträgt maximal die Geringfügigkeitsgrenze (ohne Aufwandsersatz).

Im Gegensatz zu dieser „Taschengeldvariante“ sieht das von mir vorgelegte Modell des Sozialen Jahrs vor, dass Männer und Frauen ab 18 Jahren (ohne Altersgrenze nach oben, ausgenommen Pensionsbezug) mit kollektivvertraglicher Bezahlung und voll versichert ein Jahr lang im Rahmen eines regulären Beschäftigungsverhältnisses tätig sind. In den Jahren 2006/2007 bis 2011/2012 haben 2182 Personen, davon 200 Männer, ein soziales Volontariat mit Ausbildungscharakter gemäß Sonderrichtlinie des BMASK absolviert. Eine detaillierte Aufschlüsselung nach den in Frage 8 genannten Bereichen liegt nicht vor.


Zu Frage 12-13:

Seit Inkrafttreten des Freiwilligengesetzes haben sich bis zum Stichtag 1.10.2012 518 Personen bei einem anerkannten Träger gemeldet. Davon absolvierten zum Stichtag 1.10.2012 443 Personen ein soziales Volontariat mit Ausbildungscharakter bei einem anerkannten Träger gemäß Freiwilligengesetz.

Zu Frage 14:

Der Europäische Freiwilligendienst im Rahmen des Beschlusses Nr. 1718/2006/EG fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend.

Zu Frage 15:

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz leistete aufgrund der Sonderrichtlinie des BMASK zur Förderung des sozialen Volontariats mit Ausbildungscharakter 2011/12 und gemäß § 40 der Allgemeinen Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln (ARR 2004) für die Teilnehmenden am Freiwilligen Sozialjahr einen Ersatz für den Entfall der Familienbeihilfe in Höhe von 150,- € (netto, pro Person, pro Monat und max. für 10 Monate). Mit dem Freiwilligengesetz wurde klargestellt, dass es sich beim sozialen Volontariat mit Ausbildungscharakter gemäß Freiwilligengesetz um ein persönliches Bildungsjahr mit beruflicher Orientierung und der Übernahme sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung handelt, das nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses absolviert werden kann, sondern rechtlich als Ausbildungsverhältnis zu verstehen ist. Im Gegensatz zu dieser „Taschengeldvariante“ ist im von mir vorgelegten Modell des Sozialen Jahres vorgesehen, dass Männer und Frauen ab 18 Jahren (ohne Altersgrenze nach oben, ausgenommen Pensionsbezug) im Rahmen eines regulären Beschäftigungsverhältnisses mit kollektivvertraglicher Bezahlung voll versichert ein Jahr lang tätig sind. Für das soziale Volontariat mit Ausbildungscharakter gem. Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes (FreiwG) wurden 2011/2012 bislang 690.113,80 € an Budgetmitteln aufgewendet. Aufgrund der Bestimmungen des Freiwilligengesetzes mit dem anstelle der Ersatzleistung für Familienbeihilfe (samt Aufwand für deren Lohnnebenkosten), der Aufwand für die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag trat, überweist das BMASK bis zum 31. Dezember 2013 einen einmaligen Pauschalbetrag von 600.000.- € für den Aufwand an Familienbeihilfen an den Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen.

 

Fragen 16 und 17:

Zahlen über das freiwillige/ehrenamtliche Engagement für das Jahr 2012 liegen dem Ressort nicht vor. Umfangreiches Zahlenmaterial über Struktur und Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich sowie eine ausführliche Darstellung einzelner Bereiche können dem im Juni 2009 veröffentlichten 1. Freiwilligenbericht http://www.freiwilligenweb.at/index.php?id=CH1074 entnommen werden. Zur Vorbereitung des nächsten Freiwilligenberichts wurde jüngst eine Erhebung zum Freiwilligen Engagement in Österreich beauftragt.

 

Fragen 18 - 49:

In Artikel 4 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit festgelegt. Ausgenommen von diesem Verbot ist nur der Wehrersatzdienst, der in Österreich in Form des Zivildienstes abgeleistet wird. Entscheidet sich die österreichische Bevölkerung bei der von der Bundesregierung für den 20. Jänner 2013 anberaumten Volksbefragung für die Einführung eines Berufsheeres, ist der Zivildienst nicht mehr zulässig. Die bisherigen Tätigkeiten der Zivildiener im Gesundheits- und Sozialbereich sollen jedoch fortgeführt werden. Deshalb habe ich das Modell des Sozialen Jahres vorgeschlagen. Es umfasst folgende Punkte:

Zu den Fragen 18 - 28 und 42 – 43:

Für den Fall der Aussetzung/des Wegfalles der Wehrpflicht sollen Tätigkeiten der Zivildiener im Gesundheits- und Sozialbereich fortgeführt werden. Durch die demografischen Entwicklungen ist in den nächsten Jahren jedenfalls mit einem starken Rückgang der Wehrpflichtigen und damit auch der Zivildiener zu rechnen. Das vorgelegte Modell „Soziales Jahr“ bietet eine zukunftsorientierte Lösung in einem wichtigen Teil des Arbeitsmarktes und sieht vor, dass Männer und Frauen ab 18 Jahren (ohne Altersgrenze nach oben, ausgenommen Pensionsbezug) mit kollektivvertraglicher Bezahlung und voll versichert ein Jahr lang im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses tätig sind. Die Entlohnung richtet sich nach dem BAGS-Kollektivvertrag (Grundstufe) und beträgt derzeit Brutto 1.386.- € (14x).

Die Auswahl der Personen erfolgt direkt über die jeweiligen Organisationen oder wenn gewünscht über eine Agentur. Der Schwerpunkt der Einsatzbereiche wird – wie bisher auch – der Gesundheits- und Sozialbereich sein. Richtschnur für die Aufteilung der personellen Ressourcen auf einzelne Trägerorganisationen soll die durchschnittliche Zivildienerzahl der letzten fünf Jahre sein. Dies soll auf Basis gesetzlicher Kriterien und mittels mehrjähriger Verträge (Planungssicherheit) geschehen. Zu einzelnen Details über die Anforderungen an die Trägerorganisationen kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht Stellung genommen werden.

Den Trägerorganisationen stehen mit diesem Modell freiwillige, motivierte und darüber hinaus entsprechend ausgebildete (siehe sogleich) MitarbeiterInnen für die Dauer eines ganzen Jahres, anstatt wie bisher nur 9 Monate, zur Verfügung.

Im Gegensatz zum Zivildienst ist im Sozialen Jahr vorgesehen, dass verwertbare Ausbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich im Ausmaß von mindestens 180 Stunden angeboten bzw. auch absolviert wird. Das bringt Vorteile für das gesamte System, denn dadurch stehen einerseits den Trägerorganisationen besser qualifizierte MitarbeiterInnen zur Verfügung, andererseits soll AbsolventInnen diese Ausbildung im Anschluss an das Soziale Jahr für weitere Ausbildungen im Sozial- und Gesundheitsbereich angerechnet/anerkannt werden können. Zudem soll das Soziale Jahr für geforderte Praxiszeiten in weiteren Ausbildungen angerechnet werden, wenn eine facheinschlägige Verwendung gegeben ist bzw. soll es Vorteile bei der Aufnahme an entsprechenden Ausbildungseinrichtungen (z.B. Schulen, FH-Studiengängen, medizinischen Bildungseinrichtungen etc.) bringen.

Zu den Fragen 29 – 33 und 42:

Die direkten Kosten des Zivildienstes betragen auf Jahresbasis 2011 rund 142 Mio. €, davon haben die Trägerorganisationen nach eigenen Angaben etwa 43 Mio. € übernommen. Meinem Ressort erwachsen durch den Zivildienst Kosten von rund 43 Mio €, die sich einerseits in der Pensionsversicherung (Bundesbeitrag) sowie andererseits im Bereich der Arbeitslosenversicherung zusammensetzen (für das Jahr 2011). Dazu sind die indirekten Kosten zu rechnen, die dadurch entstehen, dass bereits bestehende Beschäftigungsverhältnisse unterbrochen werden oder auf Grund des Zivildienstes ein Arbeitsbeginn nach dem Abschluss einer höheren Schule verzögert wird. Dem Staat entgehen durch den Zivildienst jährlich Steuereinnahmen und Sozialversicherungsabgaben in Höhe von insgesamt 66 Mio. €. Somit ergeben sich für den Zivildienst jährliche Gesamtkosten von 208 Mio. €.

Die Kosten je TeilnehmerIn im Sozialen Jahr ergeben sich aus der Summe von Entlohnung und vollen Versicherungsbeiträgen (€ 2197,67) und auch Beiträge, die im derzeitigen Zivildienstsystem gar nicht abgeführt werden (z.B. MitarbeiterInnenvorsorge, FLAF Beiträge, AK Umlage sowie Lohnsteuer). Die Entlohnung im neuen Modell richtet sich nach BAGS-KV (Grundstufe), diese beträgt derzeit brutto 1.386.- € (14x).

Der Anteil der Trägerorganisationen besteht aus Ausbildungs- und allfälligen Bekleidungskosten und einem Kostenbeitrag an die Agentur analog zu den bisherigen geltenden drei Kategorien für Zivildiener und bleibt in Summe gleich. Durch die Unterstützung der Träger in Form von Vermittlung, Entlohnung sowie Administration der Lohnverrechnung von Seiten der Agentur erwächst den Organisationen ein weiterer Kostenvorteil.

Ausgehend von der Arbeitshypothese „Kostenneutralität“ können mit 211 Mio €, also nahezu dem gleichen Betrag, den der Zivildienst derzeit an direkten und indirekten Kosten verursacht, ca. 8000 Personen ein Soziales Jahr absolvieren.


