12707/AB XXIV. GP
Eingelangt am 04.01.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
|
NIKOLAUS BERLAKOVICH Bundesminister
|

An die Zl. LE.4.2.4/0195 –I/3/2012
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 4. JAN. 2013
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Erich Tadler, Kolleginnen
und Kollegen vom 05. November 2012, Nr. 12956/J, betreffend
Umsetzung des 5-Parteien-Antrag 2059/A(E)
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Erich Tadler, Kolleginnen und Kollegen vom 05. November 2012, Nr. 12956/J, teile ich Folgendes mit:
Grundsätzliches:
Die einstimmige Entschließung des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend die konsequente Umsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines europaweit raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie (272/E) auf Basis des gegenständlichen Entschließungsantrages 2059/A(E) bildet eine wertvolle Unterstützung für die Anti-Atom-Politik der österreichischen Bundesregierung. Vor allem die Einstimmigkeit hat hohe Signalwirkung.
Natürlich wird die österreichische Anti-Atompolitik konsequent und zielgerichtet fortgesetzt werden. Ich selbst habe seit vielen Jahren wesentliche Schritte gesetzt, wie den nachstehenden Ausführungen zu entnehmen ist.
Unbeschadet dessen sind wir damit konfrontiert, dass manche Länder die Kernenergie noch immer als eine Option der Energiegewinnung sehen. Österreich muss die Souveränität anderer Staaten, ihre Energieträger selbst zu wählen, respektieren. Zwei Nachbarstaaten hat die Katastrophe von Fukushima davon überzeugt, Zug um Zug aus der Kernenergienutzung auszusteigen, und ein weiterer Nachbarstaat wird von der geplanten Wiederaufnahme eines Kernenergieprogramms Abstand nehmen. Andere Nachbarstaaten halten jedoch bedauerlicherweise an der Kernenergienutzung fest.
Sowohl ich selbst als auch meine Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung machen unentwegt auf die Gefahren der energetischen Nutzung der Kernenergie aufmerksam und argumentieren deren Ablehnung auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene. Da nun einerseits Energiepolitik national bestimmt wird und es andererseits nach wie vor keine verbindlichen Mindestsicherheitskriterien auf europäischer oder internationaler Ebene gibt, muss Österreich bei allen Anlagen, die ein potenzielles Risiko für Österreich darstellen, auf maximale Sicherheit drängen.
Zur Erreichung dieser Ziele stehen eine Reihe politischer und administrativer sowie rechtlicher Instrumente zur Verfügung. Insgesamt ermöglichen diese Instrumente eine akzentuierte Vertretung österreichischer Interessen, die jedoch die Grenzen, die durch die nationale Souveränität anderer Staaten definiert werden, anerkennen muss.
Das umweltpolitische Ziel des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) ist Energieautarkie. Österreich könnte bis 2050 Selbstversorger mit Energie aus Sonne, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse sein. Energieautarkie auf
Basis der erneuerbaren Energieträger ist ein schlüssiges Gesamtkonzept, bei dem alle profitieren: die Menschen, die Umwelt, das Klima, der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft. Davon wollen wir auch andere Staaten überzeugen.
Die einzelnen Fragen, soweit sie einen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffen, beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Ergänzend zu den grundsätzlichen Ausführungen sei aus der Fülle der Aktivitäten beispielhaft berichtet:
Auf europäischer Ebene sucht Österreich intensiv den Kontakt mit anderen antinuklearen Staaten, um in Abstimmung gemeinsame Ziele zu verfolgen. In diesem Sinne habe ich zu einem informellen Ministertreffen nach Wien eingeladen, um unsere Kräfte zu bündeln. Beim Treffen in Wien am 25. Mai 2011 haben acht Mitgliedstaaten in einer umfassenden Deklaration klargestellt, dass ihrer Ansicht nach Atomenergie nicht mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung vereinbar ist und ihre Überzeugung unterstrichen, dass Atomenergie keine tragfähige Option im Kampf gegen den Klimawandel darstellt. Dieses Treffen war der Ausgangspunkt für eine engere Zusammenarbeit von Ländern, die die Kernenergie nicht nutzen. Dabei wird über Themen wie Nukleare Sicherheit, Transparenz und öffentliche Beteiligung im Nuklearsektor aber auch über Themen wie Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme beraten. Wir müssen diese Kooperationen und Koalitionen stärken und weiter ausbauen.
