12531/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.12.2012
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

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Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0403-III/4a/2012

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 7. Dezember 2012

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12753/J-NR/2012 betreffend Einstufung von Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Erstsprache als außerordentliche Schüler/innen, die die Abg. Johann Rädler, Kolleginnen und Kollegen am 10. Oktober 2012 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1 bis 3:

Nein, zumal eine noch nicht ausreichende Beherrschung der Unterrichtssprache Deutsch nicht mit mangelnder Schulreife gleichzusetzen ist. Jenen Schulanfängerinnen und Schulanfängern, deren einziges „Defizit“ darin besteht, der deutschen Sprache noch nicht mächtig zu sein, würden dadurch automatisch Entwicklungsverzögerungen unterstellt werden. Dies hätte negative Auswirkungen auf Selbstwertgefühl und Motivation der Kinder zur Folge. Weiters ist zu bedenken, dass schulreife Kinder mit einer noch unzureichenden Deutschkompetenz einer grundsätzlich anderen Form der Förderung bedürfen als nicht schulreife Kinder – im Besonderen einer umfassenden sprachlichen Förderung in der Erstsprache wie in ihrer Zweitsprache Deutsch.

 

Das österreichische Schulwesen sieht daher für schulpflichtige, nicht schulreife Kinder den Besuch der Vorschulstufe vor, während schulpflichtige, schulreife Kinder mit mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache als außerordentliche Schülerinnen und Schüler in die 1. Klasse der Volksschule aufzunehmen sind.

 

Die Bestimmung des § 6 Abs. 2b des Schulpflichtgesetzes 1985 definiert die „Schulreife“ und stellt dabei auf „körperliche oder geistige Überforderung“ ab. Eine Interpretation des § 6 Abs. 2b des Schulpflichtgesetzes 1985, wonach Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen „geistig überfordert“ wären, dem Unterricht in der ersten Klasse zu folgen, und aus diesem Grund nicht schulreif wären, ist im Licht der klaren Regelung des § 4 Abs. 2 des Schulunterrichtsgesetzes nicht zulässig.

 

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass seitens des Deutsch-Kompetenz-Zentrums an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich Standards für den Gebrauch des Deutschen zu Beginn der Schulpflicht erarbeitet und allen Landesschulräten/dem Stadtschulrat für Wien, allen Schulleiterinnen und Schulleitern zur Orientierung bei der Schülereinschreibung übermittelt worden sind.

 

Weiters wird auf die seit dem Schuljahr 2006/07 bestehende Möglichkeit von Sprachförderkursen für außerordentliche Schülerinnen und Schüler hingewiesen (§ 8e des Schulorganisationsgesetzes).

 

Zu Frage 4:

Hinsichtlich der Zahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler wird auf nachstehende Sonderauswertungen aus den in der Bildungsdokumentation vorhandenen Daten hingewiesen. Die Fragestellung nach „aufgenommen bzw. geführt“ wurde dahingehend verstanden, dass neben der Gesamtzahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler mit anderer Erstsprache als Deutsch über alle Schularten und Schulstufen auch eine Darstellung über die Schülerinnen und Schüler der 1. Schulstufe vermeint war. Aufgrund von Systemumstellungen stehen für die Schuljahre 2006/07 und 2007/08 in der Bildungsdokumentation keine qualitätsgesicherten validen Daten zur Verfügung.

 

Zahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler mit anderer Erstsprache1) als Deutsch in den Schuljahren 2008/09 bis 2011/12

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Österreich
gesamt

Schuljahr

BGLD

KTN

SZBG

STMK

T

VLBG

W

2008/09

152

662

1.823

4.386

1.817

1.726

202

993

11.820

23.581

2009/10

206

773

1.872

4.597

1.820

1.587

298

1.110

8.911

21.174

2010/11

208

795

1.994

5.045

1.819

1.796

316

1.263

8.588

21.824

2011/12

225

858

2.233

5.510

2.085

1.975

360

1.413

9.790

24.449

darunter Schülerinnen und Schüler in der 1. Schulstufe

2008/09

43

333

696

1.995

826

714

57

386

4.948

9.998

2009/10

56

357

759

2.276

782

703

96

432

2.480

7.941

2010/11

58

390

812

2.481

787

826

96

499

3.511

9.460

2011/12

63

452

904

2.626

895

836

84

575

3.795

10.230

1) Erste Angabe beim Erhebungsmerkmal „im Alltag gebrauchte Sprache(n)“

 

