12946/AB XXIV. GP

Eingelangt am 31.01.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 13343/J der Abgeordneten Höfinger u.a. wie folgt:

Vorweg möchte ich festhalten, dass die in der Anfrage beschriebene Bestätigungspflicht telefonisch angebahnter Geschäfte dem Vorschlag der Regierung zu § 5e Abs 4 KSchG entspricht (1007 der Beilagen XXIV. GP), im Zuge des weiteren Gesetzgebungsprozesses jedoch abgeändert wurde. § 5e Abs 4 und 5 KSchG sieht für Verträge, die während eines gemäß § 107 TKG unzulässigen Anrufs ausgehandelt wurden, nunmehr die Nichtigkeit von Wett- und Lotteriedienstleistungen sowie primär eine Ausweitung der Rücktrittsfrist vor. 

 

Frage 1 und 2:

Es liegen mir derzeit keine Zahlen vor, welche einen genauen Vergleich des Beschwerdeaufkommens vor bzw nach Inkrafttreten der Novelle 2011 zulassen.

 

Alle zwei Jahre wird von meinem Haus ein Konsumentenbarometer erstellt. Die letzte Umfrage aus März 2011 (somit vor Inkrafttreten des Gesetzespaketes gegen Cold Calling) ergab, dass drei Viertel der befragten österreichischen VerbraucherInnen bereits durch Telefonwerbung belästigt worden waren. Ein Vergleich wird durch das Verbraucherbarometer 2013 erhoben werden können.

 

Wie im Konsumentenschutzausschuss 2011 gewünscht, wurden von meinem Ressort die Auswirkungen der Novelle 2011 beobachtet. Die größten Verbraucherschutzeinrichtungen – die Arbeiterkammern und der VKI – wurden gebeten, das Beschwerdeaufkommen aufgrund von unerbetener Telefonwerbung im ersten Jahr der Novelle zu erheben. Von Mai 2011 bis Ende April 2012 wurden von diesen Einrichtungen rund 9500 Beschwerden verzeichnet.

Von März bis Mai 2012 wurden über eine Online-Erhebung des VKI bzw über eine Telefonhotline Ausmaß und Methoden des Problems erhoben. Das Interesse der VerbraucherInnen an der Aktion war beachtlich, insgesamt beteiligten sich 1.301 KonsumentInnen. Das Ergebnis zeigt: Nach wie vor sind viele VerbraucherInnen unerbetenen Werbeanrufen ausgesetzt. Die Position für KonsumentInnen hat sich durch die KSchG und TKG Novelle 2011 nicht nachhaltig verbessert.

84% der Rückmeldungen der VerbraucherInnen bezogen sich auf Werbeanrufe nach dem Mai 2011, also nach den Novellierungen. Dem BMASK wurden Aufzeichnungen übermittelt, wonach ein Konsument allein in den ersten zehn Monaten nach den Novellen rund 230 Mal von werbenden Unternehmen angerufen wurde. Die häufigsten Beschwerden betrafen Gewinnspiele und Lotterien gefolgt von Telefondienstleistungen. 58% der Angerufenen fühlten sich durch den Anruf bedrängt, nur 45% gaben an, dass die gesetzlich verpflichtende Rufnummernangabe auch eingehalten worden sei.

Der Bericht ist unter http://www.bmask.gv.at/site/Konsumentenschutz/News veröffentlicht.

Nach Erhebung der nach wie vor bestehenden Probleme kann festgehalten werden, dass das Gesetzespaket zu Cold Calling in der Praxis leider nicht die erwünschte Wirksamkeit zeitigte.

Die Ergebnisse aus der Verbraucherberatung zeigen, dass der Markt auf § 5e KSchG schnell reagiert hat. Die Vorgaben wurden von Unternehmen bereits wenige Tage nach Inkrafttreten der Regelung umgangen, indem der Vertragsabschluss nicht „während des unzulässigen Anrufs“ erfolgte sondern Verbraucher unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verleitet wurden, einen Folgeanruf zu tätigen, während dessen der Vertragsabschluss stattfand – „Sie haben gewonnen, rufen Sie Ihren Gewinn unter folgender Gewinnhotline ab“. Im Gegenzug sieht § 5 Abs (4) jedoch eine große Hürde für den betroffenen Verbraucher vor: Dieser weiß in der Praxis nur selten, ob es sich um einen gemäß § 107 TKG unzulässigen Anruf handelt, d.h. ob er nicht irgendwann vor Jahren, wie vom Unternehmen behauptet, eine Einwilligung zu einem Werbeanruf erteilt hat. Die daraus resultierende Beweisproblematik führt dazu, dass VerbraucherInnen aus Angst vor einer Erhöhung der Forderung doch bezahlen und sich das Geschäft mit der unerbetenen Werbung nach wie vor rechnet.

