12864/AB XXIV. GP
Eingelangt am 18.01.2013
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0287-I/A/15/2012
Wien, am 16. Jänner 2013
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 13117/J des Abgeordneten Doppler und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Falls der Verdacht auf eine Depression besteht, muss eine gründliche diagnostische Abklärung erfolgen. Erst dadurch wird eine gezielte Therapie ermöglicht und können depressionsauslösende Faktoren wie aktuelle Lebenssituation, Krankheiten, zur Behandlung von Krankheiten eingenommene Medikamente u.ä. berücksichtigt werden. Die genaue Beurteilung ist für die Wahl der Therapie, der Dosierung der Medikamente und die Dauer einer erfolgreichen Behandlung wichtig. Eine Besserung tritt nicht über Nacht ein, eine Behandlung dauert manchmal mehrere Monate.
Die Behandlung richtet sich dabei nach den modernen Therapieprinzipien der Psychiatrie und berücksichtigt psychologische, soziale und biologische Aspekte. Wie die diversen Therapiekomponenten gewichtet werden, hängt vom Schweregrad der Erkrankung, dem Verlauf und der individuellen Situation ab.
Eine Behandlung mittels spezifischer psychotherapeutischer Methoden ist vor allem bei leichten bis mittelschweren Depressionen indiziert. Auch bei bestehender Kontraindikation gegen Antidepressiva oder bei Ablehnung von Psychopharmaka durch die Patientin/den Patienten wird empfohlen, eine psychotherapeutische Behandlung zu erwägen (Härter et al. 2003).
Schwere Formen der Depression bedürfen in der Regel neben einer Psychotherapie auch der medikamentösen Therapie. Hinsichtlich medikamentöser Therapien ist anzumerken, dass im Erstattungskodex (EKO) zahlreiche Antidepressiva aus mehreren unterschiedlichen Wirkstoffgruppen angeführt sind. Diese Medikamente können öffentlich unter www.erstattungskodex.at eingesehen werden (ATC Code N06A).
Ebenso gilt bei schweren und chronisch verlaufenden Depressionen eine Behandlung mittels soziotherapeutischer Methoden als indiziert, die unter anderem die Einbeziehung der Angehörigen, die konkrete Vermittlung von Hilfen für die Alltagsbewältigung sowie Hilfen im Beruf umfassen. Soziotherapeutische Interventionen können weder die psychotherapeutischen noch die medikamentösen Interventionen ersetzen, sondern sind nur in Ergänzung dazu sinnvoll. In schweren Fällen werden auch stationäre Krankenhausaufenthalte sowie ambulante und stationäre (psychosoziale) Rehabilitation geleistet.
Ergänzend wird auf folgende sonstige Therapien hingewiesen:
Schlafentzugsbehandlung: Rasch und verlässlich wirksame antidepressive Methode, die jedoch keine Nachhaltigkeit hat. Neben dem Durchwachen der ganzen Nacht bewährt sich der partielle Schlafentzug, die Methode sollte stationär durchgeführt werden.
Lichttherapie: Erfolgt mit biologisch aktivem Licht. Als Einsatzgebiet gilt die saisonale Depression, die Kombination mit Antidepressiva ist sinnvoll. Wichtig ist, dass die Lichtintensität 10.000 Lux beträgt und das volle Wellenlängenspektrum umfasst.
Sport- und Bewegungstherapien: Diese können ebenso wie Musik- und Kunsttherapien und auch Ergotherapie hilfreich sein, sind jedoch ausschließlich additive Methoden.
Elektrokrampftherapie: Ist in der Behandlung der therapieresistenten Depression nach wie vor unverzichtbar. Die Anwendung ist jedoch durch einige Kontraindikationen, die in erster Linie die dafür notwendige Kurznarkose betreffen, limitiert.
Frage 2:
Mit Depressionen einher geht häufig eine erhöhte Erkrankungshäufigkeit. Menschen mit Depressionen konsultieren häufiger Ärztinnen/Ärzte für Allgemeinmedizin sowie Fachärztinnen/-ärzte und haben auch häufiger Krankenhausaufenthalte als der Durchschnitt der Bevölkerung (Urbas, E., Klimont, J., Bachinger, E. 2004; Wancata et al 2007). Eine adäquate Behandlung hilft nicht nur den Betroffenen und deren Angehörigen, sondern führt auch zu einer Entlastung des Gesundheitssystems.
Langjährige Erfahrungen zeigen, dass bereits bei einer mittelgradigen Depression
20 Stunden Behandlung zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik führen. Das bedeutet, dass die Betroffenen deutlich weniger bzw. keine Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche benötigen, weil sie wieder in die Lage versetzt werden, ihren Alltag zu bewältigen und berufstätig zu sein.
Anhand von Evaluierungsergebnissen aus zwei Ordinationen zeigte sich, dass durch multimodale Behandlungen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei 65% der Kinder und 73% der Eltern eine Besserung der Beschwerden festgestellt wurde.
