14179/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.06.2013
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0117-I/A/15/2013
Wien, am 19. Juni 2013
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 14533/J der Abgeordneten Ing. Lugar, Schenk und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Den nachstehenden Ausführungen darf ich einige grundsätzliche Anmerkungen voranstellen:
Es ist ein bekanntes Problem und Gegenstand der Forschung, dass Chemotherapien nicht nur eine Wirkung auf die Krebszelle haben, sondern auch auf den gesunden Organismus. Die Forschung hat das Ziel, Therapien zu entwickeln, die nach Möglichkeit nicht die gesunde Zelle schädigen, sondern nur die Tumorzelle. Bei Tumortherapien handelt es sich um extrem komplexe Prozesse und Verfahren, bei denen der entscheidende Punkt des Nutzens für die Patient/inn/en durch eine Beurteilung aller potenziellen positiven Wirkungen gegenüber allen potenziellen Nebenwirkungen und Nachteilen festgestellt wird. Dabei müssen Wahrscheinlich-keiten von Ansprechen bzw. Tumorkontrolle, deren Zeitdauer, dem dabei erzielten Gewinn an Zeit mit Freiheit von Krankheit oder Symptomen, möglichem Überlebens-gewinn, der Bedeutung und Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkung, deren Schwere-grad und Langfristigkeit gegenüber gestellt werden.
In diesem Sinne muss auch eine potenzielle krebsbefördernde Nebenwirkung von antitumoralen Behandlungsmethoden gesehen werden. Die Chemotherapie ist ein Teil der medikamentösen Tumortherapie, die neben der „klassischen“ Chemotherapie auch die Verwendung molekular und immunologisch zielgerichteter sowie antihormoneller Therapien umfasst.
Sie ist damit ein wesentlicher Bestandteil aller in Frage kommenden Behandlungs-möglichkeiten von Tumorerkrankungen, die zudem eine breite Palette chirurgischer und lokal interventioneller sowie strahlentherapeutischer Methoden als tumorkausale Behandlungsmöglichkeiten beinhalten.
Fragen 1 bis 3:
Die zitierte Studie (Sun et al., Nature Medicine, 18(9) 1359-1368) untersucht und belegt den Einfluss der Umgebung auf die Resistenzentwicklung von Tumorzellen. Das Grundkonzept dieser Untersuchungen ist keineswegs neu, es wird aber ein spezieller molekularer Mechanismus aufgezeigt, der bei einigen Tumoren und dessen Unterbrechung für die Entwicklung neuer Medikamente Bedeutung haben kann.
Dabei handelt es sich um eine basiswissenschaftliche Arbeit, die auf absehbare Zeit entsprechende Forschung fördern kann, es ergeben sich aber keine wie immer gearteten Konsequenzen für die klinische Praxis der Tumortherapie.
Fragen 4 und 8:
Kein anderes Krankheitsbild wird weltweit derart intensiv erforscht wie Ursache und Therapie von Krebserkrankungen. Die Pubmed als Literaturdatenbank enthält 2,7 Mio Publikationen zu Krebs, jährlich werden Tausende von neuen Arbeiten publiziert, wovon sich ein großer Teil mit dem Nutzen und den Nebenwirkungen von Tumortherapie beschäftigt. In Österreich wird von Arbeitsgruppen wie der AGMT, ABCSG, CECOG etc. eine sehr hohe Anzahl klinischer Studien initiiert, zudem finden an den großen Zentren eine Vielzahl von klinischen Studien zur Feststellung des Nutzens und der Verbesserungsmöglichkeiten von Chemotherapien statt.
Dies wird einerseits durch klinische Studien an meist selektierten Patient/inn/en dokumentiert, andererseits durch klinische Krebsregister ebenfalls weltweit und auch in Österreich festgehalten.