Es bedarf daher dringend einer legistischen Nachbesserung, diesbezüglich verweise ich auf meine Antwort unter Frage 6.

Fragen 3:

Ausgehend von oben erwähnter Umfrage aus 2012 liegen nachfolgende Daten über die Branchenverteilung auf (vgl. S 22 des Projektberichts):

Die meisten Beschwerden der KonsumentInnen betreffen den Bereich Gewinnspiel / Lotterien (52,51%), gefolgt von Telefondienstleistungen (14,45%); Internet- / Fernsehdienstleistungen (7,08%), Zeitungen und Zeitschriften (4,13); Geldanlage / Versicherungen / Banken (4,13%).


Frage 4:

Mangels konkret vergleichbarer Daten vor 1.5.2011 können Bewegungen innerhalb der Beschwerdesegmente lediglich auf Basis der Rückmeldungen von VerbraucherberaterInnen wiedergegeben werden. Im Rahmen der Beratung ist ein leichter Rückgang aus dem Bereich Gewinnspiel/Lotterien zu bemerken.

Frage 5:

Die Erhebung des VKI zeigt, dass von Cold Calling alle Altersgruppen betroffen sind. Am stärksten betroffen ist die Altersgruppe der 50 bis 60jährigen (24%). Im Rahmen der Umfrage wurden andere Alterskohorten gewählt als in der vorliegenden Anfrage, nach dem uns vorliegenden Datenmaterial zeigt sich die Altersverteilung wie folgt (vgl S 19 des Projektberichts):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frage 6:

Im Rahmen der Diskussionen zur derzeit umzusetzenden Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (RL 2011/83/EU) zeigte sich, dass unerbetene Werbeanrufe in vielen Mitgliedstaaten ein Problem darstellen, weshalb nach einer EU-weiten zivilrechtlichen Lösung für diese Problematik gesucht wurde.

Art 8 Abs 6 der Verbraucherrechte-Richtlinie ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Problemen bei fernmündlichen Vertragsabschlüssen mittels gesetzlicher Formvorgaben zu begegnen. Konkret sieht die Regelung als Voraussetzung für die Gültigkeit eines fernmündlich verhandelten Vertrags eine schriftliche Bestätigung des Vertragsanbots durch den Unternehmer vor. Der Verbraucher hat dieses Anbot sodann zu unterzeichnen oder sein schriftliches Einverständnis zu übermitteln. Diese Regelung verbessert die Beweislage für beide Vertragsparteien. Für jene Unternehmen, welche missbräuchlich mittels unerbetener Telefonwerbung operieren und Verbrauchern aus behaupteten mündlich geschlossenen Verträgen zur Kasse bitten, würde diese Regelung eine ernstzunehmende Hürde darstellen. Der Ansatz wäre somit vergleichbar mit der Regierungsvorlage zu § 5e KSchG (1007 der Beilagen XXIV. GP).

Ich bin der Meinung, dass wir auf die bisher gemachten Erfahrungen beim Versuch diese missbräuchliche Praktik einzudämmen reagieren und die Lösungsmöglichkeit der Verbraucherrechte-Richtlinie jedenfalls ergreifen sollten.

Der Vollständigkeit halber weise ich auch darauf hin, dass unerbetene Telefonwerbung auch einen Verstoß gegen Art 13 der Richtlinie 2009/136/EG darstellt und als solcher im Rahmen des EU-weiten Behördenkooperationsnetzwerkes zur Abstellung von Verstößen gegen EU-Recht verfolgt werden kann. Österreich hat diese Regelung mit BGBL I Nr 102/2011 umgesetzt, zuständig sind die vier Fernmeldebüros.