14174/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.06.2013
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag.a Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0108-I/A/15/2013
Wien, am 18. Juni 2013
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 14467/J der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Einleitend ist festzuhalten, dass für die Beantwortung der vorliegenden Anfrage eine Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt wurde.
Frage 1:
Maßnahmen zur Verbesserung der Qualitätssicherung der gynäkologischen Zytologie werden durch die Österreichische Gesellschaft für Pathologie (ÖGP) zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Zytologie (ÖGZ) regelmäßig durchgeführt.
Seit Jahren gibt es fachliche Qualitätsstandards, die erst im vergangenen Jahr aktualisiert wurden und auf der Homepage der ÖGP verfügbar sind. Diese Qualitäts-standards orientieren sich an den Europäischen Leitlinien und enthalten eine Vielzahl an Empfehlungen, die von der Abstrichabnahme über die Labororganisation bis hin zur Befunderstellung reichen. Die Befundqualität wird in einer Datenbank der ÖGZ im Sinne eines freiwilligen Qualitätssicherungsprogrammes jährlich erfasst.
Zudem werden von Seiten der ÖGZ regelmäßig Workshops zum Selbsttraining der zytologisch tätigen Assistent/inn/en sowie der Ärztinnen und Ärzte abgehalten.
Seitens des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wird auf das von ihm im Jahr 2006 durchgeführte Projekt „Qualitätsoffensive PAP-Abstrich“ hingewiesen, im Rahmen dessen von der Uni Graz eine gleichnamige Studie erstellt wurde.
Darin wurden auch Interventionsmöglichkeiten zur Qualitätssicherung in der Früherkennung des Zervixkarzinoms mittels PAP-Abstrich aufgezeigt. Die Wahl des richtigen Abnahmegerätes ist eine der wesentlichen Maßnahmen zur Qualitätsver-besserung, die auch bereits umgesetzt werden konnte. Die Krankenversicherungs-träger stellen seit 2007 im Ordinationsbedarf die aufgrund der Studie bzw. von den leitenden Ärzt/inn/en empfohlenen Abnahmegeräte zur Verfügung.
Fragen 2 und 3:
Im Rahmen eines organisierten Screening-Programmes werden Personen untersucht, die keine Anzeichen oder Symptome jener Erkrankung haben, auf die sie getestet werden, mit dem Ziel, die Erkrankung in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen und Informationen über das Risiko zu geben. Die Untersuchung sollte eine geringe Belastung darstellen, da es sich um asymptomatische Personen handelt. Screening-Programme sollten daher so präzise wie möglich die Personen identifi-zieren, die von einer potentiell notwendigen Behandlung profitieren.
Grundsätzlich dürfen Screenings entsprechend den Kriterien der WHO nur durchge-führt werden, wenn effektive Behandlungen zur Verfügung stehen.
Ein Vorteil der Früherkennung liegt in der Regel in den besseren Heilungschancen, wobei beim Screening langsam wachsende Tumore eher entdeckt werden als rasch wachsende.
Als Nachteil ist insbesondere die Gefahr falscher Diagnosen (falsch-positives Ergebnis) bzw. das Übersehen von Erkrankungen (falsch-negatives Ergebnis) zu nennen. Durch falsch-positive Ergebnisse werden die untersuchten Personen unnötig beunruhigt. Patientinnen und Gesundheitssystem werden durch nicht notwendige Folgeunter-suchungen und allenfalls Überbehandlung belastet. Falsch negative Ergebnisse verfehlen den Zweck der Früherkennung einer Krankheit, da mögliche Anzeichen der Erkrankung fehlgedeutet werden (Quelle: Studie „Qualitätsoffensive PAP-Abstrich“).
Nach Expert/inn/enmeinungen sei ein populationsbezogenes systematisches Screening erst ab einer 75%igen Teilnahme wirklich sinnvoll, eine Teilnahmerate, die sehr selten bis nie erreicht wird. Auch hat die Erfahrung gezeigt, dass tendenziell eher „gesunde“ (bzw. höher gesundheitsbewusste) Personen an Screening-Programmen teilnehmen als gefährdete.
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger weist auf die äußerst hohe Komplexität hin, die ein organisiertes Screening im Bereich der gynäkologischen Zytologie aufweist, und führt in diesem Zusammenhang Folgendes aus:
„Hauptprobleme dabei sind die gerade im gynäkologischen Bereich in Städten häufigen Arztwechsel, die in diesem Bereich tätigen zahlreichen Wahlärzte sowie die notwendige Differenzierung bei Abnahme eines gynäkologischen Abstrichs als Vorsorge- bzw. als kurative Maßnahme. Entscheidend für die Ergebnisqualität der Untersuchung ist vor allem auch die Schnittstellenproblematik zwischen den den Abstrich durchführenden Gynäkologen und den diesen befundenden Pathologen. Aus methodischen Gründen kann bei einmaliger Durchführung nie eine höhere Sensitivität als rund 40% bis maximal 93% erzielt werden.[1]
Nur durch die wiederholte, jährliche Abstrichentnahme - in hoher Entnahme- und Befundungsqualität - kann eine serielle Reduktion falsch-negativer Abstriche bewirkt werden. Damit ist ein organisiertes Screening mit dem Einsatz hoher finanzieller sowie personeller Ressourcen verbunden.
Gemäß den wissenschaftlichen Grundlagen der Vorsorgeuntersuchung-Neu (VU-Neu) wird für Österreich für alle Frauen zwischen 19 und 69 Jahren das systematische Screening nach Zervixkarzinom mit dem Screeningtest nach Papanicolaou empfohlen. Als geeignetes Routine-Intervall gelten drei Jahre, wenn zuvor mindestens zwei bis maximal drei initiale Abstriche in einem Ein-Jahres-Abstand unauffällige Befunde erbracht haben. Eine Beendigung des Screenings wird ab einem Alter von 70 Jahren empfohlen, sofern drei vorangegangene, konsekutive Tests unauffällige Befunde erbrachten (Wissenschaftliche Grundlagen der VU-Neu, 2005).“
Im Rahmen der VU-Evaluierung wurde auch eine Evidence-Based-Health-Care-Analyse durchgeführt, die unter anderem zwei international anerkannte Institutionen referenziert, die zu Screening Stellung nehmen. Dabei handelt es sich um die US Preventive Services Task Force (USPSTF) und das UK National Screening Committee (UKNSC):
Daraus ist Folgendes zu schließen:
Für ein systematisches Screening spricht die Evidenzlage bzw. sprechen die Empfehlungen der USPSTF und des UKNSC.
Ein nationales systematisches Screening-Programm scheint zu gewährleisten, dass z.B. nicht 20 Frauen fünfmal, sondern 100 Frauen einmal einen PAP-Abstrich bekommen. Mit derselben Anzahl an Untersuchungen (gleicher Mitteleinsatz) könnte somit eine viel größere Reichweite erzielt werden. Eine hohe Teilnahmerate ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass ein Screening seinen Nutzen im Sinne der Bevölkerungsperspektive entfalten kann.
Gegen ein systematisches Screening spricht die nach wie vor ungelöste Problematik der Qualitätssicherung, wobei die freiwillige Selbstkontrolle durch die Österreichische Gesellschaft für Zytologie bereits eine Initiative zur Verbesserung der Qualität darstellt.
Frage 4:
Die europäischen Leitlinien bei der Qualitätssicherung beim Zervix-Karzinom-Screening werden in Österreich insbesondere in der Laborausstattung, der Archivierung, der Arbeitsbelastung (Workload) der zytologischen Assistent/inn/en, den Fortbildungsmaßnahmen, aber auch in der Aufarbeitung der histologischen Präparate eingehalten.
Eine wesentliche Abweichung von den europäischen Leitlinien gibt es nur hinsichtlich der Organisation des Screenings, indem ein ausschließlich opportunistisches Screening durchgeführt wird.
Das bestehende Angebot erreicht eine vergleichbare Reichweite wie ein organisiertes Screening.
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass eine Verpflichtung zur leitlinienkonformen Behandlung bzw. Untersuchung gesamtvertraglich zu vereinbaren wäre, wozu (noch) keine allgemeine Bereitschaft der Standesvertretungen ersichtlich ist (beispielhaft derzeit in Wien).
Frage 5:
In Österreich werden pro Jahr durchschnittlich etwa 2 Millionen PAP-Abstriche durch-geführt, was etwa 45% der weiblichen Bevölkerung entspricht.
Fragen 6 und 7:
Meinem Ressort sowie auch dem Hauptverband der österreichischen Sozialver-sicherungsträger liegen keine entsprechenden österreichweiten Daten vor.
Frage 8:
Die Sozialversicherung bietet einen Informationsfolder an. Der Folder, der in mehreren Sprachen (deutsch, englisch, bosnisch, kroatisch, serbisch, türkisch) zur Verfügung steht, beantwortet leicht verständlich Fragen zum PAP-Abstrich (u.a. Bedeutung der Befunde und Fehlerwahrscheinlichkeit) und informiert auch über die Gründe, die zur Wiederholung eines Abstriches führen können.
Außerdem erhalten Frauen beispielsweise in den Frauengesundheitstzentren (z.B. Fraueninformationszentrum Vorarlberg) persönliche, vertrauliche und mehrsprachige Auskunft zu Gesundheitsthemen.
Frage 9:
Die zytologische Diagnostik wird in Österreich zu über 90% von Patholog/inn/en durchgeführt. Zytologisch tätige Gynäkolog/inn/en sind in der extremen Minderzahl.
Eine einsehbare Auflistung aller qualitätsgesichert arbeitenden Gynäkolog/inn/en, Patholog/inn/en bzw. Spitäler ist meinem Ressort nicht bekannt.
Frage 10:
Von Seiten der ÖGZ werden regelmäßig Workshops zum Selbsttraining der zyto-logisch tätigen Assistent/inn/en sowie der Ärztinnen/Ärzte abgehalten. Nach den meinem Ressort vorliegenden Informationen gibt es keine verpflichtende Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsangeboten für Gynäkolog/inn/en zur Verbesserung der Abnahmetechnik; ich verweise in diesem Zusammenhang aber auf die generell bestehende Fortbildungsverpflichtung für Ärztinnen und Ärzte.
Frage 11:
In den österreichischen Instituten und Labors, in denen gynäkologische Zytologie befundet wird, wurden zahlreiche qualitätssichernde Maßnahmen eingeführt. Unter anderem erfolgt ein Re-Screening (entweder ungezielt mit mindestens 10% der Fälle bzw. gezielt bei abnormen bzw. auffälligen Vorbefunden), die freiwillige Selbstkon-trolle und Teilnahme an Fortbildungen der ÖGZ, Beschränkungen der Arbeitsbe-lastung (Workload) der zytologischen Assistent/inn/en, die Angabe der Repräsentati-vität der Abstrichpräparate.
Da es sich um eine abrechenbare Leistung der Kassen handelt, sind die Labors verpflichtet, regelmäßig sogenannte Zertifikate vorzulegen, da es ansonsten keine Abrechnungsmöglichkeit gibt. Ergänzend ist festzuhalten, dass jede niedergelassene Ärztin, jeder niedergelassene Arzt von der ÖQMed evaluiert werden sollte.
Frage 12:
Für die Dokumentation und Analyse der PAP-Befunde gibt es zum Zweck der Verbesserung der Qualität das System der freiwilligen Selbstkontrolle. Dieses wird seit 1998 durch die ÖGZ betrieben, wobei folgende Ergebnisdaten erfasst werden: Gesamtzahl der jährlichen Untersuchungen, Modus der internen Qualitätssicherung (Re-Screening) oder Targeted Reviewing, nach Nomenklatur aufgeschlüsselte Ergebnisse, Ergebnis der Abstrichqualität aller Einsender/innen eines Labors, Werte der Einsenderin/des Einsenders mit der prozentuell niedrigsten und der prozentuell höchsten Anzahl an eingeschränkt beurteilbaren und nicht beurteilbaren Abstriche, Korrelation der zytologischen Ergebnisse mit vorhandenen histologischen Befunden. In diesem System waren im Jahr 2012 die Daten von ca. 12 Millionen Abstrichen enthalten.
Frage 13:
Von Seiten der europäischen Leitlinien und der Qualitätsstandards der ÖGP bzw. der ÖGZ werden drei Abnahmegeräte speziell empfohlen: Cervex Brush, Kombination aus Spatel und endozervicaler Bürste, wie z.B. Cytobrush und extended tip spatula, wie z.B. Szalay Spatel. Die Zellgewinnung mit dem Wattestäbchen sollte nur unter speziellen Umständen erfolgen.
Frage 14:
Nach Mitteilung des Hauptverbandes liegt der durchschnittliche Tarif für die Abnahme eines PAP-Abstrich bei Vertragsärzt/inn/en derzeit bei € 4,20, wobei die Abnahmegeräte im Ordinationsbedarf bzw. durch die befundenden Labors zur Verfügung gestellt werden. Für das ärztliche Gespräch zahlen die Krankenversiche-rungsträger durchschnittlich rund € 12,50.
Frage 15:
Informationsmöglichkeiten gibt es in den Frauengesundheitszentren http://www.fgz.co.at/fileadmin/hochgeladene_dateien/bilder/broschueren_2010/Frueherkennung_von_Gebaermutterhalskrebs_Oktober_2010.pdf, über Informationsfolder der Sozialversicherung und bei diversen Selbsthilfegruppen.
[1] Arbyn M, Bergeron C, Klinkhamer P, Martin-Hirsch P, Siebers AG, Bulten.: Liquid compared with conventional cervical cytology: a systematic review and meta-analysis. Obstet Gynecol. 2008 Jan;111(1):167-77. Arbyn M, Herbert A, Schenck U, Nieminen P, Jordan J, Mcgoogan E, Patnick J, Bergeron C, Baldauf JJ, Klinkhamer P, Bulten J, Martin-Hirsch P.: European guidelines for quality assurance in cervical cancer screening: recommendations for collecting samples for conventional and liquid- based cytology. Cytopathology. 2007 Jun;18(3):133-9