13357/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.03.2013
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

BMJ-Pr7000/0009-Pr 1/2013


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

 

Zur Zahl 13573/J-NR/2013

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Offenlegungspflicht von Jahresabschlüssen von Kapital- und Personengesellschaften für die Bilanzjahre 2009 und 2010“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Aus Anlass der Anfrage habe ich eine Auswertung der Bundesrechenzentrum GmbH einholen lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auswertung der angefragten Daten – so sie möglich war – nur durch eine maßgeschneiderte und komplexe Abfrageprogrammierung der Bundesrechenzentrum GmbH erfolgen konnte; daraus können sich bedeutende statistische Unschärfen ergeben, zumal – wie schon zur Voranfrage hingewiesen – die verwendeten Parameter zum Teil keine exakte, sondern nur eine annäherungsweise  Zuordnung erlauben.

Die Höhe der tatsächlichen Einnahmen aus in diesem Zusammenhang verhängten Strafen kann weder aus dem Datenbestand der Verfahrensautomation Justiz noch mit den Mitteln des Haushaltsrechts beantwortet werden, weil die Einnahmen aus den konkret angefragten Zwangsstrafen nicht gesondert abfragbar sind. Dies betrifft die Fragen 4.2, 4.5, 4.6, 5.2, 5.3 und 6.4.


Die Fragen 4.7, 4.8, 5.4, 5.5, 6.2, 6.5, 6.6 und 13 konnten mangels geeigneten Datenmaterials nicht ausgewertet werden.

Soweit die Bundesrechenzentrum GmbH dem Auswertungsauftrag nachkommen konnte, sind die übermittelten Daten der Anfragebeantwortung zu Grunde gelegt.

Zu 1 bis 4, 6 und 8:

Mit 1. März 2011 ist eine Reform des Zwangsstrafenverfahrens in Kraft getreten. Seither ist ein System eingerichtet, das (ausgehend vom Bilanzstichtag) bei fehlender Eintragung eines Jahresabschlusses innerhalb von 9 Monaten die Bestrafung vorschlägt. Das Rechtsprechungsorgan kann dazu eine Liste jener Rechtsträger aufrufen, die einen Bilanzstichtag eingetragen haben und daher als offenlegungspflichtig in Betracht kommen. Auf der Liste scheinen alle Rechtsträger und deren vertretungsbefugte Organe iSd § 283 UGB auf,

·       die prinzipiell für eine Offenlegungspflicht in Frage kommen und

·       einen Bilanzstichtag eingetragen haben,

·        sofern und solange die Offenlegung eines Jahresabschlusses nach Ablauf von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag nicht eingetragen wurde.

Es obliegt aber nicht dem Firmenbuchgericht, die „inhaltliche Richtigkeit“ der Jahresabschlüsse schlechthin zu prüfen. § 282 Abs. 1 UGB sieht vor, dass das Gericht zu prüfen hat, ob die gemäß §§ 277 bis 281 UGB offenzulegenden Unterlagen vollzählig zum Firmenbuch eingereicht und ob, soweit Veröffentlichungen vorgeschrieben sind, diese veranlasst worden sind. Die Rechtsprechung bejaht darüber hinaus eine Prüfpflicht hinsichtlich der Einhaltung der Formvorschriften (hinsichtlich der Angabe von Vorjahreszahlen z.B. 6 Ob 626/09m), die bei Kapitalgesellschaften nach § 258 Abs. 1 AktG und § 125 GmbHG, jeweils in Verbindung mit § 281 Abs. 1 UGB, auch erzwungen werden kann.

Die inhaltliche Prüfung der Rechnungslegungsunterlagen ist demgegenüber nach dem Gesetzeskonzept (das insofern der Bilanz-Richtlinie und damit europarechtlichen Vorgaben folgt) primär Aufgabe der Abschlussprüfer.

Zu 4.1:

Ich darf auf die Beantwortung der Voranfrage zur Zahl 6302/J-NR/2010, Fragepunkt 4 verweisen. Aus dem Bilanzjahr 2008 sind bis heute noch 624 Jahresabschlüsse offen.

