13338/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.03.2013
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0005-I/3/2013

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 12. März 2013

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen

                        und Kollegen vom 16. Jänner 2013, Nr. 13586/J, betreffend

                        Bewertung Ökosysteme

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen vom 16. Jänner 2013, Nr. 13586/J, teile ich Folgendes mit:

 

Grundsätzliches:

 

In der Mitteilung der Kommission „Biologische Vielfalt - Naturkapital und Lebensversicherung: EU-Strategie zum Schutz der Biodiversität bis 2020“, KOM(2011) 244 endgültig/2, ist zur Erreichung des Ziels 2 als eine Maßnahme Folgendes festgehalten:

„Die Mitgliedstaaten werden mit Unterstützung der Kommission den Zustand der Ökosysteme und Ökosystemdienstleistungen in ihrem nationalen Hoheitsgebiet bis 2014 kartieren und bewerten, den wirtschaftlichen Wert derartiger Dienstleistungen prüfen und die Einbeziehung dieser Werte in die Rechnungslegungs- und Berichterstattungssysteme auf EU- und nationaler Ebene bis 2020 fördern.“

 

Der Rat hat in den Schlussfolgerungen dazu (KOM 11978/11 vom 23. Juni 2011) festgehalten, dass er die Strategie zusammen mit ihren Zielen zur Erreichung des Gesamtziels für 2020 unterstützt. Zu den Maßnahmen wurde festgestellt, dass sie weiterer Beratungen bedürfen. In den Schlussfolgerungen des Rates vom 19. Dezember 2011 (KOM 18862/11) wurde die Europäische Kommission (EK) eindringlich aufgefordert, auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten bereits geleisteten Arbeiten die Modalitäten und den Umfang der genannten Arbeiten zur Kartierung und Bewertung des Zustands von Ökosystemen und  Ökosystemdienstleistungen festzulegen.

 

Die EK hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzt. Österreich ist in dieser Arbeitsgruppe „Monitoring and Assessment of Ecosystems and their Services (MAES)“ durch eine Mitarbeiterin des BMLFUW vertreten.

 

Das BMLFUW unterstützt die Aktivitäten der EK auf diesem Gebiet, eine nach Möglichkeit EU-weit einheitliche und machbare Vorgangsweise für die Zustandsbeurteilung von Ökosystemen und die Bewertung von Ökosystemleistungen anzustreben.

 

Aufgrund der Mitteilung der EK und den Bezug habenden Schlussfolgerungen des Rates besteht nicht nur keine einklagbare Verpflichtung, den Zustand der Ökosysteme und Ökosystemdienstleistungen in Österreich bis 2014 zu kartieren und zu bewerten, sondern es scheint zudem angebracht, die Arbeiten in Abstimmung mit den internationalen, insbesondere den EU-Aktivitäten, durchzuführen.

 

Zu Frage 1:

 

In Österreich gibt es eine Vielzahl an Aktivitäten, mit denen der Zustand von Ökosystemen und der Status der biologischen Vielfalt erfasst wird.

 

Zu den Fragen 2 und 3:

 

Erhebungen der Wassergüte werden von Bund und Ländern seit Anfang der 60er-Jahre durchgeführt. Die Ergebnisse werden in Karten dargestellt. Die österreichische Waldinventur wird seit 1961 durchgeführt. Die Länder haben Mitte der 80er-Jahre begonnen, Bodenzustandserhebungen durchzuführen.


2008 wurde der erste Bericht zur Erfassung des Zustands der biologischen Vielfalt vom BMLFUW veröffentlicht.

 

Auch für die Darstellung von Ökosystemdienstleistungen auf Karten wird auf Erhebungen aus verschiedenen Themenbereichen zurückgegriffen werden. Die laufenden Arbeiten in der MAES Arbeitsgruppe befassen sich unter anderem damit, wie dafür ein gemeinsamer Rahmen gefunden werden kann. Dabei beeinflussen sowohl der Anwendungszweck als auch der Maßstab, für den die Darstellungen aussagekräftig sein sollen, die zu wählende Methodologie. Durch die Mitarbeit des BMLFUW in der dazu von der EK eingerichteten Arbeitsgruppe soll erreicht werden, dass die zu erarbeitende Methode mit den nationalen Arbeiten kohärent ist, damit auch effizient und kostensparend umgesetzt werden kann.

 

Zu Frage 4:

 

Die monetäre Bewertung von Ökosystemen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Zugängen ist eine sehr komplexe und vielschichtige Angelegenheit, die bisher nur ansatzweise versucht wurde. In manchen Ansätzen werden etwa die Wiederherstellungskosten bestimmter Ökosysteme herangezogen, in anderen der Aufwand zur Verhinderung von Schäden usw. In der Arbeitsgruppe der EK wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass weder alle Ökosystemleistungen noch alle ihre genutzten Aspekte monetär bewertet werden können.

