12589/AB XXIV. GP
Eingelangt am 14.12.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung
Alois Stöger
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0266-I/A/15/2012
Wien, am 13. Dezember 2012
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 12924/J der Abgeordneten Mag. Johann Maier und GenossInnen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Einleitend ist festzuhalten, dass zu der vorliegenden parlamentarischen Anfrage eine Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt wurde, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegt.
Frage 1:
In der Vergangenheit wurden immer wieder Befürchtungen geäußert, dass von Patient/inn/en Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erschlichen werden. Vielfach wurde und wird diese ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen unter dem Schlagwort „e-card-Missbrauch“ zusammengefasst. Wenngleich derartige Machenschaften nach Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger in ihren finanziellen Auswirkungen in Relation zum gesamten Gebarungsvolumen der gesetzlichen Krankenversicherung als marginal zu bezeichnen sind (ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die Beantwortungen der parlamentarischen Anfragen Nr. 276/J (XXIII. GP) und 3928/J (XXIII. GP) durch meine Amtsvorgängerin sowie auf meine Ausführungen zu den an mich gerichteten parlamentarischen Anfragen Nr. 1155/J, 4339/J, 7499/J und 10242/J verweisen), wurde und wird doch alles daran gesetzt, solchen Malversationen weiter entgegenzutreten.
Mit dem 4. Sozialrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 147/2009, wurden mit Wirksamkeitsbeginn 1. Jänner 2010 neue sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen eingeführt, mit denen die im Zweifelsfall erforderliche Überprüfung der Identität der Patientin/des Patienten und die rechtmäßige Verwendung der e‑card sowohl für den niedergelassenen als auch für den stationären Bereich gesetzlich verankert wurde. So sollen gemäß §§ 148 Z 6 und 149 Abs. 2 ASVG die Krankenanstalten, die über Landesgesundheitsfonds bzw. den Privatkranken-anstalten-Finanzierungsfonds finanziert werden, im Zweifelsfall eine erforderliche Überprüfung der Identität der Patientin/des Patienten und die rechtmäßige Verwendung der e-card vornehmen. § 342 Abs. 1 Z 3 ASVG bestimmt, dass die Rechte und Pflichten der Vertragsärztinnen/-ärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung sowie die im Zweifelsfall vorzunehmende Überprüfung der Identität der Patientin/des Patienten und die rechtmäßige Verwendung der e-card, in den Gesamtverträgen zu regeln sind.
Nicht zuletzt verfolgte bereits die für den Zeitraum ab dem Jahr 2003 den Krankenversicherungsträgern gesetzlich aufgetragene jährliche Information über die Inanspruchnahme von Leistungen unter anderem das Ziel der Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme. Mit der Dokumentation des Umfanges der individuell erbrachten Sachleistungen sollte den Versicherten unter anderem ein Kontrollinstrument in die Hand gegeben werden, mit Hilfe dessen geprüft werden kann, ob die in der Information aufgelisteten Leistungen auch tatsächlich in Anspruch genommen wurden. Diese Maßnahme soll daher auch dazu beitragen, dass die der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stehenden Mittel ihrem deklarierten Verwendungszweck entsprechend eingesetzt werden.
Frage 2:
Im Hinblick auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern kann eine Aussage über die von den Ländern allenfalls getroffenen Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im österreichischen Gesundheitswesen nicht getroffen werden.
Fragen 3 und 4:
Zu diesen Fragen führte der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs-träger Folgendes aus:
„Generell gibt es seit Jahren Regelungen und Maßnahmen, die der Korruptions-bekämpfung im österreichischen Gesundheitswesen dienen. Anzuführen sind neben den verschiedenen Prüfsystemen (Rechnungshof, Aufsichtsbehörden; interne Innenrevision und „Vier-Augen-Prinzip“) insbesondere folgende Maßnahmen:
MitarbeiterInnen der Sozialversicherungsträger ist die Geschenkannahme ausdrücklich untersagt (vgl. § 8 Abs. 4 DO.A, avsv Nr. 94/2005 i.d.g.F. und Parallelbestimmungen in DO.B und DO.C).
