12867/AB XXIV. GP
Eingelangt am 18.01.2013
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0290-I/A/15/2012
Wien, am 16. Jänner 2013
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 13127/J des Abgeordneten Doppler und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Fragen 1 bis 4:
Die Parkinson-Krankheit ist nicht nur eine Erkrankung motorischer Systeme, sondern auch des vegetativen Nervensystems, mit Auswirkungen auf sämtliche Aspekte des täglichen Lebens. Parkinson-Patient/inn/en leiden auch oft an Schmerzen, Schlafstörungen und Sekundärkomplikationen, wie z.B. sturzbedingten Verletzungen.
Patient/inn/en werden in erster Linie von Neurolog/inn/en in der niedergelassenen Praxis, in Krankenanstalten und Spitalsambulanzen, Universitätskliniken sowie Rehabilitationskliniken und auch von Ärzt/inn/en für Allgemeinmedizin behandelt. In der Versorgung spielen außerdem verschiedene Therapieberufe (Physio-, Ergotherapie, Logopädie), Fachärztinnen/-ärzte anderer medizinischer Disziplinen und Psycholog/inn/en sowie die Pflege- und Sozialberufe v.a. im fortgeschrittenen Krankheitsstadium eine wichtige Rolle.
Das Versorgungsnetz ist, v.a. auch im internationalen Vergleich, relativ dicht, wenngleich laufend an Erweiterungen gearbeitet wird.
Im Frühstadium werden die Patient/inn/en mit oralen Medikamenten und Substanzen, die über Hautpflaster wirken, behandelt, wobei alle international anerkannten Medikamente in Österreich zur Verfügung stehen.
Erforderlich sind außerdem oft Antidepressiva, Antidementiva, Antipsychotika und Substanzen zur Behandlung der Symptome des autonomen Nervensystems (Reizblase, niedriger Blutdruck, Obstipation).
Reichen orale und transdermale Therapien zur Kontrolle der motorischen Parkinson-Symptome nicht aus, in erster Linie bei starken Schwankungen der Medikamentenwirkung (motorische Komplikationen) mit Phasen von Bewegungseinschränkungen, sog. „Off-Phasen“, oder starken unwillkürlichen Bewegungen, meist in Phasen des Ansprechens der Medikamente („On-Phasen“, mit Dyskinesien) werden komplexere, durch Apparate unterstützte Therapien angewandt, um zu gewährleisten, dass ein gleichmäßiges Wirkstoffangebot erfolgt bzw. eine gleichmäßige Stimulation des motorischen Systems stattfindet:
1. Apomorphinpumpe: Seit langem ist die gute Wirkung des Apomorphins bei Parkinson bekannt. Nachteil ist, dass dieses Medikament sehr rasch Übelkeit und Erbrechen hervorruft. Die Gabe ist daher nur über ein Pumpensystem mit kontinuierlicher subkutaner Abgabe möglich.
2. Duodopa Pumpe: hier wird die Substanz (Levodopa oder Carbidopa) per Sonde direkt in den Dünndarm der Patient/inn/en gebracht. Die Wirksamkeit des Medikaments lässt sich damit deutlich steigern.
3. Die tiefe Hirnstimulation wurde 1987 von einer französischen Forschergruppe (Benabid & Pollak, Grenoble) in die Behandlung der Parkinson-Krankheit eingeführt. Nach Grenoble, Marseille und Paris war Wien das erste nicht‑französische Zentrum, wo diese Behandlung durchgeführt wurde. Seit Anfang dieses Jahrtausends genießt die tiefe Hirnstimulation einen fixen Stellenwert in der Behandlung der Parkinson-Krankheit. Mittlerweile gibt es weltweit über 80.000 implantierte Systeme, mehrere hundert davon in Österreich. Wichtig ist die Selektion der Patient/inn/en, da nur solche mit einer reinen idiopathischen Parkinson-Krankheit profitieren.
Durch spezifische hirnchirurgische Eingriffe, bei denen Elektroden in die Tiefe des Gehirns eingebracht werden, durch deren Aktivität hemmende Bewegungszentren blockiert werden (Tiefe Hirnstimulation des Nucleus subthalamicus, Globus pallidus, des Thalamus) können ebenso nachhaltige Verbesserungen der Beweglichkeit erreicht werden.