Zu den Fragen 34 – 44 und 49:

Die Auswahl der zu beschäftigenden TeilnehmerInnen des Sozialen Jahres erfolgt durch die Organisationen selbst oder – falls gewünscht - unterstützend über Vermittlung der Agentur.

Das Modell sieht vor, dass Männer und auch Frauen ab dem 18.Lebensjahr (ohne Altersgrenze nach oben, ausgenommen Pensionsbezug) am Sozialen Jahr teilnehmen können. Damit stellt das Modell nicht nur für 18 jährige Männer, sondern für alle Menschen im Erwerbsleben eine attraktive Möglichkeit und Chance dar.

Mit dieser Ausweitung der Basis wird außerdem rechtzeitig und vorausschauend auf demographische Veränderungen, die unabhängig von einem allfälligen Entfall der Wehrpflicht einen starken Rückgang der Anzahl der Wehrpflichtigen (und damit auch künftig verfügbarer Zivildiener) erkennen lassen, reagiert. Denn nach Daten der Statistik Austria wird die Zahl der heuer Stellungspflichtigen von rund 45.000 in bereits 5 Jahren (2017, Geburtsjahrgang 1999) auf rund 38.000 sinken. Durch das Soziale Jahr wird es viel mehr Menschen ermöglicht, ihr soziales Engagement und das Bedürfnis sozial tätig zu sein, in einem neuen Berufsfeld zu erproben und dieses gegebenenfalls weiter beruflich (durch die während des Sozialen Jahres absolvierte Ausbildung im Ausmaß von 180 Stunden) oder im Rahmen freiwilligen Engagements fortzusetzen.

Da es sich beim Sozialen Jahr um Arbeitsverhältnisse handelt, gelten auch die üblichen arbeits– und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen: das heißt auch Zuständigkeit der Gerichte (und nicht von Verwaltungsbehörden), Sozialversicherung in allen Zweigen, normales Arbeitsrecht. Entsprechend geltenden EU-Regelungen steht die Teilnahme am Sozialen Jahr allen Drittstaatsangehörigen offen, die über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EG“ verfügen und zumindest solche Deutschkenntnisse vorweisen können, die der angedachten Verwendung entsprechen.

Frage 45

Mit dem Sozialen Jahr wird die Basis derer, die daran teilnehmen können, erweitert, denn das Soziale Jahr steht Frauen und Männer im Erwerbsalter (Altersgruppe zwischen 18-60/65) und auch EU BürgerInen und Personen mit Daueraufenthalt EG bei entsprechenden Deutschkenntnissen offen. Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen aus Deutschland mit dem von mir nicht präferierten „Taschengeldmodell“ des Bundesfreiwilligendienstes, dass das Interesse an einer derartigen Tätigkeit sehr hoch ist. Bei einem bilateralen Gespräch mit der zuständigen deutschen Bundesmi-

nisterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Frau Kristina Schröder im Oktober 2012 wurde mir bestätigt, dass dieses Modell trotz „Taschengeldvergütung“ alle Erwartungen übertrifft und derzeit InteressentInnen abgelehnt werden müssen. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel hat bei ihrem Besuch im September 2012 in Wien hervorgehoben, dass der Bundesfreiwilligendienst sehr gut angenommen werde.

In Österreich nahmen 2011 ca. 90.000 Menschen neu eine Beschäftigung im Gesundheits- und Sozialbereich auf, davon kamen zwei Drittel aus anderen Branchen. Aufgrund der Attraktivität des Sozialen Jahres für TeilnehmerInnen und Organisationen, den Erfahrungen Deutschlands mit dem Bundesfreiwilligendienst und der hohen Anzahl an Beschäftigungsaufnahmen im Gesundheits- und Sozialbereich gehe ich davon aus, dass sich genügend InteressentInnen dafür bewerben werden.

Frage 46:

Es gibt keine Berechnungen für mediale Bewerbungsmaßnahmen, da die Notwendigkeit im Sinne der Beantwortung von Frage 45 nicht gegeben erscheint.

Zu den Fragen 47 und 48:

Bemerken möchte ich zunächst, dass im österreichischen Rettungswesen viel mehr Menschen freiwillig tätig sind, als in den betreffenden Rettungsorganisationen jemals an Zivildienern eingesetzt waren.

Die Bemühungen zur weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement auf allen Ebenen und Bereichen werden gemeinsam mit dem Österreichischen Freiwilligenrat ungeachtet einer möglichen Einführung des Sozialen Jahres weitergeführt.

Freiwilliges Engagement wird auch durch Aufwertung der im Freiwilligengesetz vorgesehenen Betätigungsmöglichkeiten (wie das soziale Volontariat mit Ausbildungscharakter Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst im Ausland, Umweltschutzjahr) und durch attraktive Bedingungen, beispielsweise hinsichtlich der Verwertbarkeit gemachter Ausbildungen, interessant bleiben.