Zu 4.2 und 4.6:

Die Bundesrechenzentrum GmbH konnte in Bezug auf das Bilanzjahr 2008 folgende Daten zur Verfügung stellen:


Gericht

Bilanzjahr 2008

Zwangsstrafen verhängt, erste Stufe
1.3.2011-29.2.2012

Einsprüche eingelangt
1.3.2011-29.2.2012

Handelsgericht Wien

1.485

389

Landesgericht Korneuburg

32

8

Landesgericht Krems a.d. Donau

8

6

Landesgericht St. Pölten

159

44

Landesgericht Wiener Neustadt

28

5

Landesgericht Eisenstadt

36

12

Landesgericht Linz

25

8

Landesgericht Ried im Innkreis

0

0

Landesgericht Steyr

15

1

Landesgericht Wels

59

19

Landesgericht Salzburg

293

80

Landesgericht Leoben

89

27

Landesgericht für ZRS Graz

306

178

Landesgericht Klagenfurt

157

10

Landesgericht Innsbruck

92

11

Landesgericht Feldkirch

125

27

 

2.909

825

Nach dem Einlangen eines Einspruchs gegen eine Zwangsstrafverfügung wird ein ordentliches Verfahren eingeleitet. Welche Strafen durch die Gerichte in ordentlichen Verfahren verhängt werden, kann nicht automationsunterstützt ausgewertet werden.

Die Höhe der verhängten Strafen wegen Nichteinreichung zum Bilanzjahr 2008 betrug zum Stichtag 1. März 2012 2,072.700 Euro. Zur Frage, ob diese Geldbeträge auch tatsächlich eingenommen wurden, verweise ich auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Aufgrund der wesentlichen Verbesserung der Offenlegungspraxis, die durch das neue Zwangsstrafenverfahren erreicht werden konnte (siehe im Vergleich die Antworten zu 4.1., 5, 6.1), ist damit zu rechnen, dass die Einnahmen aus Zwangsstrafverfahren künftig deutlich geringer werden.

Zu 4.3:

Zu den einzelnen Strafhöhen, aufgeschlüsselt nach Firmenbuchgerichten, existiert keine Statistik. Nach einem Judikat des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2001 sind bei einer Erstverhängung im Regelfall 730 Euro angemessen (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 51).


Zu 4.4:

Sämtliche offenlegungspflichtige Rechtsträger, bei denen zum Stichtag 1. März 2011 irgendein Jahresabschluss in der Vergangenheit nicht eingetragen ist, werden seit diesem Zeitpunkt vom System zur Verhängung einer Zwangsstrafe vorgeschlagen. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das Gesetz in diesem Zusammenhang keinen Unterschied zwischen den Begriffen „Geldstrafe“ und „Zwangsstrafe“ macht.

Zu 4.5:

Prinzipiell sind „alte“ Offenlegungsverstöße (bei Abschlussstichtag vor dem 31. März 2010) dann nach dem neuen Recht zu behandeln, wenn sie nach dem 1. Jänner 2011 fortdauern (§ 906 Abs. 23 UGB). Im Fall einer weiteren Verweigerung der Offenlegung würde die von der Justiz bereitgestellte Software solche Fälle zur Bestrafung vorschlagen. Was die eingenommenen Geldbeträge anlangt, verweise ich auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Die Bundesrechenzentrum GmbH konnte in Bezug auf das Bilanzjahr 2008 folgende Daten zur Verfügung stellen:

Gericht

Bilanzjahr 2008

Weitere Zwangsstrafen verhängt
1.3.2011-29.2.2012

Handelsgericht Wien

693

Landesgericht Korneuburg

17

Landesgericht Krems a.d. Donau

2

Landesgericht St. Pölten

100

Landesgericht Wiener Neustadt

15

Landesgericht Eisenstadt

16

Landesgericht Linz

10

Landesgericht Ried im Innkreis

0

Landesgericht Steyr

7

Landesgericht Wels

9

Landesgericht Salzburg

130

Landesgericht Leoben

25

Landesgericht für ZRS Graz

125

Landesgericht Klagenfurt

48

Landesgericht Innsbruck

48

Landesgericht Feldkirch

94

                                                                                                  1.339

 

Zu 4.7 und 4.8:

Ich verweise auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.


Zu 5:

Nachdem zur Voranfrage die Daten noch nicht vollständig ausgewertet werden konnten, hat die Bundesrechenzentrum GmbH – unter geringfügiger Modifikation der Parameter zur Voranfrage – eine neuerliche Auswertung vorgenommen.

