13358/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.03.2013
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

BMJ-Pr7000/0010-Pr 1/2013


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 13574/J-NR/2013

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Budget Justizressort: Einnahmen aus vermögensrechtlichen Anordnungen für das Jahr 2012“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1, 3, 5 und 6:

Dazu steht mir kein Datenmaterial zur Verfügung.

Zu 2 und 4:

Unter der genannten Finanzposition 2/13204-8851.901 „Abschöpfung der Bereicherung“ wurde im Jahr 2012 – gemäß Prognosebericht aus HV-SAP vom 11. Februar 2013 – ein Betrag von insgesamt 1,156.910,62 Euro zugeführt. Eine weitere Aufgliederung innerhalb dieser Finanzposition ist nicht möglich.

Der Vollständigkeit halber wird jedoch auf die nachfolgende Tabelle verwiesen. Das Rechnungswesen hat bei 2/13204.8851.900 „Einziehungen zum Bundesschatz“, die „Abschöpfung der Bereicherung“ (Untergliederung 901), „verfallene Vermögenswerte“ (UGL 902) und „sonstige Einziehungen zum Bundesschatz“ (UGL 990) unterschieden. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Finanzen am 20. Juli 2012 noch die Finanzpositionen 2/13204-8851.903 „Einziehung (§ 26 StGB)“ und 2/13204-8851.904 „Konfiskation (§ 19a StGB)“ für 2012 eröffnet.

Finanzposition

Bezeichnung

Erfolge 2012

2/13204-8851.900

Einziehungen zum Bundesschatz (gesamt)

8,053.400,03 €

901

Abschöpfung der Bereicherung

1,156.910,62 €

902

Verfallene Vermögenswerte

1,188.574,26 €

903

Einziehung (§ 26 StGB)

1.405,00 €

904

Konfiskation (§ 19a StGB)

3.225,66 €

990

Sonstige Einziehungen zum Bundesschatz

5.703.284,49 €

 

Zu 7:

Anzahl der Konfiskationen nach § 19a StGB

 

BAZ

HV

ST

U

GESAMT  

2012

6

231

109

4

350

 

Zu 8:

Mit Einführungserlass des Bundesministeriums für Justiz (BMJ-S585.003/0003-IV 3/2012) vom 8. August 2012 wurden unter anderem die sodann am 1. September 2012 in Kraft getretenen Bestimmungen des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 den Gerichten und Staatsanwälten zur Kenntnis gebracht. Zu § 115e StPO wird darin wie folgt näher ausgeführt:

Diese Bestimmung bietet zur Vermeidung der mit der (längerfristigen) Verwahrung sichergestellter bzw. beschlagnahmter Vermögenswerte verbundenen organisatorischen Probleme und Kosten die Möglichkeit, dass sichergestellte (§ 110 Abs. 1 Z 3 StPO) oder beschlagnahmte (§ 115 Abs. 1 Z 3 StPO) Gegenstände oder Vermögenswerte, die einem raschem Verderben oder einer erheblichen Wertminderung unterliegen oder sich nur mit unverhältnismäßigen Kosten aufbewahren lassen, auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf die im § 377 StPO angeordnete Weise vom Gericht veräußert werden können. Auf die Zuordenbarkeit kommt es – anders als bei §§ 115a ff StPO, der im Übrigen nur (taxativ) Geldbeträge, Geldforderungen und Wertpapiere umfasst – nicht an, weshalb § 115e StPO auch nicht als Spezialnorm zu §§ 115a ff StPO zu verstehen ist.

Die unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots (§ 5 StPO) zu treffende Entscheidung auf Verwertung hat jedoch solange zu unterbleiben, als die Gegenstände zu Beweiszwecken benötigt werden (§ 110 Abs. 4 StPO).

Personen, die von der Veräußerung betroffen sind, sind vor der Verwertung zu verständigen.  Eine derartige Verständigung ist schon ob der in Abs. 2 letzter Satz eingeräumten Möglichkeit des Erlags eines zur Deckung der Verwahrungskosten ausreichenden Betrags erforderlich. Zur Vermeidung von Verzögerungen kann diese Verständigung gegebenenfalls unter sinngemäßer Anwendung des § 83 Abs. 5 StPO erfolgen („Ankündigungsedikt“). Erforderlich hierfür ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Zustellgesetz oder ein dem Beschleunigungsgebot (§ 9 StPO) widerstreitender Verfahrensaufwand durch deren Ausforschung oder Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten (§ 82 Abs. 2 StPO). Die Bekanntmachung ist in die Ediktsdatei (§ 89j Abs. 1 GOG) aufzunehmen, wodurch die Zustellung als bewirkt gilt.

Der Verwertungserlös tritt sodann an die Stelle der veräußerten Gegenstände. Die Verwertung wegen unverhältnismäßiger Aufbewahrungskosten hat jedoch zu unterbleiben, wenn rechtzeitig ein zur Deckung dieser Kosten ausreichender Betrag erlegt wird.

Für den Fall, dass sichergestellte Vermögenswerte einer gerichtlichen Entscheidung über die Beschlagnahme zuzuführen sind, hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegebenenfalls zugleich mit der Beschlagnahme über die Verwertung zu entscheiden.

Eine Auswertung der Verfahrensautomation Justiz hat für das Jahr 2012 noch keine Verfahrensschritte nach 115e StPO ergeben.

Zu 9:

Alle Einzahlungen des Bundes haben der Bedeckung seines gesamten Auszahlungsbedarfes zu dienen (§ 48 Abs.1 BHG 2013).

Zu 10:

Nach der aktuellen Rechtslage (vgl. § 20a Abs. 2 Z 1 StGB in der Fassung des strafrechtlichen Kompetenzpaketes, BGBl. I Nr. 108/2010) kann der Verfall von Vermögenswerten, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, auch gegenüber Dritten ausgesprochen werden, und zwar im Falle einer Schenkung selbst dann, wenn sie die Vermögenswerte in Unkenntnis der mit Strafe bedrohten Handlung erworben haben.

Zu 11:

Soweit überblickbar gibt es weder in der Lehre noch in der Rechtsprechung zivilrechtliche Abhandlungen zum Verhältnis von Rechtsgeschäften von Todes wegen und der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung.

Zu 12:

Auch wenn die Regelung des Verfalls gemäß § 20 StGB idF BGBl. I Nr. 108/2010 noch nicht abschließend evaluiert werden kann, so sind erste Schlüsse bereits möglich. Allerdings werden nach wie vor noch viele Verfahren nach der alten Regelung geführt, weil sich die Anwendbarkeit der Bestimmungen über vermögensrechtliche Anordnungen nach dem Zeitpunkt richtet, zu dem die Straftat begangen wurde, auf welche sich die Maßnahme bezieht. Die durch das Strafrechtliche Kompetenzpaket – sKp geänderten Regeln über den Verfall sind gemäß §§ 1, 61 StGB nur dann anzuwenden, wenn sie für die Betroffenen nicht ungünstiger sind als die alte Rechtlage vor Inkrafttreten mit 1. Jänner 2011. Beim Günstigkeitsvergleich ist streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der Unrechtsfolgen zu prüfen, welches Gesetz in seinen Gesamtauswirkungen für den Täter vorteilhafter wäre.

Als vergleichbare vermögensrechtliche Anordnung sah die alte Rechtslage die – nach dem so genannten Nettoprinzip zu berechnende – Abschöpfung der Bereicherung vor (§ 20 StGB aF), von der abzusehen war, soweit die Zahlung des Geldbetrags das Fortkommen des Bereicherten unverhältnismäßig erschweren oder ihn unbillig hart treffen würde, insbesondere weil die Bereicherung im Zeitpunkt der Anordnung nicht mehr vorhanden ist, wobei aus einer Verurteilung erwachsende andere nachteilige Folgen zu berücksichtigen waren (§ 20a Abs. 2 Z 3 StGB aF, siehe OGH 2012-03-08 13 Os 2/12m).

Da das frühere Recht in den meisten Fällen in seiner Gesamtauswirkung daher günstiger ist, gelangte dieses somit auch im Jahr 2012 noch in vielen Fällen zur Anwendung.

Die kontinuierliche Steigerung der Einnahmen aus vermögensrechtlichen Anordnungen ist jedoch jedenfalls auch auf die durch die neue Regelung des Verfalls erleichterte Anwendbarkeit zurückführen. Die Entwicklung wird weiterhin zu beobachten sein.

Zu 13:

Der am 12. März 2012 von der Kommission präsentierte Vorschlag für eine Richtlinie über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten soll es den Behörden der Mitgliedstaaten erleichtern, Erträge und Tatwerkzeuge aus Straftaten einzuziehen und abzuschöpfen, die der grenzübergreifenden schweren Kriminalität zuzurechnen sind. Der Vorschlag wurde in einigen Punkten von den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aufgenommen und blieb bis zuletzt heftig umstritten.

Österreich steht dem Vorschlag der Kommission grundsätzlich sehr positiv gegenüber. In den letzten Jahren wurde in Österreich bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die ebenso unter dem Motto „Verbrechen dürfen sich nicht lohnen“ standen. Einige dieser Bestrebungen finden sich auch in dem Vorschlag der Kommission wieder. So ist beispielsweise in Artikel 10 Abs. 2 des Vorschlages vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen einführen müssen, die eine geeignete Verwaltung dieser Vermögensgegenstände sicherstellen. Hierzu gehört auch die Befugnis, sichergestellte Vermögensgegenstände zu veräußern, zumindest dann, wenn damit zu rechnen ist, dass sie an Wert verlieren werden, oder wenn ihre Verwahrung unrentabel ist.

Diese Bestimmung wird in Österreich bereits durch die im 2. Stabilitätsgesetz 2012 (2. StabG 2012) enthaltende Änderung der Strafprozessordnung, welche mit 1. September 2012 in Kraft getreten ist, umgesetzt. So wird mit § 115e StPO idF 2. StabG 2012 die Möglichkeit der Veräußerung von sichergestellten bzw. beschlagnahmten Vermögenswerten geschaffen. Die Verwahrung sichergestellter bzw. beschlagnahmter Vermögenswerte führt oftmals zu organisatorischen Problemen und ist teils mit enormen Kosten verbunden. Daher soll die Verwertung sichergestellter oder beschlagnahmter Vermögenswerte, die einem raschen Verderben oder einer erheblichen Wertminderung unterliegen oder sich nur mit unverhältnismäßigen Kosten aufbewahren lassen, ermöglicht werden. Der Erlös soll sodann an die Stelle der veräußerten Gegenstände treten. Auf die Beantwortung zu Frage 8 darf verwiesen werden.

Ein wesentlicher Diskussionspunkt stellte in den Verhandlungen Artikel 5 (die Einziehung ohne vorherige Verurteilung) dar. Mit dieser Bestimmung enthält der Vorschlag der Kommission die sogenannte „Non-conviction based confiscation“. Dabei handelt es sich zwar um eine Einziehung im Zusammenhang mit einer Straftat, aber die Mitgliedstaaten können entscheiden, ob die Einziehung von einem Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgericht angeordnet wird. Diese Einziehung ohne vorherige Verurteilung soll nach Vorschlag der Kommission möglich sein, wenn eine strafrechtliche Verurteilung wegen Tod oder dauerhafter Erkrankung der betreffenden Person ausgeschlossen ist oder wenn Krankheit oder Flucht der Person eine wirksame Strafverfolgung innerhalb einer angemessenen Frist verhindert und die Gefahr besteht, dass die Strafverfolgung durch Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfristen ausgeschlossen wird.

In Österreich gibt es mit § 445 StPO bereits ein Modell der Einziehung ohne vorhergehende Verurteilung. In bestimmten Fällen, und dabei ist insbesondere an den Tod des Beschuldigten oder dessen mangelnde Zurechnungsfähigkeit zu denken, müssen der Verfall und die Einziehung auch ohne eine Verurteilung möglich sein. Da es dieses Modell in etlichen Mitgliedstaaten überhaupt nicht gibt, ist dieser Punkt heftig umstritten.

Beim Rat für Justiz und Inneres (JI-Rat) am 7. Dezember 2012 konnte dennoch ein Kompromiss gefunden und eine Allgemeine Ausrichtung erzielt werden. Der Text der Allgemeinen Ausrichtung stellt ein „Kompromisspaket“ dar, das die Ergebnisse der Auseinandersetzungen in den Ratsarbeitsgruppen repräsentiert. Eine Einigung zum heftig diskutierten Artikel 5 konnte nur durch Streichung der Verpflichtung zur Einführung einer Einziehungsmöglichkeit im Falle des Todes erreicht werden. In diesem Zusammenhang muss allerdings betont werden, dass es sich bei der Richtlinie lediglich um eine Mindestharmonisierung handelt und es den Mitgliedstaaten daher freisteht, auch weitergehende Vorschriften vorzusehen.

Die Steigerung der Effizienz im Bereich der vermögensrechtlichen Anordnungen wird von Österreich unterstützt. Daher wurden auch im Vorfeld des JI-Rates vom 7. Dezember 2012 sämtliche bis dahin noch bestehenden Vorbehalte zurückgezogen. Nun stehen die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament an.

Wien,        . März 2013

 

Dr. Beatrix Karl