Um Korruption im Bereich der Vertragspartner zu verhindern, wurden in Gesamtverträgen Regelungen aufgenommen, welche Provisionszahlungen im Zusammenhang mit Zuweisungen verbieten (z. B. Hörgerätegesamtvertrag, siehe auch Frage 7). Mitglieder der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission müssen vor ihrer Bestellung eine conflict of interests-Erklärung abgeben [vgl. § 5 Abs. 2 Geschäfts-ordnung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (GO HEK), avsv Nr. 66/2004 i.d.g.F].
Weiters hat die Sozialversicherung im Rahmen des Balanced Scorecard-Zieles „Transparenz und Reduktion von Korruption und sachfremden Einflüssen im Gesundheitswesen“ einen Maßnahmenkatalog entwickelt. Seit 2012 laufen die ersten Umsetzungsschritte. Eine der ersten Maßnahmen ist die Erarbeitung eines Ethik-Verhaltenskodex. Die dabei durchgeführten Mitarbeiterbefragungen sollen einerseits Inputs für die Erstellung des Verhaltenskodex liefern und andererseits Aufmerksamkeit und Akzeptanz für diese Thematik schaffen. Als weitere Maßnahmen sind die Implementierung des Verhaltenskodex und Schulungen für die Mitarbeiter (mittels
e-learning-Tools) vorgesehen.
Besonderes Augenmerk wird auf eine aktive Korruptionsprävention gelegt: Essenseinladungen, die Annahme von kleinen Geschenken sowie die kostenlose Teilnahme an Kongressen, die z. B. von der Industrie gesponsert werden, sollen kritisch hinterfragt werden. Der Verhaltenskodex soll sich auch auf die Vertrags-partner auswirken.
Diese Maßnahmen spiegeln die Bemühungen der Sozialversicherung wider, Bestechung und andere Formen der Korruption in keinem ihrer Geschäftsfelder und bei keinem ihrer Geschäfts- bzw. Vertragspartner zu tolerieren.
Seitens einzelner Träger werden beispielsweise ergänzend folgende Maßnahmen gesetzt:
Die WGKK hat sich bereits vor geraumer Zeit das Ziel gesetzt, wirksame Maßnahmen gegen jede Form eines allfälligen Missbrauchs der ihr anvertrauten Gelder zu ergreifen. Schon 2008 wurde vom Vorstand die Einrichtung eines Teams beschlossen, das sich mit der Missbrauchsentdeckung und -prävention (MEP) im Leistungsbereich beschäftigt. Die WGKK ist auch bestrebt, entsprechende Bestimmungen in den ärztlichen Gesamtverträgen sowie in den Verträgen mit Gesundheitsdiensteanbietern aufzunehmen.
Die NÖGKK hat im Jahr 2008 einen Verhaltenskodex implementiert, der eine zusammenfassende und verbindliche Leitlinie von Dienstordnungen und gesetzlichen Grundlagen darstellt. Ein Teil davon ist dem Thema „Vermeidung von Interessens-konflikten und Korruption“ gewidmet; beispielsweise sollen Bedienstete keine Handlungen vornehmen, die sie in Interessenskonflikte bringen. Weiters sieht der Verhaltenskodex vor, dass Mitarbeiter grundsätzlich keine Geschenke i. Z. m. der Erledigung von Aufgaben annehmen dürfen. Zur Bewusstseinsschaffung bzw. zur Festlegung der Compliance werden Informationsveranstaltungen für neu eintretende Bedienstete und für Führungskräfte zu den Schwerpunktbereichen des Verhaltens-kodex durchgeführt. Zur Erstellung von Grundsätzen und Maßnahmen ist ein Compliance Management-Team eingesetzt. Die NÖGKK bringt ihre im Rahmen der Erstellung des hausinternen Verhaltenskodex gewonnenen Erfahrungen in den beabsichtigten sozialversicherungsweit geltenden Ethik-Verhaltenskodex (siehe oben) ein.
Die OÖGKK hat 2009 das neue Korruptionsstrafgesetz in Form einer Dienstanweisung „Korruptionsprävention und Geschenkannahme“ umgesetzt. Weiters gibt es einen internen Compliancemanager und ein Complianceteam, das für Fragen zur Verfügung steht. Weiters wurden einige Tagungen und Fortbildungen zum Thema abgehalten (z. B. Deutsch-Österreichische Expertengespräche 2008 „Fehlverhalten im Gesundheitswesen“, Linzer Forum 2009 „Intransparenz im Gesundheitswesen“) und auch Publikationen zum Thema verfasst (z. B. „Dimensionen der Intransparenz und Beeinflussung im Gesundheitswesen“, „Interessenskonflikt“ in der Reihe Gesundheits-wissenschaften). Gemeinsam mit der Ärztekammer OÖ werden industrieunabhängige evidenzbasierte Fortbildungen für Ärzte angeboten. Dafür wurde ein eigener Fortbildungstopf geschaffen mit dem Ziel die Beeinflussung durch (Pharma-)-Industrie zu vermindern. Mit Wirksamkeit 1. Oktober 2011 wurde in den OÖ Ärzte-Gesamtver-trag ein „Provisionsverbot“ eingefügt (31. Zusatzprotokoll zum Ärzte-Gesamtvertrag, siehe avsv Nr. 13/2012).
Die STGKK unterzieht Vertragspartner regelmäßigen Kontrollen hinsichtlich Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang wurden keine Korruptionsfälle im Sinne der Anfrage festgestellt.
Die KGKK führt schon seit jeher Vertragspartnerkontrollen durch, wenn sich z. B. statistische oder sonstige Auffälligkeiten zeigen. Weiters wurden Dienstanweisungen für alle Dienstnehmer zum Thema „Antikorruption“ erstellt. Darin werden den Bediensteten nicht nur die bestehenden Bestimmungen der Dienstordnungen und der Büroordnung in Erinnerung gebracht, sondern auch die gesetzlichen Antikorruptions-bestimmungen näher erläutert.
Seitens der VA für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) erfolgt zusätzlich zur ständigen Kontrolle der Vertragspartner-Abrechnungen bei Vernetzungstreffen mit anderen österreichischen Krankenversicherungsträgern eine Koordinierung gebotener Maßnahmen. Neben anlassbezogenen Schwerpunktaktionen – beispielsweise in den Leistungssegmenten Heilmittel und Hörgeräte – beteiligt sich die VAEB an ein-schlägigen BSC-Zielen wie „SV-System vor Missbrauch schützen“.
Bei der VA öffentlich Bediensteter (BVA) befasst sich die Innenrevision immer wieder im Rahmen eines internen Kontrollsystems mit einer Risikominimierung in Sachen Korruption. Weiters wurden Regelungen betreffend Verhalten der Ärzte gegenüber Einladungen durch Firmen erlassen, um Transparenz und Unabhängigkeit zu gewährleisten. Im Bereich der eigenen Einrichtungen wurde die Annahme von Gratismustern von Medikamenten von der Pharmawirtschaft eingestellt, obwohl das einen finanziellen Nachteil bedeutet.
Bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft (SVA) wurden nach Inkrafttreten des Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2012 (BGBl. I Nr. 61/2012) die Mitarbeiter über die sie betreffenden Regelungen in Form einer verbindlichen Dienstanweisung betreffend Korruptionsstrafrecht und strafbare Geschenkannahme informiert. Darüber hinaus erarbeitet die SVA gemeinsam mit dem Hauptverband einen Verhaltenskodex zur Eindämmung bzw. Verhinderung von Korruption. Um Unregelmäßigkeiten bei Vertragspartnern feststellen oder verifizieren zu können, werden Patientenbefragungen durchgeführt (Schuheinlagen, Hörgeräte, CPAP-Geräte).
Von der SVA der Bauern (SVB) wurde intern anlässlich diverser Sitzungen vor allem über die strafrechtlichen Aspekte und die wesentlichen Inhalte der Hauptverbands-arbeitsgruppe informiert.“
Zur Frage der Abstimmung mit dem Ressort ist festzuhalten, dass - nachdem das Thema die interne Geschäftsführung der Sozialversicherungsträger bzw. des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger betrifft - keine allgemeinen, formalisierten Abstimmungen bestehen, im Einzelfall erfolgt bei Bedarf jedoch eine Zusammenarbeit.
Hinsichtlich geplanter weiterer Maßnahmen sind, wie der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ausführt, neben der Weiterführung der oben erwähnten Maßnahmen, „weil Korruption auch vielleicht über Auffälligkeiten im Leistungsbereich aufgedeckt werden könnte, beim Hauptverband auf Basis seiner neuen Aufgaben nach dem SV-EG (Verbindungsstelle und Zugangsstelle im internationalen Sozialversicherungsrecht) einschlägige Maßnahmen vorgesehen: So die elektronisch abfragbare Erfassung der einlangenden Papiermeldungen der ausländischen Sozialversicherungsträger (Entsendungen usw.) zwecks Abgleich mit innerstaatlichen Sachverhalten.