Bilanzjahr

keine Einreichung

bis zum Stichtag 30.9.2010

rechtzeitige
Einreichung

gesamt

2009

76.513

51.630

128.143

 

Zu 5.1:

Ich verweise auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Zu 5.2:

Die Bundesrechenzentrum GmbH konnte in Bezug auf das Bilanzjahr 2009 folgende Daten zur Verfügung stellen:

Bilanzjahr

Zwangsstrafen verhängt
1.3.2011-29.2.2012

2009

11.514

 

Was die eingenommenen Geldbeträge anlangt, verweise ich auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Zu 5.3:

Die Bundesrechenzentrum GmbH konnte in Bezug auf das Bilanzjahr 2009 folgende Daten zur Verfügung stellen:

Gericht

Bilanzjahr 2009

Weitere Zwangsstrafen verhängt
1.3.2011-29.2.2012

Handelsgericht Wien

1.892

Landesgericht Korneuburg

132

Landesgericht Krems a.d. Donau

45

Landesgericht St. Pölten

206

Landesgericht Wiener Neustadt

152

Landesgericht Eisenstadt

109

Landesgericht Linz

95

Landesgericht Ried im Innkreis

22

Landesgericht Steyr

19

Landesgericht Wels

149

Landesgericht Salzburg

413

Landesgericht Leoben

133

Landesgericht für ZRS Graz

312

Landesgericht Klagenfurt

247

Landesgericht Innsbruck

242

Landesgericht Feldkirch

219

                                                                   4.387

 

Was die eingenommenen Geldbeträge anlangt, verweise ich auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Zu 5.4 und 5.5:

Ich verweise auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Zu 6.1:

Bilanzjahr

keine Einreichung

bis zum Stichtag 30.9.2011

rechtzeitige
Einreichung

gesamt

2010

26.965

106.015

132.980

 

Zu 6.2:

Ich verweise auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

 

Zu 6.3:

Die Bundesrechenzentrum GmbH konnte in Bezug auf das Bilanzjahr 2010 folgende Daten zur Verfügung stellen:

Gericht

Bilanzjahr 2010

Weitere Zwangsstrafen verhängt
1.3.2011-29.2.2012

Handelsgericht Wien

1.552

Landesgericht Korneuburg

79

Landesgericht Krems a.d. Donau

54

Landesgericht St. Pölten

74

Landesgericht Wiener Neustadt

176

Landesgericht Eisenstadt

129

Landesgericht Linz

119

Landesgericht Ried im Innkreis

31

Landesgericht Steyr

41

Landesgericht Wels

179

Landesgericht Salzburg

419

Landesgericht Leoben

70

Landesgericht für ZRS Graz

249

Landesgericht Klagenfurt

153

Landesgericht Innsbruck

274

Landesgericht Feldkirch

179

                                                                                                                  3.778

Zu 6.4:

Was die eingenommenen Geldbeträge anlangt, verweise ich auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Zu 6.5 und 6.6:

Ich verweise auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Zu 7:

Einsprüche gegen Zwangsstrafen gegliedert nach Bilanzjahr und HG

 

2008

2009

2010

2011

Handelsgericht Wien

629

1.102

1.704

758

Landesgericht Korneuburg

8

229

189

33

Landesgericht Krems a.d. Donau

6

27

68

21

Landesgericht St. Pölten

49

199

149

68

Landesgericht Wiener Neustadt

5

78

268

124

Landesgericht Eisenstadt

16

154

127

108

Landesgericht Linz

8

32

159

59

Landesgericht Ried im Innkreis

 

7

28

14

Landesgericht Steyr

1

10

51

9

Landesgericht Wels

19

261

180

44

Landesgericht Salzburg

80

307

347

127

Landesgericht Leoben

30

120

97

35

Landesgericht für ZRS Graz

218

289

363

107

Landesgericht Klagenfurt

10

195

137

82

Landesgericht Innsbruck

11

41

247

126

Landesgericht Feldkirch

29

56

147

55

 

1.119

3.107

4.261

1.770

 

Rekurse gegen Einsprüche von Zwangsstrafen(JF) gegliedert nach Bilanzjahr und HG

 

2009

2010

2011

Handelsgericht Wien

5

20

64

Landesgericht Korneuburg

 

 

 

Landesgericht Krems a.d. Donau

 

 

 

Landesgericht St. Pölten

 

 

 

Landesgericht Wiener Neustadt

 

 

3

Landesgericht Eisenstadt

2

2

1

Landesgericht Linz

 

 

 

Landesgericht Ried im Innkreis

 

 

 

Landesgericht Steyr

 

 

 

Landesgericht Wels

1

1

 

Landesgericht Salzburg

 

3

19

Landesgericht Leoben

1

1

1

Landesgericht für ZRS Graz

11

26

8

Landesgericht Klagenfurt

 

2

7

Landesgericht Innsbruck

 

4

18

Landesgericht Feldkirch

8

 

 

 

28

59

121

 

Inhalte von Entscheidungen der unabhängigen Rechtsprechung sind einzelfallabhängig und werden automationsunterstützt nicht ausgewertet.

Zu 9 und 10:

Zur Offenlegungspflicht in anderen EU-Mitgliedstaaten liegt ein Bericht der Kommission aus dem Jahr 2011 vor, der im Internet unter

http://ec.europa.eu/internal_market/accounting/docs/2010-options_en.pdf

abgerufen werden kann.

Zur Verhängung von Geldstrafen in anderen EU-Mitgliedstaaten liegen mir keine Informationen vor.

Zu 11 und 12:

Ich kann die diesen Fragen zu Grunde liegende Prämisse nicht bestätigen, verweise aber für eine allfällige Folgeneinschätzung auf den Wirkungsbereich der Frau Bundesministerin für Finanzen, zumal nach dem Börsegesetz noch weitaus strengere Publizitätspflichten bestehen, die explizit auf den Kapitalmarkt zugeschnitten sind.

Zu 13:

Ich verweise auf die Einleitung zur Anfragebeantwortung.

Zu 14:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 21. September 2012 (B 163/12) die Behandlung einer Bescheidbeschwerde (zum alten Recht) abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist – nach dem Kenntnisstand meiner Fachabteilung – noch nicht ergangen.

Zu 15:

Im Verfahren vor dem EuGH in der Rechtssache C-418/11, Texdata, hat im Dezember 2012 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Schlussanträge des Generalanwaltes liegen mittlerweile vor. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass die österreichische Rechtslage dem Unionsrecht nicht widerspricht.


Zu 16 bis 18:

Das Unternehmensgesetzbuch kennt keinen „vorläufigen“ Jahresabschluss. Gemäß § 222 UGB haben die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft in den ersten fünf Monaten des Geschäftsjahrs für das vorangegangene Geschäftsjahr den um den Anhang erweiterten Jahresabschluss, einen Lagebericht sowie gegebenenfalls (§ 243b) einen Corporate Governance-Bericht aufzustellen und den Mitgliedern des Aufsichtsrats vorzulegen. Eine Verlängerung dieser Frist wegen möglicher „Unsicherheiten“ (z.B. laufende steuerliche Betriebsprüfung, 6 Ob 132/11x) ist im Gesetz nicht vorgesehen; hinsichtlich solcher Unsicherheiten ist bestmöglich zu schätzen und/oder im Anhang darauf hinzuweisen (Wenger, RWZ 12/2012, 358). Gemäß § 277 Abs. 1 UGB ist es möglich, zur Wahrung der Offenlegungsfrist von neun Monaten den Jahresabschluss und den Lagebericht sowie gegebenenfalls den Corporate Governance-Bericht ohne die anderen Unterlagen einzureichen. Daher kann zur Wahrung der Neunmonatsfrist auch ein noch nicht durch die Hauptversammlung (Generalversammlung) festgestellter oder ein noch nicht geprüfter Jahresabschluss einer prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaft eingereicht werden. Auch ein noch nicht geprüfter oder noch nicht festgestellter Jahresabschluss ist aber kein „vorläufiger“ Jahresabschluss (und schon gar kein „frisierter“). Wird der Jahresabschluss bei nachträglicher Prüfung oder Feststellung geändert, so ist auch diese Änderung einzureichen (§ 277 Abs. 1 letzter Satz). Somit gibt es keine Unterscheidung zwischen „Firmenbuchbilanzen“, die angeblich „vorläufig“ oder „frisiert“ sein sollen, und Bilanzen nach UGB, deren Identität kontrolliert werden müsste.

 

Wien,          . März 2013

 

 

 

Dr. Beatrix Karl