12742/AB XXIV. GP
Eingelangt am 08.01.2013
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Dezember 2012
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0259-I/4/2012
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12998/J vom 8. November 2012 der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen sind die allgemeinen Projektbeurteilungskriterien der EIB gemeinsam mit den in der aktuellen energiepolitischen Strategie (Clean Energy for Europe: A Reinforced EIB Contribution, Juni 2007, genehmigt vom EIB-Gouverneursrat im Juni 2007) festgehaltenen Leitlinien, ein angemessener und zweckmäßiger Rahmen zur Beurteilung von Projektanträgen im Energiebereich.
Eine wesentliche Einschränkung gibt es dabei nur im Bereich Nuklearenergie: Unabhängig davon, dass die aktuellen Leitlinien die Finanzierung solcher Projekte durch die EIB unter einer Reihe von einschränkenden Bedingungen zulassen, werden Projekte im Bereich der Nuklearenergie von Österreich aufgrund der österreichischen Nuklearpolitik in keinem Fall unterstützt.
Die allgemeinen Beurteilungskriterien fordern von jedem von der EIB unterstützten Projekt die Erfüllung dreier Kriterien:
· Die Projekte müssen zur Erreichung von EU-Politikzielen einen Beitrag leisten.
· Die Projekte müssen volkswirtschaftlich rentabel, finanziell und technisch tragfähig und umweltpolitisch nachhaltig sein. Weiters müssen sie in Einklang mit allen EU-Richtlinien stehen, vor allem auch mit jenen betreffend Umwelt und öffentliches Beschaffungswesen.
· Es muss ein genuiner Beitrag der Bank zur Projektrealisierung identifizierbar sein, entweder in Form eines finanziellen Vorteils durch günstigere Kreditkonditionen als sie im kommerziellen Bankensektor verfügbar wären und/oder durch Bereitstellung von technischer oder Finanzsektorexpertise.
Zu 1. und 11.:
Kredite für Kohlekraftwerke kommen für eine Unterstützung durch Österreich derzeit dann in Frage, wenn das fragliche Projekt neben den allgemeinen Projektbeurteilungskriterien der Bank weiters folgende Bedingungen erfüllt:
Das Projekt muss
· eine kostengünstigste Lösung (least cost solution) darstellen.
· Ersatzkapazitäten für Altanlagen darstellen und gleichzeitig die CO2 Intensität der Energieproduktion um zumindest 20% senken,
· die beste verfügbare Technologie („best available technology“) verwenden und
· Carbon Capture and Storage muss technisch möglich sein, sobald diese Technologie kommerziell verfügbar geworden ist.
Siehe auch Antwort auf Frage 10.
Zu 2. und 15.:
EIB-Kredite für Nuklearprojekte werden – wie auch bereits einleitend ausgeführt - durch Österreich generell nicht unterstützt.
Zu 3.:
Kredite für Gaskraftwerke kommen für eine Unterstützung Österreichs dann in Frage, wenn das fragliche Projekt den allgemeinen Projektbeurteilungskriterien der Bank entspricht und ihre Beurteilung auf Basis der besten verfügbaren Alternative basiert, letztere ist in den meisten Fällen CCGT (Combined Cycle Gas Turbines).
Zu 4.:
Die Finanzierung von Projekten im Bereich erneuerbare Energie sowie im Bereich Energieeffizienz haben im Rahmen der aktuellen energiepolitischen Leitlinien der Bank Priorität vor allen anderen Energieprojekten. Österreich begrüßt und unterstützt diese energiepolitische Orientierung der EIB vollinhaltlich.
Für Projekte im Bereich erneuerbare Energie gibt es hinsichtlich des allgemeinen Projektkriteriums wirtschaftliche Rentabilität zum Teil Sonderregelungen: Projekte, welche Technologien verwenden, die sich im Stadium kommerzieller Entwicklung befinden (emerging renewable energy technologies), müssen diesem Kriterium nicht voll genügen. Sie können auch unterstützt werden, wenn angenommen werden kann, dass die angewandte Technologie mittelfristig kommerziell rentabel werden kann und dass das fragliche Projekt zur Weiterentwicklung durch praktisches Lernen beiträgt. Weiters können Demonstrationsanlagen, welche hochinnovative Technologien verwenden, deren kommerzielles Potential noch nicht mit Sicherheit feststeht, als Forschungsprojekte finanziert werden.
Um als Projekt im Bereich Energieeffizienz klassifiziert zu werden, muss ein Projekt entweder den Energieverbrauch gegenüber der Situation vor der Investition um zumindest 20% reduzieren oder über den gesamten Lebenszyklus zu Einsparungen in Höhe von zumindest 50% der Investitionssumme führen.
Zu 5.:
Die EIB-Darlehen für Atomenergie beliefen sich zwischen 2007 und 2011 auf insgesamt 680 Mio. € und betrafen zwei Projekte im Bereich der Brennstoffanreicherung.
Zu 6.:
Die EIB-Darlehen für thermische Kraftwerke (Kohle, Öl, Gas) beliefen sich zwischen 2007 und 2011 über insgesamt 6,9 Mrd. €, wobei die Tendenz rückläufig ist. Mehr als zwei Drittel (4,6 Mrd. €) davon entfielen auf mit Gas befeuerte Anlagen.
Zu 7.:
Die EIB-Darlehen für Projekte in den Bereichen erneuerbare Energie und Energieeffizienz beliefen sich zwischen 2007 und 2011 auf 25,4 Mrd. €, davon 19,3 Mrd. € für RE-Projekte und 6,1 Mrd. € für Energieeffizienzprojekte, in beiden Fällen ist der Trend stark steigend.
Zu 8.:
Die neue EIB-Energiepolitik wird dem Verwaltungsrat der Bank voraussichtlich um die Jahresmitte 2013 vorgelegt. Nach Diskussion und Verabschiedung in diesem Gremium wird sie dem Gouverneursrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Informelle bilaterale Diskussionen mit dem Bankstab zum Thema sind bereits im Vorfeld in Aussicht genommen.
Zu 9.:
Die EIB wird gemäß Artikel 6 ihrer Satzung von einem Gouverneursrat (Lenkungsorgan auf Ministerebene), einem Verwaltungsrat (Lenkungsorgan auf Arbeitsebene) und einem Direktorium (operative Führung) geleitet. Die übrigen EU-Institutionen, insbesondere der Rat und der Europäische Rat, können an die EIB nur politische Empfehlungen richten, rechtlich ist sie in ihren Entscheidungen unabhängig.
Über Grundsatzdiskussionen zur EIB im Europäischen Rat und ECOFIN wird im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung zu diesen Tagungen berichtet. Eine darüber hinausgehende Einbeziehung des Nationalrats in die Geschäftstätigkeit der EIB ist im Einklang mit dem maßgeblichen Rechtsrahmen nicht vorgesehen.
Was die Überarbeitung der Energiepolitik im Einzelnen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die EIB selbst dazu eine öffentliche Konsultation eingeleitet hat, an der sich jede natürliche und juristische Person beteiligen kann. Diese Möglichkeit kann selbstverständlich auch von den im Nationalrat vertretenen politischen Parteien wahrgenommen werden.
Zu 10.:
Die Position der österreichischen Vertreter in den Lenkungsorganen der Bank orientiert sich an den Grundlinien der österreichischen Energiepolitik, wie sie unter anderem in der Regierungserklärung der Bundesregierung und dem Nationalen Reformprogramm Österreichs enthalten sind. Darin bekennt sich Österreich insbesondere zur Erreichung der EU-Ziele 20-20-20 bis 2020, zur Sicherstellung einer sicheren und leistbaren Energieversorgung, zum
bewussten und effizienten Umgang mit Energie und zu einer effizienten Nutzung der erneuerbaren Energien. Eine Position zu konkreten Einzelfragen wird zeitgerecht gemeinsam mit den sachlich federführend zuständigen Stellen erarbeitet werden.
Zu 12.:
Allfällige Finanzierungsanträge für Kohleabbau würden grundsätzlich, wie alle anderen Projektanträge auch, basierend auf den allgemeinen und sektorspezifischen Leitlinien der Bank geprüft werden. Im Hinblick auf die umwelt- und klimapolitische Problematik solcher Projekte sowie bei der energetischen Nutzung von Kohle ist es wenig wahrscheinlich, dass derartige Projekte alle relevanten Kriterien erfüllen könnten. Solche Projektvorschläge würden daher in der Regel schon bei der Prüfung auf technischer Ebene in der Bank ausgeschieden werden. Eine Zustimmung des österreichischen Vertreters im Verwaltungsrat wäre nur bei einer klaren positiven Bewertung aufgrund detaillierter und strenger Anwendung aller relevanten Kriterien denkbar, was in der Praxis kaum realistisch sein dürfte. Die EIB hat in den letzten 20 Jahren keine Kohle- oder Lignitbergbauprojekte finanziert.
Zu 13.:
Gas ist im Rahmen der geltenden energiepolitischen Leitlinien der Bank eine bessere Energiequelle als Kohle. Gleichzeitig sind die Risiken für die Umwelt in Zusammenhang mit den verfügbaren Technologien äußerst hoch. Die Projektbeurteilung wird sich insbesondere in diesem Spannungsfeld bewegen. Eine österreichische Zustimmung zu einem solchen Projekt wäre nur denkbar, wenn insbesondere auch ein politischer Konsens zwischen allen relevanten Stakeholdern an einem derartigen Projekt vorweg sichergestellt worden ist. Dies vor allem auch um signifikante Reputationsrisiken für die Bank zu vermeiden.
Zu 14.:
Die CCS Technologie befindet sich derzeit in einem frühen Erprobungsstadium und die aktuellen energiepolitischen Leitlinien der EIB würden die Finanzierung derartiger Projekte erlauben. Die Haltung des österreichischen Vertreters im Verwaltungsrat würde vom Projektdesign im Einzelfall abhängen, wobei die sachzuständigen energiepolitischen Experten in der Bundesverwaltung in die Meinungsbildung einbezogen werden würden.
Zu 16. bis 19.:
Die in diesen Fragen angesprochenen Bereiche sind bereits jetzt Prioritäten in den energiepolitischen Leitlinien der Bank und werden von Österreich nachhaltig unterstützt.
Österreich befürwortet auch eine weitere Erhöhung des Anteils von Projekten in den genannten Bereichen, zu Lasten von Projekten im Bereich der fossilen Energien.
Zu 20.:
Die EIB-Aktivitäten in Drittstaaten sollen die externen Politiken der EU möglichst wirksam unterstützen. Dafür ist deren enge Verschränkung mit den anderen Außenaktivitäten auf EU-Ebene eine wichtige Voraussetzung. Im Hinblick darauf, dass globale ökologische Fragen im Rahmen der externen EU-Politiken eine weiter zunehmende Rolle spielen, wird auch die weitere Verstärkung des Stellenwerts ökologischer Zielsetzungen in den EU-Außenaktivitäten von Österreich als eines der in diesem Bereich relevanten Ziele unterstützt.
Mit freundlichen Grüßen