Zu Fragen 5 bis 7:

In der Bildungsdokumentation sind weder Informationen über den „Migrationshintergrund“ der Schülerinnen und Schüler verfügbar noch erfolgt im Rahmen der Erhebungen gemäß Bildungsdokumentationsgesetz eine Frage nach den Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch. Es erfolgt auch keine Frage danach, ob und aus welchen Gründen eine Schülerin oder ein Schüler gegebenenfalls nicht altersgemäß eingestuft wurde. Es können daher auch keine diesbezüglichen Statistiken zur Verfügung gestellt werden.


Zu Frage 8:

Mangels Verfügbarkeit entsprechender Auswertungssysteme im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur lässt sich diese Frage aus den Daten der Bildungsdokumentation im Rahmen des vorhandenen Zeitrahmens nicht beantworten.

 

Zu Frage 9:

Die Überleitung in den ordentlichen Status obliegt – so wie die Aufnahme als außerordentliche Schülerin bzw. außerordentlicher Schüler – der Schulleitung. Die Beobachtungen der Klassenlehrerin bzw. des Klassenlehrers sowie der Lehrkraft, die den Sprachförderkurs abhält, sind dabei zu berücksichtigen.

Bemerkt wird zudem, dass die Universität Wien, Institut für Germanistik, DaZ/DaF, seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur mit der Entwicklung eines Instruments zur Beobachtung von Sprachverläufen und Sprachzuwächsen (Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung Deutsch als Zweitsprache – USB DaZ) beauftragt wurde. Diese sprachwissenschaftlich fundierte Handreichung soll – ebenso wie der „BESK-DAZ“ (=Bogen zur Erfassung der Sprachkompetenz von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache) Pädagoginnen und Pädagogen befähigen, die sprachliche Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler zu erfassen und zu interpretieren, um daraus geeignete Fördermaßnahmen abzuleiten.

 

Zu Frage 10:

Die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten sind davon zu verständigen, ob ihr Kind als außerordentliche Schülerin bzw. außerordentlicher Schüler oder als ordentliche Schülerin bzw. ordentlicher Schüler aufgenommen wurde.

 

Zu Fragen 11 und 12:

Bei der Schülereinschreibung von Schulanfängerinnen und -anfängern ist unter anderem zu entscheiden, ob das betreffende Kind schulreif ist oder nicht und ob es als außerordentliche Schülerin bzw. außerordentlicher Schüler oder als ordentliche Schülerin bzw. ordentlicher Schüler aufzunehmen ist. Es liegt in der Verantwortung der jeweiligen Schulleitung, dies auf geeignete Art und Weise festzustellen.

Mangels zentraler Vorgaben gibt es demnach keine quantitative Evaluierung über allfällige Sprachstandsfeststellungen im Rahmen der Schülereinschreibung, doch hat das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (allerdings nicht flächendeckend) qualitative Erhebungen durchgeführt, die unter https://www.bifie.at/node/1550 abrufbar sind. Aus den Ergebnissen resultierte unter anderem die Beauftragung mit der (mittlerweile für den Kindergarten bereits erfolgten und auf die Volksschule ausgeweiteten) Entwicklung des „BESK-DAZ“ (=Bogen zur Erfassung der Sprachkompetenz von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache).

Unterschiedliche Modelle der Schülereinschreibung im Sinne von „good-practice-Beispielen“ werden durch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur exemplarisch erhoben. Relevante Ergebnisse werden nach Fertigstellung im Rahmen von Schulaufsichtskonferenzen kommuniziert werden.

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.