Ebenfalls vor diesem Hintergrund werden die Beobachtungen auffälliger Fälle im
e-card-System weiter geführt (siehe dazu die Ausführungen in der Anfragebeant-wortung AB 10.094, Punkt 9 bis 15, S. 12 bis 36). Es ist auch eine Abfragemöglichkeit in Arbeit, aufgrund deren die PatientInnen jeweils die Verwendungsdaten ihrer eigenen e-card elektronisch abfragen werden können, um aus Eigenem zu verifizieren, ob die jeweilige e-card (deren Daten) tatsächlich nur in der beabsichtigten Weise verwendet wurde.“
Frage 5:
Gemäß § 49 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, zählt es zu den ärztlichen Berufspflichten, jede/n in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommene/n Gesunde/n und Kranke/n ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. In dem Zusammenhang stellt die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für die ärztliche Tätigkeit dar. In diesem Sinne hat die Österreichische Ärztekammer als Interessenvertretung aller Ärztinnen und Ärzte in Österreich im eigenen Wirkungsbereich einen ärztlichen Verhaltenskodex erlassen, der die Annahme von Geschenken und anderen Vorteilen pönalisiert: Verboten ist selbst die Annahme kleinster Geschenke, sofern die Entgegennahme derselben direkt oder indirekt von der Verschreibung eines Arzneimittels oder vom Erwerb eines Medizinproduktes durch eine Patientin/einen Patienten, die/der über Empfehlung einer Ärztin oder eines Arztes erfolgt, abhängig gemacht wird.
Frage 6:
Meinem Ressort sind keine Fälle von Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen durch Leistungserbringer/innen im Gesundheitswesen bekannt.
Hinsichtlich des Bereiches der Krankenanstalten, in welchem die Vollziehung bei den Ländern liegt, wird ergänzend auch darauf hingewiesen, dass in fondsfinanzierten Krankenanstalten die Abrechnung akutstationärer Aufenthalte bereits seit vielen Jahren nach dem Modell der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) erfolgt und diese Abrechnung durch den jeweiligen Landesgesundheitsfonds bzw. den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds zu prüfen ist und auch regelmäßig geprüft wird. Dabei werden die Daten unter anderem auch einer vom Bundesministerium für Gesundheit zur Verfügung gestellten elektronischen Plausibilitätsprüfung unterzogen. Unplausible Datensätze, etwa mit unzulässigen Diagnosen- und Leistungskombinationen oder anderen Auffälligkeiten, werden seitens der Landesge-sundheitsfonds in Rücksprache mit den Leistungserbringern inhaltlich geprüft und nötigenfalls korrigiert. Des Weiteren werden im Zuständigkeitsbereich der Länder durch Prüfärztinnen/-ärzte der Landesgesundheitsfonds die LKF-Abrechnungsdaten anhand der Originärdokumentation immer wieder stichprobenartig auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft, festgestellte Abrechnungsmängel gegebenenfalls beanstandet und die LKF-Abrechnung entsprechend korrigiert. Durch diese Abrechnungskontrollen werden systematische Fehlcodierungen und auch Datenmanipulationen, die zu einer nicht korrekten Verrechnung führen könnten, im Bereich der fondsfinanzierten Krankenanstalten weitestgehend unterbunden.
Aus Sicht des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wird dazu festgehalten, dass bei den Krankenversicherungsträgern in den letzten Jahren kein Überblick zu diesem Thema besteht, da Krankenanstalten weitgehend über Pauschalbeträge finanziert werden.
Den Ausführungen der einzelnen Sozialversicherungsträger ist voraus-zuschicken, dass den wenigsten Falschabrechnungen ein maliziöses oder gar strafrechtlich relevantes Verhalten zugrunde liegt. In der überwiegenden Zahl der Fälle liegen den Fehlverrechnungen Fehlinterpretationen der Honorarordnung, Irrtümer oder auch technische Ursachen zu Grunde, die durch Aussprachen zwischen den Vertragspartner/inne/n geklärt werden können.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die gesamtvertraglich verankerten Schlichtungsausschüsse hinzuweisen, die eine dem gemäß § 344 ff ASVG durchzu-führenden Schiedsverfahren vorgeschaltete Instanz darstellen. Es wird hier die Behandlung allfälliger Streitigkeiten zwischen Vertragsärztin/Vertragsarzt und Versicherungsträger behandelt.
Diesem wiederum gehen regelmäßig Gespräche unter Mitwirkung der gesetzlichen Interessenvertretungen in den Bundesländern voraus, bei welchen im Interesse der Vertragspartnerschaft auf eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeiten hingewirkt wird. Beispielsweise gab es im Jahr 2010 im Bundesland Oberösterreich keine, im Jahr 2011 insgesamt 6 Vorbesprechungen zwischen Ärztinnen/Ärzten und der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, zu welchen die Ärztekammer für Oberösterreich als Interessenvertretung beigezogen wurde.
Gegenstand dieser dem oben genannten Schiedsverfahren vorgeschalteten Gespräche waren Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartner/inne/n hinsichtlich des abgerechneten Honorars. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Unstimmigkeiten nicht lediglich von Seiten des Sozialversicherungsträgers geltend gemacht werden können, sondern auch die Gesundheitsdiensteanbieter ihrerseits zu Unrecht zurückbehaltene Honorare geltend machen können, d.h. grundsätzlich sind allgemeine Unstimmigkeiten bzw. unterschiedliche Interpretationen hinsichtlich der Honorierung einzelner Leistungen Gegenstand dieser Aussprachen.
Seitens des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde dazu Folgendes festgehalten:
„In der WGKK wurden von MEP im Jahr 2010 19 Fälle mit einem mutmaßlichen Schadensbetrag von € 546.968,75 und im Jahr 2011 33 Fälle mit einem mutmaßlichen Schadensbetrag von € 376.794,92 festgestellt, denen Falschabrechnungen, möglicher-weise auch Abrechnungsbetrug zu Grunde liegt. Strafrechtliche Verfolgung oder vertragsrechtliche Konsequenzen gab es in den angefragten Jahren allerdings (noch) keine.
Bei der NÖGKK liegen folgende Fälle vor:
Angehörige von Gesundheitsberufen: Im Jahr 2010 ist es in vier Fällen (drei Vertrags-ärzte und eine Hebamme) und im Jahr 2011 in drei Fällen (Vertragsärzte) zu Honorar-rückforderungen in Höhe von insgesamt rund € 207.000,- gekommen. Diese Rück-forderungen beruhen hauptsächlich auf einer unökonomischen Krankenbehandlung, Fehlverrechnungen sowie der Fehlinterpretation von Abrechnungsbestimmungen. Im Rahmen der Kontrolle von Zahnbehandlerabrechnungen ist es im Jahr 2010 in fünf Fällen zu Rückforderungen in Höhe von rund € 125.000,- und im Jahr 2011 in sieben Fällen zu Abzügen in der Größenordnung von rund € 77.700,- aus den genannten Gründen gekommen. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass in der gegenständlichen Aufstellung lediglich Fälle mit einem Rückforderungsbetrag von über € 5.000,- berücksichtigt wurden. Im Fall der Hebamme wurde eine Sachverhalts-darstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt, die Betroffene hat den verursachten Schaden vor Abschluss der Ermittlungen gutgemacht. In den übrigen Fällen hat eine gerichtliche Verfolgung nicht stattgefunden, da ein strafrechtlich relevanter Vorsatz nicht gegeben war.
Sonstige Vertragspartner: Im Jahr 2010 konnten Falschabrechnungen einer Firma, die Sprunggelenksorthesen nicht vertragskonform (d. h. nicht indikationsbezogen) abgegeben hat, nachgewiesen werden. Die Aufdeckung der Falschabrechnungen erfolgte im Rahmen des Competence Centers Heilbehelfe/Hilfsmittel (CC HBHI) unter Beteiligung der NÖGKK, WGKK, BGKK, BVA, SVA, SVB und VAEB. Es konnte ein Gesamtschaden für alle betroffenen Versicherungsträger in der Höhe von € 44.065,13 errechnet werden. Eine strafrechtliche Verfolgung hat nicht stattgefunden. Es wurden Vereinbarungen zwischen dem Schädiger und den jeweils betroffenen Krankenver-sicherungsträgern getroffen, womit eine Rückzahlung des Schadens erfolgt.
Bei der BGKK wurden in den Jahren 2010 und 2011 in 59 Fällen (26 im Jahr 2010 und 33 im Jahr 2011) die Abrechnung von Vertragsärzten und in zehn Fällen (jeweils fünf 2010 und 2011) die Abrechnungen von Vertragszahnärzten beeinsprucht. Es handelt sich dabei um Abrechnungsdifferenzen, denen zum Großteil technische Ursachen sowie Auslegungsunterschiede der Honorarordnung zugrunde liegen. Es erfolgte keine strafrechtliche Anzeige und auch keine Erledigung vor Gericht.
Sämtliche Fälle wurden in amikalen Aussprachen, zum Teil im Beisein der Interessensvertretung, bereinigt, wobei insgesamt ein Betrag von € 140.945,33
(2010: € 117.034,27; 2011: € 23.911,06) von den Vertragspartnern in Abzug gebracht wurde. Bei einem Vertragspartner aus dem Bereich der Heilbehelfe und Hilfsmittel wurden vertragswidrige Abrechnungen im Zeitraum 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2010 festgestellt. Der Gesamtschaden für alle betroffenen Sozialversicherungsträger betrug € 44.065,13 (ohne USt.). Es wurde von allen beteiligten Sozialversicherungsträgern ein Vergleich bei gleichzeitiger Kündigungsandrohung abgeschlossen, auf die BGKK entfiel ein Betrag von € 7.805,90, zahlbar in 24 Monatsraten.
Bei der OÖGKK sind folgende Fälle verzeichnet:
2010: Gesamtschaden € 453.605,75:
· bei 51 ÄrztInnen (PA, FA, ZA) wurde eine Falschabrechnung festgestellt und insgesamt € 169.383,73 rückgefordert;
· bei zwei Schuhmachern wurde eine Falschabrechnung festgestellt und € 55.003,- rückgefordert;
· bei drei Medizintechnikfirmen wurden aufgrund von Falschabrechnung insgesamt € 229.219,02 rückgefordert.
2011: Gesamtschaden € 484.863,03:
· bei 46 ÄrztInnen (PA, FA, ZA) wurde eine Falschabrechnung festgestellt und insgesamt € 401.080,67 rückgefordert;
· bei einem Bandagisten wurde eine Falschabrechnung festgestellt und € 71.767,28,- rückgefordert;
· bei einem Taxiunternehmen wurde eine Falschabrechnung festgestellt und € 11.468,30 rückgefordert;
· bei einem Physiotherapeuten wurde eine Falschabrechnung festgestellt und € 546,78 rückgefordert.
Von der OÖGKK wurde in beiden Jahren kein Vertragspartner gerichtlich verfolgt. Derzeit läuft ein Verfahren bei den Schiedskommissionen wegen der Vertrags-kündigung eines Zahnarztes.
Bei der STGKK wurden im Zuge der Vertragspartnerkontrollen im fraglichen Zeitraum keine Betrugsfälle festgestellt. Die bei der Vertragspartnerabrechnung aufgetretenen Fehlverrechnungen konnten, mit Ausnahme eines Falles, einvernehmlich geklärt werden. Dieser Fall ist bei der Paritätischen Schiedskommission anhängig.
Die KGKK führte 2010 in drei Fällen und 2011 in rund 12 Fällen (aufgrund zusätzlich eingeführter zahnärztlicher Kontrollen) Rückforderungsgespräche mit Vertrags-partnern durch. Bei den Fehlverrechnungen handelt es sich zumeist nicht um strafrechtlich verfolgbare Tatbestände, sondern auch um Fehlinterpretationen oder Auslegungsdifferenzen zumeist alter bzw. veralteter Textierungen von Honorar-positionen.
Bei der TGKK gab es 2010 einen Fall eines Vertragsarztes, bei dem € 40.000,- im Zuge der Abrechnung in Abzug gebracht wurden. In weiterer Folge legte der Arzt den Vertrag vor der Kündigung durch die TGKK selbst zurück.
Bei der VGKK sind in den Jahren 2010 und 2011 keine betrugsmäßigen Vertrags-partnerabrechnungen bekannt geworden. Einzelne Abrechnungsdifferenzen waren gegeben und konnten geklärt werden, wobei vorsätzliches Handeln seitens der betroffenen Vertragspartner nicht festgestellt werden konnte.
Bei der VAEB existiert über Fälle von Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen kein repräsentatives Datenmaterial, da die Abgrenzung zu Abrechnungsirrtümern nicht eindeutig definierbar ist.
Bei der BVA werden im Bereich Krankenversicherung wiederkehrend Falschab-rechnungen durch Vertragspartner festgestellt. Als Ursache kann nach Kontaktauf-nahme mit der abrechnenden Stelle beinahe in jedem Fall ein Irrtum ausgemacht werden. Jedenfalls konnte in den Jahren 2010 und 2011 in keinem Fall eindeutig von einem bestehenden Vorsatz ausgegangen werden, weshalb auch keine Sachverhalts-darstellung an die Staatsanwaltschaft erfolgte. Ausdrücklich festgehalten wird, dass der BVA durch diese Falschabrechnungen kein Schaden entstanden ist, da unge-rechtfertigte Abrechnungen immer von weiteren vertraglichen Zahlungen in Abzug gebracht werden konnten.
Bei der SVA sind Fälle von Abrechnungsbetrug, die strafrechtlich verfolgt und gerichtlich entschieden wurden, in den Jahren 2010 und 2011 nicht aufgetreten. Abrechnungsirrtümer hingegen kommen immer wieder vor und werden mit den Vertragspartnern einvernehmlich oder durch die dazu berufenen Schiedsinstanzen beigelegt.
Die SVB hat die bei ihr festgestellten Fälle von Abrechnungsbetrug und Falschab-rechnungen, die nach einem bestimmten Verfahren (Rückforderung, Mahnung, eventuell Klagsandrohungen etc.) zu Schadensgutmachungen oder im Rahmen der Wahlarztbearbeitung nach näherer ärztlicher Prüfung zu Kürzungen geführt haben, nachfolgend dargestellt. Fehlverrechnungen, die bereits im Rahmen der Abrechnung aufgefallen sind, sind in den angeführten Summen nicht enthalten. Es wurde keine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt.“
|
|
Basierend auf der Überprüfungstätigkeit wurden unter anderen aus den genannten Leistungsbereichen folgende Beträge rückgefordert bzw. einbehalten. |
|
|
|
Leistungsbereich |
Einbehalt bzw. Rückforderung in € |
|
2010 |
Ärztliche Hilfe |
122.941,90 |
|
Heilbehelfe/Hilfsmittel |
141.181,81 |
|
|
2011 |
Ärztliche Hilfe |
116.793,00 |
|
Heilbehelfe/Hilfsmittel |
94.986,06 |
|
|
Transporte |
144.079,97 |
|
Frage 7:
Ärztlicher Verhaltenskodex:
In den Jahren 2010 und 2011 gab es keine Verfahren wegen Verstoßes gegen den ärztlichen Verhaltenskodex.
Darüber hinaus enthalten gesamtvertragsrechtliche Vereinbarungen in der Regel ein explizites Provisionsverbot, dessen Umgehung eine Vertragskündigung von Seiten des Sozialversicherungsträgers zur Folge haben kann.
Medikamentenverordnungen:
Als präventive Maßnahme ist generell hervorzuheben, dass ich im Hinblick auf das Verordnungsverhalten von Ärzt/inn/en bei Medikamenten im Jahr 2010 per Ver-ordnung (VO über die Meldepflicht für Nicht-interventionelle Studien, BGBl. II Nr. 180/2010) für deutlich mehr Transparenz bei den sogenannten „nicht-interventio-nellen“ Studien in der Pharmaforschung gesorgt habe:
Bei „nicht-interventionellen“ Studien dokumentieren niedergelassene Ärztinnen
und Ärzte Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten, die sie ihren Patientinnen und Patienten verschreiben, und teilen diese Beobachtungen gegen entsprechendes Entgelt der jeweiligen Herstellerfirma mit. Damit sollen Erkenntnisse über das tatsächliche Funktionieren eines Medikaments in der praktischen Anwendung gewonnen werden.
Dabei bestand allerdings die Gefahr, dass diese nicht-interventionellen Studien als Marketing-Instrument missbraucht werden, weil der Entgeltanreiz die verschreiben-den Ärztinnen/Ärzte dazu verlocken könnte, bestimmte Medikamente bevorzugt zu verschreiben. Die neue Verordnung sorgt aber nun in zweifacher Hinsicht für mehr Transparenz:
Es wird durch einen Hinweis auf die ärztliche Aufklärungspflicht klargestellt, dass Patient/inn/en nicht ohne deren Wissen zu Teilnehmer/inne/n an einer nicht-interventionellen Studie werden dürfen. Zudem sind einige Informationen über diese Studien über das Melderegister allgemein frei zugänglich. Falls Produkte aus dem Erstattungskodex verwendet werden, hat der Hauptverband grundsätzlich die Möglichkeit, die teilnehmenden Ärztinnen/Ärzte abzufragen. Auf diese Weise können allfällige Irregularitäten im Verschreibeverhalten aufgegriffen werden.
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger führt dazu weiter aus:
„Hörgeräte
Im Bereich der Hörgeräteversorgung gab und gibt es Hinweise und Verdachtsmomente, dass seitens der Hörgeräteakustiker – und hier vornehmlich große Anbieter – Provisionszahlungen an HNO-Fachärzte für die „Zuweisung“ eines Patienten für eine Hörgeräteversorgung geleistet werden.
Die HNO-Ärzte, denen die ärztliche Diagnostik obliegt, händigen in solchen Fällen den Patienten die ärztliche Verordnung für Hörgeräte erst nach der erfolgten Anpassung der Hörgeräte durch den Hörgeräteakustiker und nochmaliger Konsultation ihrer selbst aus. Somit haben die HNO-Ärzte Einfluss, welchen Hörgeräteakustiker der Patient in Anspruch nimmt, womit dem Patienten die Wahlfreiheit des Vertrags-partners genommen wird und die Patienten bestimmten („provisionszahlenden“) Hörgeräteakustikern „zugewiesen“ werden. Oftmals fließen vom versorgenden Vertragsakustiker finanzielle Zuwendungen unter verschiedensten Rechtstiteln
(z. B. für ein Gutachten, Fragebogen, Passform der Otoplastik) an den zuweisenden HNO-Arzt.
Die beschriebene Vorgehensweise ist für viele Vertragsakustiker, vor allem für die Kleinbetriebe, extrem geschäftsbehindernd, weil diese nicht im großflächigen Stil Werbung betreiben (können) und demzufolge der Zugang zu den verordnenden
HNO-Ärzten nicht gegeben ist. Auch für die Versicherten ist es teilweise eine zusätzliche Belastung, weil sie weitere Anfahrtswege zu einem nicht wohnortnahen Hörgeräteakustiker in Kauf nehmen müssen.
In § 9 Abs. 2 Hörgeräte-Gesamtvertrag, avsv Nr. 79/2010 wurde folgende Regelung aufgenommen:
Im Zusammenhang mit der Verordnung von Hörgeräten dürfen keinerlei Provisionen in Form von Geld oder Sachwerten in vergleichbarer Höhe an die verordnenden Ärzte bzw. an deren Personal versprochen oder geleistet werden.
Auch in den Medien wurde dieser Graubereich wiederholt thematisiert. Aufgrund der Medienberichterstattung, durch die allgemeine Aktualität des Themas und die geschilderten Maßnahmen sind die Provisionszahlungen im Bereich der Hörgeräte zurückgegangen.“ Allerdings wird dazu weiter festgehalten, dass ein gewisser Verdacht, dass sie, in welcher Form auch immer, weiterhin geleistet werden, noch immer gegeben ist.
Frage 8:
Diesbezüglich sind keine Fälle im intramuralen Bereich zur Kenntnis gelangt. Bei niedergelassenen Ärztinnen/Ärzten stellt sich die Frage der Geltung des Vergabe-rechts in der Regel nicht, da die Mindestauftragssummen von einzelnen Vertrags-partner/inne/n meist nicht erreicht werden.
Frage 9:
Die in dieser Frage angesprochene Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes zu Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuches und allfällige Auswirkungen auf Österreich fallen nicht in meine Zuständigkeit. Sollten sich im österreichischen Strafrecht Lücken in Bezug auf Gesundheitsdiensteanbieter finden, so trete ich selbstverständlich für deren rasche Beseitigung ein.