Nach der neuesten deutschen S3-Leitlinie (DGPPN 2012) zur Depressionsbehandlung sollte bei leichter Depression eine „aktiv abwartende Haltung“ bezüglich einer Medikation eingenommen werden: Antidepressiva sollten nicht generell zur Erstbehandlung bei leichten depressiven Episoden eingesetzt werden, sondern allenfalls unter besonders kritischer Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses. Zur Behandlung einer akuten mittelgradigen und schweren depressiven Episode soll Patient/inn/en eine medikamentöse Therapie mit einem Antidepressivum angeboten werden. Dies basiert auf den Ergebnissen aus Metaanalysen zur Wirksamkeit von Antidepressiva (bei leichten depressiven Störungen sind Antidepressiva in der Wirksamkeit einem Placebo nicht überlegen).
Aus der großen Zahl der in Österreich anerkannten Psychotherapiemethoden gibt es erst für einige Verfahren wissenschaftliche Nachweise über die Wirksamkeit bei Depressionen im Sinne der evidenzbasierten Medizin: Kognitive Verhaltenstherapie, Interpersonelle Psychotherapie, Gesprächspsychotherapie, Psychodynamische Kurztherapien und die Systemische Familientherapie. Die Wirksamkeit dieser Verfahren wurde bei ambulanten Patient/inn/en mit leichten und mittelschweren Depressionen in randomisierten kontrollierten Studien gezeigt. Auf Grund der schnelleren Symptombesserung wird allerdings in der praktischen Versorgung häufig der Pharmakotherapie der Vorzug gegeben. Der Eintritt der Wirkung von Psychotherapie braucht länger, dafür gibt es Vorteile im Hinblick auf die Langzeitwirkung.
Fragen 3 bis 5:
Ich weise darauf hin, dass eine vollständige bzw. schlüssige Beantwortung dieser Fragen mangels der dafür erforderlichen Daten nicht möglich ist: Zahlen aus dem niedergelassenen Bereich können generell nicht genannt werden, da in diesem Bereich Diagnosen nicht in elektronisch auswertbarer, codierter Form vorliegen.
Auswertungen verordneter Medikamente sind tendenziell als zu hoch anzusehen, da Antidepressiva auch andere Einsatzgebiete haben (z.B. als unterstützende Medikation zur Schmerztherapie) bzw. deren einmalige Verordnung keinen gesicherten Rückschluss auf die Krankheitswertigkeit des Zustandes zulässt.
Krankenstandsdaten wiederum erfassen nur einen Ausschnitt der betroffenen Patient/inn/en.
Frauen sind grundsätzlich häufiger von der Diagnose Depression betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listet als spezifisch weibliche Risikofaktoren eine frühe Heirat, Teenager-Schwangerschaften oder die Bevorzugung von Brüdern auf. Darüber hinaus sind aber auch einkommensschwache Gruppen, ältere Personen sowie Menschen mit Migrationshintergrund besonders häufig betroffen.
Laut Bericht des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger „Psychische Gesundheit; Datenbasis 2009“ befinden sich insgesamt 65.000 Personen in psychotherapeutischer Behandlung.
Frage 6:
Grundsätzlich ist es Aufgabe der Österreichischen Ärztekammer als zuständiger Standesvertretung, die Ärzteschaft, insbesondere im Wege der Landesärztekammern, zu informieren. In den Diplom-Fortbildungsprogrammen und Schulungen, die von der Ärztekammer angeboten werden, spielen Depressionen und andere psychische Erkrankungen eine wesentliche Rolle.
Seitens der sozialen Krankenversicherung wurde im Jahr 2009 das Projekt „Analyse der Versorgung psychisch Erkrankter“ im Rahmen der BSC 2010 beauftragt. Unter Federführung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde gemeinsam mit der SGKK eine Ist-Analyse durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Analyse dienten als Grundlage für die Erarbeitung der „Strategie Psychische Gesundheit“, die im Februar 2012 beschlossen wurde.
Unter dem Motto „Krankheit verhindern - Versorgung verbessern - Invalidität verringern“ sind Maßnahmen zu entwickeln, die den rasanten Anstieg der psychischen Erkrankungen eindämmen, wobei der Focus insbesondere auf Gruppen mit erhöhtem Risiko gelegt wird.
Für die Krankenversicherungsträger insgesamt ist psychische Gesundheit ein wichtiges Handlungsfeld, das neben der vollen medizinischen Versorgung (entsprechende Leistungspositionen sind in den Honorarordnungen der Gesamtverträge der Krankenversicherungsträger vorgesehen) auch durch verschiedene Spezialangebote (z.B. bei der OÖGKK eine Clearingstelle für Psychotherapie) bedient wird. Zielgruppenspezifische Kommunikation stellt die umfassende Information einschlägiger Einrichtungen und betroffener Personen sicher. Durch das bereits erwähnte Projekt „Strategie Psychische Gesundheit“ soll die
Versorgung im psychischen Bereich durch ärztliche und nichtärztliche Leistungserbringer verbessert bzw. gezielt ausgebaut werden. In dieses Projekt sind alle Berufsgruppen, insbesondere auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, eingebunden.