 

Mit der von der UN beauftragten TEEB-Studie („The Economy of Ecosystems and Biodiversity“) wurde versucht, den wirtschaftliche Nutzen, den Ökosysteme für die Gesellschaft haben, an einigen Beispielen abzuschätzen. Demnächst wird eine TEEB-Studie für Europa erwartet.

 

Es gibt derzeit keine Vorgaben für eine monetäre Bewertung von Ökosystemen und ihre Leistungen. In Österreich wird eine monetäre Bewertung von Ökosystemen dann durchgeführt werden, wenn die bei der EK eingerichtete Arbeitsgruppe den methodischen Ansatz dazu erarbeitet hat.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Einige EU-Mitgliedstaaten haben ein „Assessment“, also eine Bewertung von Ökosystemen publiziert, etwa Großbritannien oder Spanien. Darin werden vor allem die Funktionen von Ökosystemen beschrieben, die Bedeutung der einzelnen Landbedeckungsformen für einzelne Ökosystemleistungen abgeschätzt und die Gefährdungen aufgezeigt, eine monetäre Bewertung wird nicht durchgeführt.


Zu den Fragen 7 und 8:

 

Die Europäischen und internationalen Arbeiten zur Festlegung solcher Methoden sind erst am Anfang. Es kann noch nicht beurteilt werden, ob innerhalb der Wälder überhaupt Unterscheidungen getroffen werden können. Demnach liegen auch noch keine Daten und Analysen vor. Österreich verfolgt den Grundsatz der multifunktionalen Waldbewirtschaftung. Eine Unterscheidung in die in der Anfrage erwähnten Kategorien wird in Österreich nicht getroffen. In Österreich gibt es z.B. Wälder, die aus Biodiversitäts-Relevanz unter Schutz gestellt werden (z.B. Kernzonen eines Nationalparks). Überlegungen zur Bewertung in monetärer Weise sind erst zu einem späteren Zeitpunkt angedacht.

 

Zu den Fragen 9 bis 11:

 

Nach der derzeit vorgesehenen Klassifikation der Ökosystemleistungen ist die Bestäubung nur ein Teil der Ökosystemleistungen zur „Regulierung und Erhaltung“. Inwieweit sie daher gesondert bewertet werden soll, ist noch offen, Daten liegen dazu noch nicht vor.

 

Zu Frage 12:

 

Bis zum Jahr 2006 musste ein stetiger Rückgang sowohl der ImkerInnen als auch der Bienenvölker verzeichnet werden. Seit dem Jahr 2006 konnte erfreulicherweise eine Trendumkehr festgestellt werden. Die Zahl der ImkerInnen erhöhte sich von 2006 bis 2012 um 9 %, die der Bienenvölker sogar um 21 %. Der ökonomische Nutzen der Bestäubungsleistung der Honigbienen ist somit nicht gefährdet.

 

Zu Frage 13:

 

Bereits seit dem Jahr 1997 wird u.a. die Ausbildung der Imker durch die Sonderrichtlinie des BMLFUW für die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen von Bienenzuchterzeugnissen gemäß VO (EG) Nr. 1234/2007 (Imkereiförderung) gefördert. Insbesondere die Förderung für Neueinsteiger wird sehr gut angenommen und trägt somit zur positiven Entwicklung der Imkerzahlen bei.

 

Zu Frage 14:

 

Untersuchungen haben folgendes Ergebnis gebracht:

·       Versiegelungen und Abholzungen haben einen nennenswerten Einfluss bei kleinen Einzugsgebieten.


·       Je größer das Einzugsgebiet ist, umso geringer ist dieser Einfluss.

·       Die Wirksamkeit der Wasseraufnahme von Böden hängt von ihrer Vorbefeuchtung ab.

 

Zu Frage 15:

 

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G 2000) unterwirft Vorhaben ab einer gewissen Größe einer detaillierten Umweltprüfung. Für bestimmte Vorhabenstypen wie beispielsweise Schigebiete, Rodungen, Vorhaben zur Rohstoffgewinnung, Infrastrukturprojekte (z.B. Freizeitparks, Industrie- und Gewerbeparks, Einkaufszentren, Städtebauvorhaben) sowie auch Straßen- und Schienenprojekte ist der Flächenverbrauch auslösender Parameter für eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

 

In einer Umweltverträglichkeitsprüfung müssen die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, darunter auch auf das Schutzgut Boden beschrieben und bewertet werden. Der Projektwerber hat je nach Erheblichkeit der Auswirkungen Maßnahmen zu deren Vermeidung oder Verminderung sowie, falls diese erschöpft sind, Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zu treffen.