Pumpensysteme erlauben eine bessere Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der Patient/inn/en und punktuelle Gaben (Bolus). Streng genommen handelt es sich aber auch dabei um eine medikamentöse Behandlung. Im Wesentlichen profitieren die gleichen Patient/inn/en wie bei der tiefen Hirnstimulation.
Patient/inn/en, die eine Operation am Gehirn ablehnen, finden hier eine gute Alternative. Umgekehrt finden solche, welche nicht permanent mit einer externen Pumpe und einem Schlauch, sei es subkutan beziehungsweise im Magen, versorgt sein wollen, bei dem Vollimplantat der tiefen Hirnstimulation eine gute Option.
Diese apparateunterstützten Therapien, die schon jahrelang zur Verfügung stehen, werden v.a. in den Universitätskliniken Wien, Innsbruck und Graz, aber auch in einigen Landesspitälern, die Pumpentherapien auch in anderen Parkinson-Zentren, angeboten.
Alle drei Methoden helfen signifikant, haben aber auch Nebenwirkungen und Risiken und bedürfen einer sehr sorgfältigen Auswahl und Expertise. Der Zugang zu diesen auch kostenaufwendigen Therapien ist bei fachlicher Begründung in der Regel kein Problem. Erfreulicherweise gibt es dazu in Österreich genügend Expert/inn/en, sodass den Patient/inn/en auch eine gute Nachbetreuung zu Verfügung steht.
Die österreichische Parkinson-Gesellschaft (ÖPG; www.parkinson.at), eine medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft, hat kürzlich eine detaillierte Therapieleitlinie veröffentlicht, aus der die zu Verfügung stehenden medikamentösen Therapien motorischer Symptome entnommen werden können.
Zu medikamentösen Therapien ist allgemein anzumerken, dass im Erstattungskodex (EKO) zahlreiche Arzneispezialitäten aus der Gruppe der Antiparkinsonmittel angeführt sind. Diese Medikamente können öffentlich unter www.erstattungskodex.at eingesehen werden (ATC Code N04).
Seitens der Krankenversicherungsträger steht der gesamte Leistungskatalog zur Verfügung (ärztliche Hilfe, Medikamente, Psychotherapien, heilgymnastische und ergotherapeutische Therapien, allenfalls auch operative Therapien).
Wie der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mitteilt, wurden von den Krankenversicherungsträgern im Jahr 2011 insgesamt für 802.701 Verordnungen von Antiparkinsonmitteln Kosten von € 47.774.245 übernommen. Im Jahr 2009 waren es 703.637 Verordnungen mit Kosten von € 44.531.931.
Bei der Interpretation dieser Zahlen muss allerdings berücksichtigt werden, dass Antiparkinsonmittel teilweise nicht nur zur Therapie des Morbus Parkinson eingesetzt werden (Dopaminagonisten sind teilweise auch bei Restless-legs-Syndrom indiziert).
Frage 5:
Internationalen Studien zufolge wird die Prävalenz des idiopathischen (= ohne bekannte Ursache bzw. Pathomechanismus) Parkinson-Syndroms auf 100 bis 200 pro 100.000 Einwohner/innen geschätzt, in der Studie „Cost of disorders of the brain in Europe“, die 2005 im European Journal of Neurology publiziert wurde, wird für über 65-jährige Österreicher/innen eine Prävalenz von 16.226 Betroffenen angegeben (Andlin-Sobocki, Jönsson, Wittchen, Olesen 2005). Man geht davon aus, dass jährlich etwa 1.600 Neuerkrankungen dazukommen.
Hinsichtlich der Entwicklung der Zahl von an Parkinson Erkrankten ist festzuhalten, dass für das Parkinson-Syndrom in Österreich keine valide Prävalenz- bzw. Inzidenzangaben vorliegen. Meinem Ressort stehen aus der Diagnosen- und Leistungsdokumentation lediglich Daten über Krankenhausaufenthalte zur Verfügung. Da eine Person jedoch mehrmals mit derselben Diagnose in derselben oder in einer anderen Krankenanstalt stationär behandelt werden kann, erlauben diese Daten keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Anzahl der Patient/inn/en, zumal auch eine Zusammenführung mehrerer Aufenthalte ein- und derselben Person nicht möglich ist, da mein Ressort lediglich über anonymisierte Daten verfügt.