12600/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.12.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0256-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 12790/J-NR/2012

Der Abgeordnete zum Nationalrat Christian Lausch und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Verharmlosung des Konsums von Kinderpornographie durch einen Gutachter“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 15 sowie 20 und 21:

Die Strafjustiz nimmt eine klare Haltung ein, was den Konsum von Kinderpornografie betrifft. So wurde mit dem am 1. Juni 2009 in Kraft getretenen Zweiten Gewaltschutzgesetz (BGBl. I Nr. 40/2009) der wissentliche Zugriff auf pornographische Darstellungen Minderjähriger im Internet (§ 207a Abs. 3a StGB) unter Strafe gestellt. Mit dieser Regelung wurde eine Strafbarkeitslücke geschlossen, weil bis dahin im Kontext des Surfens im Internet nach der herrschenden Meinung in Schrifttum und Judikatur weder die Tatbegehungsformen des Sichverschaffens noch des Besitzes pornographischer Darstellungen gemäß § 207 Abs. 3 StGB angenommen werden konnten. Mit dieser Bestimmung nimmt Österreich eine führende Rolle in der Bekämpfung der Kinderpornographie ein.


Der „Kommentar der Anderen“ von Univ.-Prof. Dr. Klaus Schwaighofer in der Tageszeitung „Der Standard“ vom 10. September 2012 ist mir bekannt. Es handelt sich dabei um eine aus meiner Sicht jedenfalls zulässige Meinungsäußerung im Rahmen einer in alle Richtungen sehr breit geführten Debatte, an der sich zahllose Personen in sehr unterschiedlicher Form und Richtung beteiligt haben. Öffentliche Debatten – nicht zuletzt auch über rechtspolitische Fragen – kennzeichnen einen demokratischen Rechtstaat und stärken letztlich seine Institutionen. Als Meinungsäußerung entzieht sich dieser Kommentar von vornherein jeder Bewertung als „wahr“ oder „falsch“.

Auf meine Initiative hin wird voraussichtlich mit 1. Jänner 2013 eine Gesetzesänderung in Kraft treten, nach deren Inhalt sich Rechtsbrecher, die wegen bestimmten schweren Sexualdelikten (z.B. Vergewaltigung, sexueller Missbrauch von Unmündigen, Pornographische Darstellungen Minderjähriger) verurteilt wurden, ihre Haftstrafe nicht mehr mit einer Fußfessel ersparen können. Solche Täter können frühestens nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt um eine Fußfessel ansuchen (§ 156c Abs. 1a StVG).

Für alle sonstigen strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität oder Selbstbestimmung oder sexuell motivierte Gewaltdelikte darf die Fußfessel künftig nur dann gewährt werden, wenn aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten ist, dass der Verurteilte den elektronisch überwachten Hausarrest nicht missbrauchen wird (§ 156c Abs. 1a StVG).

Das angesprochene, im November 2011 beauftragte Gutachten war das einzige in diesem Zusammenhang. Ich wollte anhand eines objektiven und unabhängigen Gutachtens prüfen lassen, ob bzw. was es im Bereich der Be­stimmungen über den elektronisch überwachten Hausarrest zu verbessern gilt. Es wurde dafür ein Pauschalbetrag von 1.500,00 Euro zzgl. USt in Rechnung gestellt. Dr. Schwaighofer ist ein renommierter Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Universität Innsbruck. Er kann auf eine umfangreiche Publikationsliste verweisen, die sich (auszugsweise) auch auf seiner Homepage findet. Darunter sind auch Beiträge zum Sexualstrafrecht. Es besteht für mich kein Grund zu zweifeln, dass der Gutachter sein Rechts­gutachten nach bestem Wissen erstellt hat. Weitere Gutachtensaufträge wurden nach meinen Informationen nicht erteilt.

Ich habe aber – der Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2010, Nr. 118/E, betreffend die Evaluierung des Strafvollzuges durch elektronisch überwachten Hausarrest folgend – das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie mit einer ebensolchen Evaluation beauftragt. Projektleiter war Dr. Walter Hammerschick. Den Endbericht des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie habe ich im Oktober 2012 der Frau Präsidentin des Nationalrates übermittelt.


Wie schädlich oder harmlos ein konkretes Tatverhalten zu bewerten ist, lässt sich nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls qualifizieren. Indem ein Gesetz ein abstrakt umschriebenes Verhalten mit Strafe bedroht, bringt es dessen grundsätzliche Missbilligung zum Ausdruck. Nur in Kenntnis der individuellen Umstände im Einzelfall, die bei der Strafzumessung als mildernd oder erschwerend zu werten sind, kann ein bestimmter Tathergang innerhalb des gesetzlich festgelegten Strafrahmens konkret bewertet und die angemessene Strafe ermittelt werden.

Zu 16 bis 18:

Mit Stichtag 29. Oktober 2012 waren bei der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) 77 Ersuchen um Äußerungen im Zuge der Entscheidung über die Vollzugsform (§ 156d StVG) des EÜH (frontdoor) bei Rechtsbrechern mit strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung oder wegen strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben oder die Freiheit, wenn diese begangen wurden, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen (§ 52a StGB), eingetroffen. Von diesen 77 Ersuchen waren zum Stichtag 67 erledigt. 53 dieser Anträge waren zum Stichtag von den Vollzugsbehörden zumindest erstinstanzlich erledigt.

Die Einschätzung, ob die Gefahr besteht, der Verurteilte werde die Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests missbrauchen, stellt eine Prognosebeurteilung dar, bei der vor dem Hintergrund der in den Gesetzesmaterialien genannten Aspekte auf die Wohnverhältnisse, das soziale Umfeld und allfällige Risikofaktoren abzustellen ist. Bei der Erstellung dieser Prognose besteht für die Strafvollzugsbehörden ein Beurteilungsspielraum, wobei die Entscheidung anhand der gesetzlichen Kriterien zu begründen ist. In diesem Zusammenhang stellt die Äußerung der BEST ein Element der Risikobeurteilung durch die Vollzugsbehörde dar, in die auch weitere Elemente wie das Verhalten des Verurteilten seit der Tat, die ohne weitere Straftaten vergangene Zeit, absolvierte Therapien, allfällige andere gutachterliche Stellungnahmen und insgesamt die konkreten Lebensumstände im Zeitpunkt der Entscheidung einzubeziehen sind. Das Gesetz verlangt für die Bewilligung dieser Vollzugsform unter anderem, dass angenommen werden kann, dass der Rechtsbrecher sie nicht missbrauchen werde (dass also das Gegenteil nicht begründet anzunehmen ist).

Die BEST hat eine Äußerung abzugeben, eine Entscheidung kommt ihr nicht zu. Die Bewilligung oder Nichtbewilligung hat diese Äußerung einzubeziehen, erfolgte daher immer „mit Rücksicht“ und nie „entsprechend“ oder „entgegen“ dieser Äußerung. Die auf Basis statistisch-nomothetischer Untersuchungen abgegeben Äußerungen der BEST nehmen zum Grad der relativen (Un-)Wahrscheinlichkeit Stellung, mit der mit einer einschlägigen Wiederholungstat zu rechnen ist, wobei im Rahmen einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung in der Zukunft liegende Straftaten naturgemäß weder mit absoluter Sicherheit angenommen, noch ausgeschlossen werden können.


In 15 der 16 Fälle, in denen die BEST von der höheren Wahrscheinlichkeit einer Wieder­holungstat ausgegangen ist, waren die Entscheidungen der Vollzugsbehörde negativ, im verbleibenden Fall hat die Verurteilte den Antrag zurückgezogen. Ich ersuche aber um Verständnis, dass mir in allen diesen Fällen eine Schilderung der entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente im Rahmen einer öffentlichen Anfragebeantwortung aufgrund möglicher Identifizierbarkeit der Verfahrensbeteiligten sowohl aus Gründen des Datenschutzes als auch des Persönlichkeits- und Opferschutzes verwehrt ist.

 

Zu 19:

Nein.

Wien,      . Dezember 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl