13477/AB XXIV. GP

Eingelangt am 26.03.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 13979/J der Abgeordneten Mag.a Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen wie folgt:

 

Frage 1:

Grundsätzlich kann ein Praktikum als Arbeitsverhältnis, freies Dienstverhältnis oder als Ausbildungsverhältnis ausgestaltet sein. Arbeitsverhältnisse haben die Erbringung von Arbeitsleistungen gegen Entgelt zum Inhalt. Wesentliches Merkmal eines Arbeitsvertrages ist vor allem die „persönliche Abhängigkeit“ des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin. Kriterien der persönlichen Abhängigkeit sind insbesondere die Einordnung in die betriebliche Organisation, die vorgeschriebene Arbeitszeit, ein zugewiesener Arbeitsort, eine festgelegte Arbeitsabfolge sowie die Weisungsgebundenheit und die laufende Kontrolle durch den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin. Für Arbeitsverhältnisse gelten sämtliche arbeitsrechtlichen Vorschriften einschließlich des für den jeweiligen Betrieb geltenden Kollektivvertrags und Mindestlohntarif. In einem freien Dienstverhältnis werden Arbeitsleistungen in keinem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis erbracht, freie Dienstverhältnisse unterliegen daher grundsätzlich nicht dem Schutz des Arbeitsrechts. Allerdings finden die Vorschriften über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen Anwendung. Bei Ausbildungsverhältnissen stehen Lern- und Ausbildungszwecke und nicht die Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Vordergrund. Sie unterliegen nicht dem Arbeitsrecht.

Die Wahl der Vertragsform des Praktikums obliegt der Privatautonomie der Vertragsparteien. Welches Vertragsverhältnis konkret vorliegt, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, freien Dienstverhältnisses oder Ausbildungsverhältnisses und für die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen ist nicht die Bezeichnung des Vertrages oder die schriftliche Gestaltung der Vertragsvereinbarungen, sondern die tatsächliche Ausgestaltung des Praktikums. Praktika generell nur während einer Ausbildungsphase zuzulassen erscheint daher ebenso wie die Festlegung eines bestimmten Einstellungsverfahrens hinsichtlich der Verbesserung des Qualitätsrahmens wenig zielführend.

Die von meinem Ressort in Auftrag gegebene Studie zum Thema „Praktika und PraktikantInnen in Österreich – Empirische Analyse von Praktika sowie der Situation der PraktikantInnen“ (Endbericht: Juni 2010) zeigte, dass Pflichtpraktika, die im Rahmen einer Schul- oder Berufsausbildung absolviert werden, meist gut geregelt sind, sowohl hinsichtlich der Lerninhalte wie auch der sozial- und arbeitsrechtlichen Absicherung, während dies für Praktika, die nach einem Hochschulstudium gemacht werden, weniger zutrifft. Hier werden junge Menschen oft unter Umgehung regulärer Beschäftigungsverhältnisse eingesetzt, sind sozialrechtlich nicht abgesichert und werden in der Hoffnung, doch in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden „ausgenutzt“.

Festzuhalten ist jedoch, dass dies in Österreich derzeit kein Massenphänomen ist und Praktika für Jungakademiker/innen nur eine von mehreren Varianten eines atypischen bzw. potentiell prekären Arbeitsmarkteinstieges sind. Besonders betroffen sind Branchen wie Kunst, Kultur, Gesundheits- und Sozialwesen, Forschungs- und Medienbereich, NGOs, Architektur oder in kleinbetrieblichen Strukturen.

Zur Lösung dieser Problemlage wird von verschiedenen Seiten die Schaffung eines eigenen Gesetzes gefordert. Bei der Schaffung einer gesetzlichen Regelung sind jedoch mögliche Gefahren wie das Ausweichen auf Werkverträge und Freiwilligenarbeit, das Absenken bisheriger Standards auf das Mindestniveau, die Reduktion des Praktika-Angebots sowie das Risiko der Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei Jungakademiker/innen zu berücksichtigen. Auch aus dem gehäuften Auftreten problembehafteter Praktika bei einer begrenzten Anzahl von Branchen ergibt sich ein grundlegender Einwand gegen eine rechtliche Neugestaltung des Praktikumsbereichs. Das grundlegende Problem der Rechtsdurchsetzung und mangelnden Information wird mit einer solchen gesetzlichen Regelung nicht gelöst.

