12700/AB XXIV. GP

Eingelangt am 03.01.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12978/J der Abgeordneten Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter wie folgt:

 

Bevor ich auf die Fragen im Einzelnen eingehe, möchte ich betonen, dass die kollektivvertragliche Lohnpolitik im autonomen Verantwortungsbereich der kollektivvertragsfähigen Verbände der Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen liegt.

Dessen ungeachtet beobachtet mein Ressort natürlich die Lohnpolitik und deren Entwicklung. Die nachfolgenden Antworten beruhen auf den bei meinem Ressort gemäß Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) hinterlegten und kundgemachten Kollektivverträgen, da gemäß § 11 leg. cit. ein Kollektivvertrag erst mit der Kundmachung Normwirkung erzeugt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Kollektivverträge in der Praxis regelmäßig erst eine gewisse Zeit nach ihrem Abschluss hinterlegt und kundgemacht werden, um dann rückwirkend mit dem vereinbarten Wirkungsbeginn in Kraft zu treten. Es ist daher zwingend, dass in der folgenden Beantwortung Kollektivverträge, die zwar bereits abgeschlossen, aber noch nicht hinterlegt und kundgemacht worden sind, nicht berücksichtigt werden können, da darüber meinem Ressort naturgemäß keine Informationen vorliegen.

 

Fragen 1, 3 und 4:

Abgesehen von den im Folgenden skizzierten Bereichen gibt es in allen Branchen Kollektivverträge, die durchwegs auch Lohnregelungen und somit einen Mindestlohn enthalten.

Bereiche, in denen es zwar kollektivvertragsfähige Interessenvertretungen gibt, aber kein Kollektivvertrag abgeschlossen worden ist, sind in folgenden Branchen zu finden:

-       Gewerbe und Handwerk (wie Modelltischler und Modellbauer – Arbeiter; Binder – Arbeiter; Zahntechniker – Arbeiter sowie ausgebildete Zahntechniker)

-       Banken und Versicherungen (wie Pensionskassen)

-       Transport und Verkehr (wie Schieneninfrastruktur-, planungs-, errichtungs-, finanzierungs-, kontroll- und betriebsunternehmungen; Hafenunternehmungen ausgenommen Hafen Wien; Flugschulen; Garagen, Tankstellen und Servicestationsunternehmungen – Angestellte)

-       Tourismus - und Freizeitwirtschaft (Bäder, ausgenommen Wien; Freizeit- und Sportbetriebe; Museen, ausgenommen Kunsthistorisches Museum und Museen der Stadt Wien)

-       Information und Consulting (Werbung und Marktkommunikation, ausgenommen Wien; Immobilien- und Vermögenstreuhänder; Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen, ausgenommen ORF, Post AG, Telekom Austria AG, Telekomunternehmungen)

-       Abfall- und Abwasserwirtschaft – Arbeiter.

In Branchen, in denen es keine vollständige Erfassung der Arbeitgeber/innen durch eine gesetzliche Interessenvertretung gibt (Unterricht, Forschung, Gesundheit, Soziales, Hausbesorger, Hausbetreuer, Printmedien), kann auch bei Abschluss eines Kollektivvertrages durch einen kollektivvertragsfähigen freiwilligen Arbeitgeber/innen-Verband nicht davon ausgegangen werden, dass der Kollektivvertrag für die gesamte Branche gilt. In diesem Zusammenhang ist jedoch auf die geltenden Mindestlohntarife und Satzungen hinzuweisen.

 

Frage 2:

Die folgende Auflistung enthält kollektivvertragliche Mindestlöhne wichtiger Branchen zum Stand 01.10.2012 (aktuelle oder anstehende Lohnrunden sind nicht berücksichtigt; betrachtet wurde immer nur der niedrigste kollektivvertragliche Monatslohn, ohne Zulagen, Sonderzahlungen, Biennien/Quinquennien und Ähnliches mehr):

 

Mindestlöhne über 1.300,--:

Mineralölindustrie

·        Arbeiter: 1.677,99

·        Angestellte: 1.653,43

Baugewerbe und Bauindustrie

·        Arbeiter: LGr V – sonst. Hilfspersonal: 1.654,32

·        Angestellte: A1-Schreibkräfte: 1.400,--

Sozialsektor - BAGS-Kollektivvertrag (Arbeiter und Angestellte)

·        VwGR 1 – zB Küchenhilfen, Lagerarbeiterin: 1.386,10

Private Bildungseinrichtungen (Arbeiter und Angestellte)

·        VB 1 – einfache Tätigkeiten: 1.494,99

Metallgewerbe – Arbeiter:

·        LG 7 – Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung: 1.556,17

Banken – Angestellte:

·        Hilfsdienste, Kurierdienste: 1.526,63

Güterbeförderung (Arbeiter)

·        Hilfsarbeiten: 1.321,72

Handel – Arbeiter

·        Lagerarbeiter: 1.373,--

Handel - Angestellte

·        BGr 2 – mit kfm. Lehre: 1.350,--

 

Mindestlöhne zwischen 1.200,-- und 1.300,--:

Metallgewerbe – Angestellte

·        VwGr I – kfm. Hilfskräfte: 1.212,86

Handel – Angestellte

·        BGr 1 – sonstige Angestellte: 1.263,--

Textilindustrie Vbg – Arbeiter:

·        Einfache Hilfsarbeiten: 1.269,77

Bäckergewerbe – Arbeiter

·        B/A – sonstige AN außerhalb der Produktion: 1.253,51

 

Mindestlöhne zwischen 1.000,-- und 1.200,--:

Gastgewerbe – Arbeiter und Angestellte

(nach Bundesländern unterschiedlich)

·        Angestellte: Bürohilfskräfte: ~ 1.200,--

·        Arbeiter: Küchenhilfskraft, Zimmermädchen: ~ 1.180,--

Friseurgewerbe – Arbeiter

·        Während der Behaltepflicht: 1.036,--

·        Anschließend: 1.186,--

Konditoren Wien – Arbeiter:

·        ServiererInnen: 1.088,84

Rechtsanwälte Wien – Angestellte:

·        Kanzleikräfte: 1.023,50

Schuhmachergewerbe – Arbeiter:

·        Hilfsarbeiten: 1.087,70

Textilreinigung/Gewerbe – Arbeiter:

·        LGr V – Hilfsarbeiten: 1.111,94

Einen kollektivvertraglichen Mindestlohn unter 1.000,-- gibt es nur mehr in einem einzigen Fall: der aktuelle Kollektivvertrag für Zeitungen/Expeditarbeiter u.a. sieht für Zusteller einen Monatslohn von 807,84 (Wochenlohn 186,57) vor.

 

Fragen 5 und 6:

Die Festlegung des Geltungsbereichs von Kollektivverträgen obliegt den Kollektivvertragsparteien. Oft sind leitende Angestellte vom Geltungsbereich ausgenommen.

 

Fragen 7 und 8:

Dem Ressort liegen keine detaillierten statistischen Daten vor, wie viele Arbeitnehmer/innen in den jeweiligen Branchen vom kollektivvertraglichen Mindestlohn erfasst sind. Es ist zu berücksichtigen, dass für eine solche Erhebung nicht nur notwendig wäre zu prüfen, wie viele Beschäftigte einem Kollektivvertrag unterliegen - was schon im Hinblick auf Unternehmen mit mehreren Gewerbeberechtigungen nur in einer Einzelfallprüfung möglich wäre - sondern darüber hinaus auch, in welchen Verwendungsgruppen diese eingestuft sind. In den Lohndaten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sind keine Angaben über die Kollektivvertragsunterworfenheit der Arbeitnehmer/innen enthalten, weshalb eine umfassende statistische Erhebung nicht möglich ist. Im Übrigen liegt auch die Evaluierung als Teil der Lohnpolitik in der Verantwortlichkeit der Sozialpartner.

Auf Grund einer 2006 durchgeführten Unternehmenserhebung liegen jedoch Daten zur Kollektivvertragsabdeckungsquote in bestimmten Wirtschaftsbereichen vor (vgl. Bönisch, Kollektivvertragliche Abdeckung in Österreich, in Statistische Nachrichten 3/2008, Seite 207 ff). Danach sind 94% der Beschäftigten durch einen Kollektivvertrag erfasst. Überdurchschnittlich hohe Abdeckungsquoten sind in den Bundessparten Gewerbe und Handwerk, in der Industrie sowie im Handel zu verzeichnen (98% bzw. 99%). In den Bundessparten Bank und Versicherungen sowie Transport und Verkehr liegen die Abdeckungsquoten bei 95%. Niedrigere Abdeckungsquoten zeigen sich in der Bundessparte Information und Consulting (85%) und in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft (90%). Unternehmen mit keiner Zugehörigkeit zur Wirtschaftskammer (z.B. freie Berufe, Gesundheits- und Sozialbereich) weisen den niedrigsten Wert auf (82%).

 

Frage 9:

Regelungen betreffend den Mindestlohn sind in Österreich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu finden. Das Kollektivvertragsgesetz 1920 schrieb die Gültigkeit von Kollektivverträgen für alle Arbeitnehmer/innen eines/einer kollektivvertragsunterworfenen Arbeitgebers/Arbeitgeberin vor, unabhängig davon, ob sie Mitglieder der abschließenden Gewerkschaft sind.

In der Regel werden die Löhne im Rahmen jährlicher Kollektivvertragsverhandlungen angepasst. Problematisch sind jene Bereiche, wo seit einigen Jahren keine Anpassung des kollektivvertraglichen Mindestlohnes stattgefunden hat.

 

 

 

 

Fragen 10 und 14:

Zur Frage der Entwicklung der Mindestlöhne bzw. Einkommen wird auf nachstehende wesentliche Statistiken der Statistik Austria verwiesen.

 

 

Zu den Fragen 11 und 13:

Die Fragen 11 und 13 haben die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) zum Gegenstand. Diese liegt nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung im ausschließlichen Wirkungsbereich der Länder (Art. 12 Abs. 1 B-VG iVm Art. 15 Abs. 6 B-VG).

Die zwischen dem Bund und den Ländern geschlossene Art. 15a B-VG Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung ändert nichts an diesem Umstand.

Aus diesem Grund liegt auch die Datenhoheit in Angelegenheiten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bei den Ländern, weshalb meinem Ressort dazu keine Informationen vorliegen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der L&R Studie „Auswirkung der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf die Wiedereingliederung der LeistungsbezieherInnen ins Erwerbsleben“ keinen Aufschluss über den Anteil ausländischer StaatsbürgerInnen an der Gesamtzahl der MindestsicherungsbezieherInnen geben.

 

Zu Frage 12:

Die Kollektivvertragsunterworfenheit von Arbeitnehmer/inne/n richtet sich nach der Kollektivvertagsangehörigkeit des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer/innen. Hinsichtlich der Frage nach statistischen Daten wird auf die Beantwortung der Fragen 7 und 8 verwiesen.