13753/AB XXIV. GP

Eingelangt am 18.04.2013
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

Alois Stöger

Bundesminister

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0045-I/A/15/2013

Wien, am 15. April 2013

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 13998/J der Abgeordneten Ing. Heinz-Peter Hackl und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 und 2:

In dem im Jahr 2003 erschienenen Bericht „Diet, Nutrition and Prevention of Chronic Diseases“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt diese als Ziel an, die Zufuhr an zugesetzten Zuckerarten auf weniger als zehn Prozent der Energiezufuhr zu begrenzen. Dieser Empfehlung schlossen sich auch die wissenschaftlichen Ernährungsgesellschaften von Deutschland, Österreich und der Schweiz an („D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“).

Die Daten des Österreichischen Ernährungsberichts 2012 lassen darauf schließen, dass dieser Zielwert nicht wesentlich überschritten wird. Laut den Daten des österreichischen Ernährungsberichts 2012 liegt der Konsum von Saccharose (Haushaltszucker) im tolerierbaren Bereich: rund zehn Prozent der Energiezufuhr in allen untersuchten Bevölkerungsgruppen (Kinder, Erwachsene und Senior/inn/en) entfallen auf Saccharose. Bei den Kindern wird der Zielwert leicht überschritten.

 

Allerdings zeigte der österreichische Ernährungsbericht 2012 bei der Auswertung der Ernährungsgewohnheiten der untersuchten Bevölkerungsgruppen auch auf, dass rund 20 Prozent der Gesamtenergiezufuhr über „geduldete Lebensmittel“ aufgenommen werden (z.B. Süßigkeiten, fettreiche Snacks, Pommes oder Eis). Es besteht also jedenfalls Optimierungsbedarf in der Zusammenstellung der Kost, auch wenn die Zufuhr von Saccharose im tolerierbaren Bereich liegt.

 

Eine zu hohe Zufuhr von Lebensmitteln, die an der Spitze der Ernährungspyramide angesiedelt sind, erhöht das Risiko der Entwicklung von Übergewicht bzw. birgt das Risiko der Entwicklung von Nährstoffdefiziten bei normkalorischer Ernährung, denn diese Lebensmittel sind energiedicht und nährstoffarm. Unausgewogene Ernährungsweisen und geringe körperliche Betätigung tragen zur Entstehung von Übergewicht, Adipositas und ernährungsassoziierten Erkrankungen wie Diabetes Mellitus Typ 2 bei. Zur Vermeidung von Fehlernährung wurde daher von meinem Ressort als einer der zentralen Schwerpunkte im Rahmen einer modernen präventionsorientierten Gesundheitspolitik der Fokus auf gesunde Ernährung gelegt. Die Umsetzung erfolgt in einer Vielzahl von Maßnahmen, die in meinen Ausführungen zu Frage 5 näher dargestellt werden. Die in der Anfrage bzw. auch die in dem angesprochenen TV-Format dargelegte Problematik ist mir bekannt und findet im Rahmen der Maßnahmen und Initiativen meines Ressorts im Zuge der Umsetzung des nationalen Aktionsplans Ernährung entsprechende Berücksichtigung.

 

Fragen 3 und 4:

Die Erzeugung von Zucker wird im Rahmen der Versorgungsbilanzen für den pflanzlichen Sektor der Statistik Austria erhoben. Im Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011 wurden in Österreich 464.555 Tonnen Zucker erzeugt; der Verbrauch pro Kopf betrug im gleichen Zeitraum 37,10 Kilogramm. Zahlen in Bezug auf die Verarbeitungsquote liegen dem Bundesministerium für Gesundheit nicht vor.

 

Frage 5:

Die vom Bundesministerium für Gesundheit initiierten Aktivitäten basieren nicht auf Verboten bzw. Reglementierungen, mein Ressort setzt vielmehr auf einen Mix an Maßnahmen, die kultur- und geschlechterspezifisch aufgebaut, zielgruppenspezifisch umgesetzt und in breite Kooperationen eingebettet sind. Nur so können nachhaltige Veränderungen herbeigeführt werden. Dazu zählen Initiativen zur Verbesserung der Verhältnisse (z.B. Änderungen des Angebots am Schulbuffet, Optimierung von Rezepturen von Lebensmitteln wie Salzreduktion in Brot oder Initiativen zur Verbesserung der betrieblichen Verpflegung) ebenso wie bewusstseinsbildende Maßnahmen auf der Verhaltensebene und der Aufbau von Strukturen, die beides fördern (z.B. Etablierung einer eigenen Ernährungskommission im Bundesministerium für Gesundheit oder kostenlose Ernährungsberatung für Schwangere durch die Gebietskrankenkassen im Zuge der österreichischen Vorsorgestrategie).

Zur Umsetzung dieser Gesamtstrategie wurde von mir im Jahr 2010 der Nationale Aktionsplan Ernährung (NAP.e) initiiert. Oberste Ziele des NAP.e sind eine Verminderung von Fehl-, Über- und Mangelernährung sowie eine Trendumkehr von Übergewicht und Adipositas bis 2020. Die gesündere Wahl soll längerfristig für alle Bürger/innen die leichtere werden.

 

Ein Faktor, um das Ziel der Verbesserung der Ernährungssituation in der österreichischen Bevölkerung zu erreichen, war beispielsweise die Erstellung von wissenschaftlich belegten, national präzisierten und bundesweit akkordierten lebensmittelbasierten Empfehlungen in Form der österreichischen Ernährungspyramide. Die Pyramide stellt eine praktische Orientierungshilfe bei der Umsetzung einer gesundheitsförderlichen Ernährung im Alltag dar und hat mittlerweile die davor in verschiedenen Ausführungen vorhandenen Empfehlungen und Darstellungsformen, die eher zur Verwirrung als zur Information und Motivation beitrugen, weitgehend abgelöst. Durch den bewussten Verzicht auf viel Text ist dieses zentrale Informationstool vielseitig verwendbar und hilft mit, Ungleichheiten hinsichtlich Bildungsstatus oder Sprachfähigkeiten zu überwinden, denn ein wichtiges Ziel in der Gesundheitsförderung ist gesundheitliche Chancengerechtigkeit. Bewusstseinsbildende Maßnahmen in der Ernährungsprävention und diesbezügliche Informations- und Motivationstools müssen daher so konzipiert sein, dass wir damit insbesondere auch Menschen aus den niedrigeren sozialen Schichten erreichen, wo auch der größte Handlungsbedarf hinsichtlich Übergewicht, Fehlernährung und sogenannter „Zivilisationskrankheiten“, bei deren Entwicklung die Ernährung eine wichtige Rolle spielt, besteht. Diesen Zweck erfüllt auch das Pixi-Büchlein „Gesund genießen“, das die „Basics“ der gesunden Ernährung einfach verständlich zusammenfasst und mit zahlreichen Tipps versehen als handliches Kleinformat sehr leicht auch zum Einkaufen mitgenommen werden kann. Dieses Büchlein ist der „Renner“ im BMG-Bestellservice und hat beispielsweise das deutsche Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz derart begeistert, dass sie Inhalte und Format als eigene Broschüre in ihr „INFORM“ Repertoire übernehmen wollen. INFORM ist die Initiative der deutschen Bundesministerien für Gesundheit und für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für gesunde Ernährung und mehr Bewegung in Deutschland.

 

Eine Ernährungspyramide für die sensible Zielgruppe der Schwangeren wurde ebenfalls bereits veröffentlicht, eine weitere speziell für Kinder befindet sich derzeit in Ausarbeitung. Zudem sind lebensmittelbasierte Empfehlungen für die heterogene Zielgruppe der Senior/inn/en in Planung. Ergänzend dazu werden zahlreiche Rezeptbroschüren zur Unterstützung bei der Umsetzung einer ausgewogenen Ernährung im Alltag in verschiedenen Lebenslagen auf der Homepage des Gesundheitsministeriums gratis zum Download zur Verfügung gestellt.


Zur Verbesserung des Angebots in der schulischen Gemeinschaftsverpflegung wurden unter der Mitwirkung zahlreicher Expert/inn/en namhafter Organisationen und Institutionen im Sommer 2011 wissenschaftlich fundierte und akkordierte Standards für das Speisen- und Getränkeangebot an österreichischen Schulbuffets erstellt, und in Form der „Leitlinie Schulbuffet“ von meinem Haus veröffentlicht. Die Leitlinie Schulbuffet wird nun mit der Initiative „Unser Schulbuffet“ österreichweit in die Praxis umgesetzt werden. Der Startschuss zu dieser Initiative, die vom Bundesministerium für Gesundheit in Kooperation mit der AGES durchgeführt wird, erfolgte im Jänner 2012. Buffetbetriebe an Schulen werden kostenlos bei der Umstellung auf ein gesundheitsförderliches Angebot unterstützt, z.B. durch ein mobiles Beratungsteam vor Ort, eine Hotline, Öffentlichkeitsarbeit und zahlreiche praxistaugliche Unterstützungsmaterialien. Derzeit profitieren bereits mehr als 150.000 Schüler/innen in ganz Österreich von einem verbesserten Angebot am Schulbuffet. So wird ihnen die gesündere Wahl zur leichteren macht.

 

Frage 6:

Nein, ein Verbot bzw. eine Reglementierung von Zucker in Lebensmitteln ist auf EU-Ebene nicht angedacht. Aus fachlicher Sicht ist es de facto auch unmöglich, einen Grenzwert für die unterschiedlichen Lebensmittelgruppen festzulegen. Aus wissenschaftlicher Sicht müssten mehrere unterschiedliche Grenzwerte für verschiedene Lebensmittelkategorien festgelegt werden und dabei letztlich wohl auch noch Untergruppen in den jeweiligen Lebensmittelkategorien mit wiederum anderen Grenzwerten je nach Konsumhäufigkeit und „Wichtigkeit“ eines Lebensmittels in der Ernährung.

 

Dass Zucker (egal in welcher Form) in einem Lebensmittel vorkommt, darf nicht verschwiegen werden sondern ist in der Zutatenliste anzugeben. Die Aufzählung der Zutaten hat in absteigender Mengenreihenfolge zu erfolgen – je weiter vorne eine Zutat in der Zutatenliste steht, umso mehr ist von der jeweiligen Zutat im Lebensmittel enthalten. Eine konkrete Mengenangabe des gesamten Zuckergehalts eines Lebensmittels ist derzeit nicht verpflichtend. Hier ist es gelungen, die Forderung, die auch von Österreich vertreten wurde, insbesondere die als „kritisch“ geltenden Nährstoffe (Zucker, Fett, gesättigte Fette, Salz) auf allen Verpackungen verpflichtend zu deklarieren, eu-weit im Zuge der Verhandlungen zur Verbraucherinformationsverordnung durchzusetzen. Der Zuckergehalt in Gramm je 100 Gramm Lebensmittel ist ab 13. Dezember 2016 auf allen Packungen verpflichtend anzugeben.

 

Frage 7:

Der entscheidende Faktor bei der Entstehung von ernährungsabhängigen Diabetesformen (Diabetes mellitus Typ 2) ist nicht die Zufuhr von Zucker an sich, sondern eine zu hohe bzw. nicht den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechende Kalorienzufuhr, welche nicht zwangsläufig durch Zucker sondern wegen des doppelten Kaloriengehaltes von Fett eher durch eine zu hohe Fettzufuhr erreicht wird und gleichzeitig geringer körperlicher Aktivität. Nicht nur die Fettmenge, sondern auch die Fettqualität spielt eine Rolle. Am ungünstigsten wirken sich gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren (in Österreich seit 2009 reglementiert) hinsichtlich des Risikos für Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 aus. Auch der in Österreich durchaus übliche zu geringe Ballaststoffkonsum ist ein Risikofaktor. Es ist daher nicht möglich, vom Zuckerkonsum direkt auf die Entstehung von Krankheiten wie z.B. Diabetes mellitus Typ 2 zu schließen, ebenso lassen sich daher auch die durch den Verzehr von Zucker verursachten Kosten nicht quantifizieren.