Um das Problem zu entschärfen, sind eine Verbesserung der Information und Rechtsdurchsetzung, das Einbeziehen der (Fach)Schulen bzw. Hochschulen (Stichworte: Etablierung 3-seitiger Verträge, Kontrolle der Erfüllung des Ausbildungszweckes), das Publizieren von Best-Practice-Beispielen oder die Vorbildwirkung des öffentlichen Dienstes erforderlich. Auch liegt es in der Verantwortung der Kollektivvertragspartner, Regelungen für Praktika in Kollektivverträgen vorzusehen.

 

Fragen 2 und 3:

Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zum „Qualitätsrahmen für Praktika“ im Dezember 2012 die zweite Phase der Anhörung der europäischen Sozialpartner auf deren Wunsch gemäß Artikel 154 AEUV eingeleitet hat. Sie schließt an eine öffentliche Konsultation, die vom 19. April bis zum 11. Juli 2012 durchgeführt wurde, und eine erste Phase der Anhörung der Sozialpartner zur möglichen Ausrichtung einer EU-Initiative an, die zwischen dem 11. September und dem 23. Oktober 2012 stattfand.

Gemäß Artikel 155 AEUV können die Sozialpartner beschließen, Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung über einen Qualitätsrahmen für Praktika aufzunehmen. Die Sozialpartner können eine eigenständige Vereinbarung erzielen oder sie können die Kommission ersuchen auf Grundlage ihrer Vereinbarung einen Legislativvorschlag auszuarbeiten.

Können sich die Sozialpartner nicht einigen oder entscheiden sie sich gegen die Aufnahme von Verhandlungen, so muss die Kommission die Lage bewerten und entscheiden, ob sie einen eigenen Gesetzesvorschlag vorlegt.

Es wird daher vorerst das Ergebnis der zweiten Phase der Sozialpartneranhörung abzuwarten sein. Erst wenn die Kommission beschließt, einen eigenen Vorschlag vorzulegen, wird dieser in der Ratsarbeitsgruppe von den RegierungsvertreterInnen diskutiert. Die österreichische Position wird vom Inhalt des Kommissionsvorschlages abhängen.

 

Fragen 4 und 5:

Die österreichischen Erfahrungen zeigen, dass mitunter der Rechtsstatus des Vertragsverhältnisses den Praktikant/innen unklar ist. Dies ermöglicht leider von Fall zu Fall eine Umgehung arbeits- und sozialrechtlicher Regelungen.
Aus meiner Sicht ist aber wesentlich, dass Praktika entsprechend der tatsächlichen Vertragspraxis in der Regel als Arbeitsverhältnisse auszugestalten sind. Ist dies nicht der Fall - liegt konkret etwa ein Volontariat vor, das aber in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis sein sollte - muss dieser Missbrauch jedenfalls behördlich abgestellt werden. Dies kann etwa im Rahmen von Sozialversicherungsprüfungen oder mit den Regelungen des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungs-Gesetzes bewerkstelligt werden.
Neben dem behördlichen Vorgehen gegen derartige Umgehungsgestaltungen ist jedenfalls notwendig, alle Akteur/innen zu eingehend über die Rechtslage zu informieren, so dass auch dadurch Umgehungspraktiken zurückgedrängt werden. Hier sind meines Erachtens besonders die Schulen, aber auch Behörden und Interessenvertretungen gefordert.

Spezifische arbeits- und sozialrechtliche Regelungen für PraktikantInnen – wie bereits in Beantwortung der Frage 1 dargelegt – werden allerdings abgelehnt. Wenn das Praktikum tatsächlich in Form eines Arbeitsverhältnisses absolviert wird – was ja bei Graduiertenpraktika die Regel zu sein hat – muss das gesamte Arbeits- und Sozialrecht zur Anwendung kommen und keine abgeschwächten Regelungen.