 

In der Praxis werden der Flächenverbrauch eines UVP-pflichtigen Vorhabens und die damit verbundenen Auswirkungen daher dargestellt, eine gesetzliche Verpflichtung zur Minimierung des Flächenverbrauchs gibt es jedoch im UVP-G 2000 nicht. Das UVP-Verfahren trägt meist zur Optimierung des Projekts bei, es kann jedoch nicht strategische Lösungen bieten. Ein UVP-Verfahren ist überdies nur für große Projekte verpflichtend und kann eine schleichende Versiegelung von Flächen nicht verhindern. Um einer fortschreitenden Flächenversiegelung –etwa durch die Errichtung von Bauten oder Verkehrswegen – entgegenzuwirken, müsste vielmehr in der Raumordnung (Flächenwidmung) angesetzt werden. Gemäß Artikel 15 B-VG liegt diese jedoch in Gesetzgebung und Vollziehung grundsätzlich im Zuständigkeitsbereich die Länder.

 

Zu Frage 16:

 

Die Erfassung des Zustands von Ökosystemen und ihrer Veränderungen einschließlich deren Ursachen ist Grundlage für ihren ausreichenden und zielführenden Schutz. Mit dem Konzept der Ökosystemleistungen soll der Wert, den „gesunde“ Ökosysteme und die biologische Vielfalt für Wohlfahrt und Wohlbefinden der Menschen haben, illustriert werden. Ein wichtiger Aspekt dieser Bemühungen ist die Bewusstseinsbildung, etwa die Steigerung des Bewusstseins für die Funktion von Wäldern, Auen oder Uferbereichen für den Schutz vor Naturkatastrophen.


Mit den Darstellungen von Ökosystemleistungen auf Karten möchte die EK erreichen, dass bei Planungen der ökosystemare Ansatz zur Anwendung kommt.

 

Zu Frage 17:

 

Es ist noch offen, wie die Bewertung erfolgen wird. Ökosysteme erfüllen meist nicht nur eine Funktion. Für eine Reihung von Ökosystemen nach ihrer Wertigkeit wäre es notwendig, die Einzelbewertungen zusammenzufassen. Aber dies und andere damit verbundene Fragen sind noch offen.

 

Zu Frage 18:

 

Das BMLFUW ist aktiv in die Arbeiten auf Europäischer Ebene eingebunden, um Kohärenz und Übereinstimmung sicherzustellen.

 

Zu Frage 19:

 

Die Maßnahme 5 der Mitteilung der Kommission „Biologische Vielfalt - Naturkapital und Lebensversicherung: EU-Strategie zum Schutz der Biodiversität bis 2020“, KOM(2011) 244 endgültig/2, wurde neben 2 weiteren Maßnahmen zur Erreichung des Ziels 2 formuliert. Dieses lautet: „Bis 2020 Erhaltung von Ökosystemen und Ökosystemdienstleistungen und deren Verbesserung durch grüne Infrastrukturen sowie Wiederherstellung von mindestens 15 % der verschlechterten Ökosysteme.“

 

Die Erfassung und (ökonomische) Bewertung der Biodiversität und ihrer Leistungen wird generell vor allem auch als Steuerungsinstrument zur Beurteilung verschiedener Maßnahmen im Hinblick auf Biodiversitätsschutz und als Instrument zur Rechtfertigung umweltpolitischer Maßnahmen eingesetzt. Durch Einbeziehung in die verschiedenen Wirtschaftssektoren soll die Erhaltung der Biodiversität und ihrer Leistungen vor allem auch als politisches Querschnittsthema etabliert werden.

 

Die Bewertung der Biodiversität und ihrer Leistungen wird dabei vor allem mit zwei Argumenten untermauert:

 

o  Biodiversität und Ökosystemleistungen haben neben dem intrinsischen auch einen großen wirtschaftlichen Wert, der jedoch von den Märkten nur selten wiedergespiegelt wird. Das Nichtvorhandensein eines „Preises“ für die Natur führt zu Nutzungskonflikten und folglich Biodiversitätsverlusten.


o  Biodiversitätsverluste und Maßnahmen zur Wiederherstellung sind mit Kosten verbunden, die der Gesellschaft bzw. auch den Wirtschaftsakteuren in den verschiedenen Sektoren teuer zu stehen kommen.

 

Die EK sieht die umfassende Bewertung der Biodiversität und ihrer Leistungen als einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der strategischen Ziele im Bereich der ressourceneffizienteren und klimaresistenteren Wirtschaft mit geringerem CO2-Ausstoß, der Vorreiterrolle in Forschung und Innovation sowie der Schaffung neuer Arbeitsplätze und Wirtschaftschancen.

 

Ergänzend dazu wird aus wasserrechtlicher Sicht beispielhaft Folgendes festgehalten:

Die Vorgaben des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans 2009 basieren auf den Zielen und Grundsätzen des Wasserrechtsgesetzes 1959 sowie der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG, wonach die Wasserwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung zum Schutz und zur Reinhaltung der Ressource danach auszurichten ist, dass Beeinträchtigungen der Gesundheit von Tieren oder des Landschaftsbildes vermieden werden können; dass der Zustand der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf ihren Wasserhaushalt geschützt und verbessert werden; dass eine Verbesserung der aquatischen Umwelt, u.a. durch spezifische Maßnahmen zur schrittweisen Reduzierung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten von gefährlichen Schadstoffen gewährleistet wird.

 

Der Bundesminister: