13227/AB XXIV. GP
Eingelangt am 21.02.2013
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0325-Pr 1/2012 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 13482/J-NR/2012
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Folgen des sogenannten Tierschützerprozesses“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Ich gehe davon aus, dass dies noch im Jahr 2013 erfolgen wird.
Zu 2:
Derzeit wird eine Änderung des § 278d StGB im Hinblick auf eine Empfehlung der Financial Action Task Force (FATF) erwogen.
Zu 3:
Das StEG gewährt unter bestimmten Voraussetzungen einen Ersatzanspruch für den Schaden, den eine Person durch den Entzug der persönlichen Freiheit zum Zweck der Strafrechtspflege oder durch eine strafgerichtliche Verurteilung erlitten hat. So steht ein Ersatzanspruch etwa einer Person zu, die wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung festgenommen oder in Haft gehalten und in der Folge durch ein inländisches Gericht in Ansehung dieser Handlung freigesprochen wurde.
Gegenstand und Umfang des Ersatzes richten sich nach den Bestimmungen des ABGB, wobei der Schaden nur in Geld zu ersetzen ist. Der Ersatzanspruch umfasst auch eine angemessene Entschädigung für die durch die Festnahme oder Anhaltung erlittene Beeinträchtigung (immaterieller Schaden). Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind die Dauer der Anhaltung sowie die persönlichen Verhältnisse der geschädigten Person und deren Änderung durch die Festnahme oder Anhaltung zu berücksichtigen. Ersetzt werden ferner auch die haftkausalen materiellen Schäden wie etwa der Verdienstentgang oder die Kosten der notwendigen Verteidigung, sofern sie durch die Haft verursacht wurden.
Allfällige Ersatzansprüche nach dem AHG (vgl Frage 4) bleiben durch das StEG unberührt.
Zu 4:
Voraussetzung für einen Ersatzanspruch nach dem AHG ist – neben dem Eintritt eines Schadens – insbesondere das Vorliegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Organverhaltens. Ein solches liegt freilich nicht bereits dann vor, wenn die einer Anklageerhebung bzw. einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegende Rechtsansicht vom (übergeordneten) Gericht letztendlich nicht geteilt wird. Vielmehr muss sich die betreffende Vorgehensweise gemessen an den gesetzlichen Vorgaben und der herrschenden Rechtsprechung und Lehre als unvertretbar erweisen. Ob und inwieweit dies im Zusammenhang mit dem hier angesprochenen Strafverfahren im Rahmen eines Aufforderungsverfahrens nach § 8 AHG bzw. einer Amtshaftungsklage allenfalls noch behauptet werden wird, kann das Bundesministerium für Justiz nicht beurteilen.
Was den möglichen Schaden in Form von Verteidigerkosten angeht, so wurde nach dem Informationsstand des Bundesministeriums für Justiz im Rahmen des relevierten Verfahrens zu 41 Hv 68/09z des Landesgerichts Wiener Neustadt (zumindest) neun Angeklagten die (die Beigebung eines Verteidigers mitumfassende) Verfahrenshilfe bewilligt. Den Betreffenden kann insofern in Ansehung der (bzw. des entsprechenden Teils der) Verteidigerkosten kein Schaden entstanden sein, weil diese von ihnen nicht zu tragen sind.
Zu 5:
Hinsichtlich der derzeitigen Höchstbeträge gibt es einerseits budgetäre Sachzwänge, andererseits fehlt es am gesetzlichen Tarif für die Verteidigungsleistungen im Strafverfahren, sodass diesbezüglich mit der Anwaltschaft Gespräche zu führen sind.
Zu 6:
Es gab keine Weisung, die Tierschützer (auch) wegen § 278a StGB anzuklagen.
Zu 7:
Selbstverständlich orientierte sich im Verfahren die Frage einer Anklageerhebung nach den in § 210 StPO normierten Voraussetzungen. Die befassten Staatsanwaltschaften sowie die für die Fachaufsicht zuständige Abteilung meines Hauses haben sich auf Basis der geltenden Rechtslage und in vertretbarer Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse für die Einbringung dieser Anklage, somit auch wegen § 278a StGB, entschieden.
Dass das Erstgericht nach Durchführung eines äußerst umfangreichen Beweisverfahrens letztlich zur Ansicht gelangt ist, einzelne Tatbestandselemente des inkriminierten § 278a StGB könnten nicht oder nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ist als Akt der unabhängigen Rechtsprechung zu respektieren. Es zeugt von einer funktionierenden Strafjustiz, wenn das Gericht die Rechtsansicht und Beweiswürdigung der - ebenfalls zur Objektivität verpflichteten - Staatsanwaltschaft nochmals einer eigenständigen Prüfung unterzieht und dabei auch zu anderen Schlussfolgerungen gelangen kann. Dies ist laut Sicherheitsbericht 2011 in etwa 15,5% der Anklagen der Fall (Freispruchsquote).
Die im konkreten Verfahren gefällten Freisprüche lassen keinesfalls den Schluss zu, dass es sich bei der Anklageerhebung um eine „politisch motivierte Aktion“ gehandelt habe, die „unangenehme Aktivisten mundtot machen sollte“. Ich verwahre mich auch gegen die aus der Fragestellung ableitbare Tendenz, Entscheidungen der Staatsanwaltschaften davon abhängig zu machen, welche Wirkung sie in der Öffentlichkeit erzeugen könnten.
Das bestehende Gefüge von Berichtspflichten und fachaufsichtsbehördlicher Prüfung bei Strafverfahren von besonderem öffentlichem Interesse hat sich grundsätzlich bewährt. Dieses System weiter zu verbessern und noch effizienter zu machen, ist derzeit Ziel einer hochrangigen Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Justiz.
Wien, . Februar 2013
Dr. Beatrix Karl