12846/AB XXIV. GP
Eingelangt am 16.01.2013
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0290-Pr 1/2012 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 13079/J-NR/2012
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Kündigung des Vertrags mit pro mente plus in Linz und Salzburg“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
Am 1. Oktober 2011 waren bei pro mente plus GmbH in Linz 54 und in Salzburg 41, am 1. Oktober 2012 in Linz 77 und in Salzburg 48 nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB Untergebrachte und aus dieser Maßnahme bedingt Entlassene in Betreuung.
Zu 3 und 4:
Am 1. Oktober 2011 waren bei der pro mente plus GmbH in Linz 16 und in Salzburg 2, am 1. Oktober 2012 in Linz 11 und in Salzburg 3 Personen in Betreuung, bei denen nach § 45 StGB eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB bedingt nachgesehen wurde.
Zu 5 und 6:
Nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB Untergebrachte haben gemäß § 165 Abs. 1 Z 1 und § 166 Z 1 StVG das subjektiv-öffentliche Recht auf psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung (vgl. VwGH 25.11.2008, 2005/06/0029). Die Kosten dieser Behandlungen sind von der Vollzugsverwaltung zu tragen. Eine Bezahlung und Abrechnung durch ein Gericht ist in diesem Bereich nicht vorgesehen.
Die Entscheidung über die Übernahme der Kosten, die aufgrund einer Weisung zur Psychotherapie im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung entstehen (§ 179a Abs. 2 StVG), kommt gemäß § 179a Abs. 2 letzter Satz StVG dem für die Erteilung der Weisung zuständigen Gericht zu. Für Weisungen im Zusammenhang mit der bedingten Nachsicht einer vorbeugenden Maßnahme nach § 45 StGB gilt § 179a StVG sinngemäß (§ 51 Abs. 5 StGB).
Zu 7und 8:
Es ist mir bekannt, dass es in Folge der Umstellung der Verträge (siehe Fragepunkt 10) bei der Abrechnung zu Problemen gekommen ist. Statistisch auswertbare Daten, ob bzw. in wie vielen Fällen die bedingte Entlassung oder die bedingte Nachsicht vom Gericht aus diesem Grund widerrufen wurde, stehen mir jedoch nicht zur Verfügung. Eine händische Auswertung im Einzelfall wäre mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden.
Zu 9:
Ich halte den eingeschlagenen Weg, dass die Zahlung und Kontrolle der Rechnungen durch das für die Weisung zuständige Gericht erfolgen soll, für richtig. Diese Vorgangsweise entspricht auch einer Empfehlung des Rechnungshofs (siehe Fragepunkt 10). In meinem Ressort wird aber mit Nachdruck daran gearbeitet, Irritationen, die mit der erfolgten Umstellung zwangsläufig verbunden sind, zu minimieren und so schnell wie möglich zu beseitigen.
Zu 10 und 11:
§ 179a StVG normiert, dass einem bedingt Entlassenen die Weisung erteilt werden kann, sich weiterhin einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (§ 51 Abs. 3 StGB) oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen. Um zu gewährleisten, dass sich der bedingt Entlassene diese weisungsgemäßen Behandlungen bzw. Betreuungen auch leisten kann, bietet § 179a StVG zwei Möglichkeiten an: Der bedingt Entlassene nimmt dafür
entweder
(Abs. 1) die Dienste einer Forensischen Ambulanz, einer sozial-therapeutischen Einrichtung, eines Psychotherapeuten oder eines Arztes, mit denen das Bundesministerium für Justiz jeweils einen Vertrag abgeschlossen hat, über den die erbrachte Leistung direkt vom Bundesministerium für Justiz abgegolten wird, in Anspruch,
oder
(Abs. 2) er beantragt – sofern die Anspruchsvoraussetzungen dafür erfüllt sind – bei Gericht die Übernahme und Bezahlung dieser Kosten.
Bis zum Jahre 2011 wurden Kosten gemäß § 179a StVG sowohl über Verträge des Bundesministeriums für Justiz gemäß Abs. 1 leg. cit. getragen als auch im Wege gerichtlicher Kostentragungsbeschlüsse gemäß Abs. 2 leg. cit. über Antrag des bedingt Entlassenen oder auch der ihn behandelnden bzw. betreuenden Einrichtung direkt bezahlt. Verträge gemäß Abs. 1 leg. cit. wurden vom Bundesministerium für Justiz sowohl mit ambulanten als auch mit stationären Einrichtungen abgeschlossen.
Im Jahre 2006 wurde die Strafvollzugsorganisation mit Wirkung vom 1. Jänner 2007 insofern verändert, als zwischen die beiden Verwaltungsebenen Bundesministerium für Justiz und Justizanstalten eine Zwischenebene – die Vollzugsdirektion – eingezogen wurde. Diese Zwischenebene hat vor allem die bisherigen operativen Aufgaben des Bundesministeriums für Justiz und damit auch die Dotierung der Verträge gemäß Abs. 1 leg. cit. übernommen.
Dies hatte zur Folge, dass nun Kosten gemäß § 179a StVG von der Vollzugsdirektion, den Justizanstalten und den Gerichten bezahlt wurden.
Dieser Umstand wurde im Jahre 2010 vom Rechnungshof in seinem Prüfbericht zum Maßnahmenvollzug (Reihe Bund 2010/11) aufgezeigt (TZ 47) und bemängelt, dass die Kompetenz und Verantwortung über die Kostentragung der Nachbetreuung innerhalb des Bundesministeriums für Justiz nicht eindeutig geregelt war. Der Rechnungshof empfahl daher, die Kompetenzen und Verantwortung über die Kostentragung eindeutig zu regeln. Nach Auffassung des Rechnungshofes sollte die Zahlung und Kontrolle der Rechnungen beim Vollzugsgericht liegen, da dieses die Weisungen erteilt und deren Durchführung überwacht (TZ 47.2).
In Entsprechung dieser Empfehlung hat das Bundesministerium für Justiz in zwei Phasen – zuerst für den stationären und in der Folge für den ambulanten Bereich – das bisherige System der Kostentragung gemäß § 179a StVG mit der Zielsetzung umgestellt, dass Kosten gemäß § 179a StVG zukünftig ausschließlich von den Gerichten direkt bezahlt werden.
Demgemäß hat die Vollzugsdirektion mit Wirkung vom 31. Jänner 2011 sämtliche Verträge des stationären Bereiches gemäß § 179a Abs. 1 StVG beendet und das Bundesministerium für Justiz hat mit all diesen Einrichtungen – darunter auch die pro mente plus GmbH – mit Wirkung vom 1. Februar 2011 Verträge gemäß § 179a Abs. 3 StVG abgeschlossen, um den für die Gerichte dadurch entstehenden administrativen Aufwand zur Bestimmung der zulässigen ersatzfähigen Höhe der jeweiligen Betreuungsleistung zu minimieren.
In der Phase 2 wurde dieser Vorgang für den ambulanten Bereich wiederholt, wobei die Verträge gemäß § 179a Abs. 1 StVG mit Wirkung vom 30. Juni 2012 beendet und die Verträge gemäß § 179a Abs. 3 StVG mit Wirkung vom 1. Juli 2012 abgeschlossen wurden.
Durch diese Systemänderung wurde diese – ausschließlich auf bedingt entlassene Straftäter ausgerichtete – Norm auf ein Refundierungssystem umgestellt, wie es seit vielen Jahren in der Drogentherapie (§ 41 Suchtmittelgesetz - SMG) ohne besondere Probleme praktiziert wird.
Mit folgenden therapeutischen Einrichtungen wurden die Vereinbarungen gemäß Abs. 1 leg. cit. aufgekündigt und im Gegenzug Verträge gemäß Abs. 3 leg. cit. abgeschlossen:
· pro mente plus GmbH - Standorte Linz, Salzburg und Forensisch-Therapeutisches Zentrum Wien (FTZW)
· Verein Gesellschaft zur Förderung der Seelischen Gesundheit
· Institut für Sozialdienste, IfS, Gemeinnützige GmbH
· Verein Psychosozialer Pflegedienst Tirol - Fachbereich Forensik, Projekt RETURN
· Caritas für Menschen in Not (WEGE Wels)
· Emmausgemeinschaft St. Pölten - Verein zur Integration von sozial benachteiligten Personen
· Verein zur Förderung von Wohnraumbeschaffung – WOBES
· Pro Mente Steiermark Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit GmbH
· pro mente kärnten gmbh
Zu 12:
Da die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Kostenersatz gemäß § 179a StVG insgesamt unverändert geblieben sind, ist die Kostenübernahme durch den Bund für derartige Behandlungs- bzw. Betreuungsleistungen weiterhin im bisherigen Ausmaß gewährleistet. Soweit es dem Bundesministerium für Justiz möglich ist, hat es auch seinen Beitrag geleistet, damit die in den Jahren 2011 und 2012 realisierte Verrechnungsumstellung möglichst friktionsfrei erfolgen konnte. Die gesetzliche Verpflichtung, zu gewährleisten, dass ausreichende Kapazitäten für die Nachbetreuung bedingt Entlassener zur Verfügung stehen, trifft nicht die Justiz, sondern obliegt den dafür zuständigen Institutionen der Gesundheitspolitik auf Bundes- und Landesebene. Die Justiz kommt ihren diesbezüglichen Verpflichtungen durch eine Kostenersatzverpflichtung für derartige Leistungen ohnehin über das ihr hier obliegende Ausmaß nach.
Zu 13:
Als grundlegendes theoretisches Modell der Straftäterbehandlung hat sich in den letzten Jahren das Risk-Need-Responsivity-Modell (Risiko-, Bedürfnis- und Ansprechbarkeitsprinzip; Andrews und Bonta) durchgesetzt. Dieses postuliert die drei Grundprinzipien erfolgreicher Behandlung.
I. Wer ist zu behandeln? - Hier soll sich die Intensität der Behandlung am Ausmaß der individuellen Gefährlichkeit orientieren; bei Gruppen mit hohem Risiko sind also intensivere Interventionen vorzuhalten als bei niedrigem Risiko.
II. Was ist zu behandeln? - Die Behandlungsziele sollen sich aus den individuellen Delinquenzfaktoren ergeben, also denjenigen individuellen Defiziten und Dispositionen, welche in der persönlichen Kriminalitätsentwicklung ursächlich waren (z.B. mangelnde Selbstkontrolle, Alkoholprobleme usw.).
III. Wie ist zu behandeln? - Das dritte Prinzip fordert, dass bei der Behandlung die individuellen Lernvoraussetzungen (kognitive Fähigkeiten, Motivation, kultureller Hintergrund) angemessen berücksichtigt werden.
Die Einhaltung dieser Prinzipien hat sich in den letzten Jahren besonders im ambulanten gemeindenahen Setting als bedeutsam erwiesen.
Je nach individueller Voraussetzung können demnach neben psychotherapeutischen Behandlungen auch Trainingsmaßnahmen, Gruppenbehandlungen oder psychoedukative Interventionen das zweckmäßigste Mittel der Wahl sein. Insofern können auch diese Interventionen im Einzelfall eine zulässige Alternative zur Psychotherapie bilden.
Wien, . Jänner 2013
Dr. Beatrix Karl