Betreffend Nuklearhaftung ist festzuhalten, dass die gegenwärtigen nationalen und internationalen Nuklearhaftungsregime in der Tat in hohem Maße unbefriedigend sind. Das österreichische Atomhaftungsrecht enthält für potentiell Geschädigte vorteilhaftere Regelungen als die internationalen Nuklearhaftungsregime. So sind im österreichischen Atomhaftungsgesetz keine Haftungsobergrenze und keine Kanalisierung sowie ein österreichischer Gerichtsstand vorgesehen.
Die Frage der Endlagerung abgebrannter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle ist eine zentrale Frage bei der energetischen Nutzung der Kernenergie. Daher beschäftigen sich zahlreiche Gremien auf europäischer Ebene mit diesem Thema. Österreich hat auch auf europäischer Ebene wiederholt deutlich gemacht, dass die ungelöste Entsorgungsproblematik der energetischen Nutzung der Kernenergie entgegensteht. Faktum ist jedoch, dass die bereits vorhandenen Mengen an abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen in jedem Falle dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend zu lagern, zu behandeln und letztlich zu entsorgen sind. In diesem Zusammenhang sei klargestellt, dass Anlagen zur End- und Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle grundsätzlich auch UVP-pflichtig sind.
Wie schon in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert, werde ich auch in Zukunft zu Bund-Länder-Koordinationsgesprächen auf politischer Ebene einladen. Diese Gespräche sind für ein gemeinsames Auftreten sehr wichtig.
Ich werde auch weiterhin alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen.
Zu Frage 4:
In Präzisierung der einleitenden Ausführungen wird betont, dass – wie im laufenden Regierungsprogramm festgehalten – die Bundesregierung in allen Fällen von kerntechnischen Anlagen, die negative Auswirkungen auf Österreich haben oder haben könnten, alle rechtlichen Möglichkeiten zur Wahrung der österreichischen Sicherheitsinteressen nutzen wird. Das gilt insbesondere für grenzüberschreitende UVP-Verfahren, aber auch für die Konsultationsmechanismen, die in den bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“ vorgesehen sind. Dies bedeutet auch, für maximale Transparenz und Partizipation einzutreten.
Bezüglich grenzüberschreitender UVP- und SUP-Verfahren darf auf die Internetseite des Umweltbundesamtes verwiesen werden:
(http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/kernenergie/uvp_kernkraft/). Dort werden im Auftrag des BMLFUW alle verfahrensrelevanten Unterlagen zu allen Verfahren, an denen sich Österreich beteiligt bzw. beteiligt hat, als umfassende Dienstleistung veröffentlicht.
Insgesamt reicht die Bandbreite rechtlicher Instrumente von Konsultationen im Rahmen der bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“ (Sicherheitsdialoge) über die Beteiligung an grenzüberschreitenden UVP- und SUP-Verfahren bis hin zu Klagen vor europäischen oder internationalen Gerichten. Letztere stellen eine „Ultima Ratio“ dar und werden nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.
Zu Frage 5:
Hinsichtlich der nachfolgenden Ausführungen ist festzuhalten, dass weder die Ergebnisse der Stresstests noch andere Sicherheitsberichte eine vergleichende Bewertung von Kernkraftwerken ermöglichen. Eine „Reihung“ von Kernkraftwerken ist grundsätzlich nicht möglich, da bis heute dafür keine anerkannte Methodik existiert. Auch die vielfach bemühten Risikoanalysen lassen eine derartige Reihung in seriöser Weise nicht zu.
Unbeschadet dessen wurde im Rahmen der Stresstests Beachtliches geleistet und die Ergebnisse enthalten eine Fülle wichtiger Erkenntnisse. Dies ist nicht zuletzt der aktiven Mitwirkung Österreichs zuzuschreiben. Allerdings ist das Mandat des Europäischen Rates vom März 2011, der eine Überprüfung aller kerntechnischen Anlagen in der EU mittels einer umfassenden und transparenten Risiko- und Sicherheitsbewertung gefordert hatte, noch nicht erfüllt. Hier fehlen noch ganz wesentliche Elemente wie konkrete Bewertungen für jede Anlage und verbindliche Umsetzungspläne für die Maßnahmen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die betroffenen nationalen Nuklearaufsichtsbehörden nationale Aktionspläne veröffentlichen sollen, die dann einer gesamteuropäischen Peer Review unter Mitwirkung aller Mitgliedstaaten unterzogen werden.
Zu den Fragen 6 und 7:
Eine Auflistung aller Gespräche, deren Inhalt und Ergebnisse, würde einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand implizieren. Ich versichere aber, dass ich mit meinen AmtskollegInnen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union „KKW-Pläne“ wiederholt zur Sprache und die ablehnende Position der österreichischen Bundesregierung klar zum Ausdruck gebracht habe. Daran werde ich auch in Zukunft festhalten.
Zu den Fragen 8 bis 11:
Generell gilt, dass diese Entwicklungen von meinen MitarbeiterInnen systematisch verfolgt werden. Ebenso gilt, dass die Projekte in den Nachbarstaaten Gegenstand des Informationsaustausches und der Konsultation im Rahmen der bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“ sind.
Darüber hinaus wird Österreich über Kernkraftwerksprojekte im Rahmen der grenzüberschreitenden UVP-Verfahren nach der ESPOO-Konvention bzw. nach der UVP-Richtlinie informiert und notifiziert bzw. fordert eine solche Notifizierung auch aktiv ein.
Auch die internationalen Gremien wie IAEO und OECD/NEA stellen hinsichtlich der energie- und nuklearpolitischen Entwicklungen insbesondere auf internationaler Ebene wichtige Informationskanäle dar und werden von meinen MitarbeiterInnen intensiv genutzt.
Zu den Fragen 12 und 13:
Die Anti-Atompolitik ist ein gemeinsames Anliegen aller Kolleginnen und Kollegen der österreichischen Bundesregierung. Naturgemäß stehe ich insbesondere mit dem Herrn Bundeskanzler sowie dem Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie dem Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Forschung in engem Kontakt und regelmäßigem Austausch.
Zu Frage 14:
Mit dem dreistufigen Verfahren – Berichte der Betreiber, Überprüfung durch nationale Behörden und gesamteuropäische Peer Review unter Mitwirkung auch der Nicht-Betreiberstaaten – wurde ein neuer und genuin europäischer Ansatz implementiert.
Das Erreichte stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Nuklearsicherheitssystem dar, dem jedoch noch weitere folgen müssen.
Alle relevanten, der Öffentlichkeit zugänglichen Dokumente im Zusammenhang mit den Stresstests und dem Stresstests Follow-up sind auf der Website der ENSREG (http://www.ensreg.eu/EU-Stress-Tests) abrufbar.
Zu Frage 15:
Fragen, die grundsätzliche Angelegenheiten der Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union betreffen, fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Es wird daher auf die Beantwortung nachfolgend angeführter parlamentarischer Anfragen verwiesen:
237/J-NR/2009-XXIV. GP (288/AB XXIV. GP) BMeiA
421/J-NR/2009-XXIV. GP (419/AB XXIV. GP) BK
526/J-NR/2008-XXIV. GP (535/AB XXIV. GP) BMLFUW
1139/J-NR/2009-XXIV. GP (1202/AB XXIV. GP) BK
1335/J-NR/2009-XXIV. GP (1396/AB XXIV. GP) BK
Grundsätzlich gilt nach wie vor, dass Österreich mit seinem Bestreben, den Euratom-Vertrag zu reformieren nicht alleine ist, jedoch die für die Einsetzung einer Regierungskonferenz erforderliche Mehrheit, insbesondere aber die für eine Änderung des Euratom-Vertrages erforderliche Einstimmigkeit, nach wie vor nicht gegeben ist. Es ist festzustellen, dass das politische Klima für eine inhaltliche Reform des Euratom-Vertrages in Europa derzeit – auch nach der Katastrophe von Fukushima – nicht eben günstig ist.
Der Bundesminister: