13789/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.04.2013
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0051-Pr 1/2013 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 14026/J-NR/2013
Die Abgeordneten zum Nationalrat Anton Heinzl, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Eisenbahnunfälle und Verbandsverantwortlichkeitsgesetz“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Mir ist zwar nicht bekannt, wie oft und in welchen Fällen von Gewerkschaften Rechtsschutz gewährt wird, aus der in der Anfrage kolportierte Information, dass 48 Eisenbahnbedienstete Rechtsschutz ihrer Fachgewerkschaft in Strafverfahren erhielten, kann aber nicht abgeleitet werden, dass auch in 48 Fällen Anklage im Zusammenhang mit Eisenbahnunfällen erhoben wurde.
Es ist davon auszugehen, dass Eisenbahnbedienstete Rechtsschutz ihrer Fachgewerkschaft bereits vor Erhebung einer Anklage erhalten. In den genannten 48 Fällen sind daher mit Sicherheit Verfahren enthalten, in denen zwar wegen Eisenbahnunfällen ermittelt wurde, das Verfahren in weiterer Folge allerdings gemäß § 190ff StPO eingestellt oder gemäß § 198ff StPO durch Diversion erledigt wurde. Möglicherweise sind in dieser Zahl auch Fälle enthalten, in denen gegen unbekannte Täter ermittelt oder ohne Einleitung eines Strafverfahrens ein bloßer Sachverhaltsbericht der Kriminalpolizei an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, wie es beispielsweise in Fällen eines sogenannten Eisenbahnsuizids üblich ist.
Ferner ist nicht auszuschließen, dass Eisenbahnbediensteten Rechtsschutz auch im Zusammenhang mit Strafverfahren gewährleistet wird, die keine Eisenbahnunfälle betreffen. Gewerkschaften gewähren Rechtsschutz zumindest in Verfahren wegen fahrlässig begangener Straftaten, die mit der beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Es ist daher möglich, dass in den genannten 48 Rechtsschutzfällen auch Verfahren ohne Zusammenhang mit Eisenbahnunfällen enthalten sind, wie beispielsweise Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzungen, die durch einen mit einem Straßenfahrzeug eines Eisenbahnunternehmens verursachten Verkehrsunfall oder durch unzureichende Schneeräumung auf einem Bahnhofsgelände herbeigeführt wurden.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Rechtsschutz nicht nur Beschuldigten, sondern beispielsweise auch Opfern von Arbeitsunfällen gewährt werden kann.
Die Tatsache, dass in 48 nicht näher aufgeschlüsselten Fällen Eisenbahnbedienstete Rechtsschutz ihrer Fachgewerkschaft erhielten, belegt daher nicht, dass die bei den Staatsanwaltschaften erhobene und der Beantwortung der Anfrage 12662/J-NR/2012 zugrunde gelegte Zahl von sieben Anklagen wegen Eisenbahnunfällen unrichtig ist.
Zu 2:
Ich verweise auf meine Beantwortung der Fragen 9 und 10 der Anfrage 12662/J-NR/2012. Die Haftungsvoraussetzungen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) unterscheiden sich von jenen nach dem StGB. Insbesondere der Nachweis, dass wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen wurden (§ 3 Abs. 3 VbVG), ist gerade auch bei Unternehmen mit einer konzernartige aufgesplitterten Struktur, wie sie bei Eisenbahnunternehmen nicht unüblich sein dürften, nicht immer leicht zu erbringen. Auch erscheint es entgegen der in der Anfrage vertretenen Ansicht durchaus möglich, dass menschliches Versagen zu schwerwiegenden Eisenbahnunfällen führt, die durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen des Eisenbahnunternehmens nicht immer verhinderbar sind. Sofern die Sicherheitsvorkehrungen dem Stand der Technik entsprechen, ist in derartigen Fällen ein Nachweis der Unterlassung der in § 3 Abs. 3 VbVG angeführten Maßnahmen nicht zu erbringen.
Auch räumt § 18 VbVG den Staatsanwaltschaften gegenüber Verbänden ein besonderes, gesetzlich determiniertes Verfolgungsermessen ein, während Verfahren gegen natürliche Personen grundsätzlich durch das, ein derartiges Ermessen ausschließendes Legalitätsprinzip geprägt sind.
Im Übrigen ist hervorzuheben, dass das VbVG gerade nicht eine strafrechtliche Verantwortung des Managements einführt, sondern des verantwortlichen Verbandes. Die Strafbarkeit des Verbandes kann aus einer Fehlleistung von Entscheidungsträgern (§ 3 Abs. 2 VbVG), aber auch aus einer Straftat eines anderen („kleinen“) Mitarbeiters (§ 3 Abs. 3 VbVG) resultieren.
Zu 3 bis 6:
Ich kann die Annahmen, die diesen Fragen zu Grunde liegen – unter Verweis auf meine Ausführungen zu den Fragepunkten 1 und 2 – nicht nachvollziehen. Der Vorwurf, es werde über tödliche Systemmängel hinweggesehen, entbehrt jeder Grundlage.
Der im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Graz bestellte Sachverständige DI W.H. führte in seinem Gutachten aus, dass infolge des massiven Fehlverhaltens des Angeklagten J.W. sowie des Getöteten W.P. selbst das Vorhandensein aller erforderlichen Unterlagen sowie nachweislicher Unterweisungen den Unfall mit großer Wahrscheinlichkeit nicht hätte verhindern können, sodass das Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Steiermärkischen Landesbahnen mangels Kausalität der allfälligen Versäumnisse nach § 190 Z 1 StPO eingestellt wurde. Im Hinblick auf dieses Sachverständigengutachten ist eine Prüfung der Aussage eines fachkundigen Insiders innerhalb von zwei Tagen jedenfalls möglich. Da die Entscheidung über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz auf rein sachlichen Erwägungen beruhte, erübrigt sich die Beantwortung der Frage, ob versucht wurde, das betroffene Management vor einer Anklage zu bewahren.
Ich habe daher keinen Grund zur Annahme, dass die Strafverfolgungsbehörde im genannten Verfahren gegen das Objektivitätsgebot verstoßen hat.
Wien, . April 2013
Dr. Beatrix Karl