Zwischen 1980 und 2008 hat in Österreich die Krebssterblichkeit um ca. 38 Prozent abgenommen, wovon der wesentlichste Teil auf die Verbesserung der Therapie und dabei der höchste Anteil auf die Verbesserung der medikamentösen Tumortherapie zurückzuführen ist. In den Jahren 2001 bis 2006 hat sich der Rückgang der jährlichen Sterblichkeit mit fast 1,6 Prozent pro Jahr in den USA gegenüber den 0,8 Prozent pro Jahr des vorangegangenen 5-Jahreszeitraums praktisch verdoppelt. Es ist zu erwarten, dass die Ergebnisse zwischen 2006 und 2012 nochmals verbessert sein sollten. Viele Erkrankungen können heute weit erfolgreicher behandelt werden als noch vor wenigen Jahren, zudem werden derzeit weltweit fast 800 neue Medikamente zur Behandlung von Krebs entwickelt.
Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass beim gezielten, wissenschaftlich orientierten und klinisch erfahrenen Einsatz der Nutzen gegenüber den Nebenwirkungen der Chemotherapie überwiegt.
Frage 5:
Eine exakte Bewertung des Kostenanteils der Chemotherapeutika in den abgerechneten stationären Fallpauschalen ist nicht möglich, ebenso ist der Anteil ambulant abgerechneter Chemotherapien nicht bekannt.
Eine europaweite Studie hat ergeben, dass die Gesamtkosten aller Formen von Krebstherapie (Medikamentöse Therapie, Operation, Strahlentherapie etc.) bei ca. 6,5 Prozent der Gesamtgesundheitsausgaben liegen. Die gesamte medikamentöse Tumortherapie (inklusive der „klassischen Chemotherapie“) ist dabei für ca. 0,8 bis 1,3 Prozent der Gesundheitsausgaben verantwortlich.
Frage 6 und 7:
Wie bereits eingangs erwähnt, ist dies eine Frage der Terminologie. Medikamentöse Tumortherapie umfasst Chemotherapie, endokrine, immunologische und molekulare Therapien in Fällen blutbildender Tumoren naturgemäß auch unter Inklusion von autologen oder allogenen Stammzelltransplantationen.
Letztlich müssen sich alle in Frage kommenden oder postulierten Therapieansätze einem naturwissenschaftlich methodischen Ansatz höchster Stringenz stellen, mit dem Wirkung und Nebenwirkung festgestellt werden. Es gibt daher in diesem Sinne auf höchstem Niveau der Austestungsqualität nur erfolgreiche oder nicht erfolgreiche, adäquat und inadäquat auf Verträglichkeit und Erfolg getestete Medikamente. Das Labeling von Begriffen, in welcher Weise auch immer, ist demgegenüber ohne Bedeutung.
„Alternative“ Therapien, im englischen Sprachraum Complementary and Alternative Medicine (CAM), umfassen eine Vielzahl von Möglichkeiten. Darunter sind Methoden wie Homöopathie, Kräutertherapien, Hunger- oder Saftkuren, Mistelbehandlungen und viele andere Methoden zu verstehen. Einige dieser Behandlungsformen sind mit dem Potenzial zur Inaktivierung der Chemo- oder Radiotherapie und damit hohem Schadenspotenzial verbunden, andere enthalten unbekannte Giftstoffe oder sind auch selbst cancerogen. Diese alternativmedizinischen Verfahren sind auch keine „Krebstherapie“ per se sondern können in bestimmten Fällen Symptome lindern oder bei der Bewältigung der Krebserkrankung unterstützen. Eine alleinige Verwendung dieser alternativen Methoden zu Behandlung einer aktiven Krebserkrankung entspricht nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Wird dieser Grundsatz nicht berücksichtigt, so setzt sich ein Arzt zumindest dem Vorwurf der Übernahme- oder Einlassungsfahrlässigkeit aus, wonach er durch die ausschließliche Verwendung einer „Alternativtherapie“ im Falle einer Krebserkrankung in eine Situation geraten kann, deren Gefahr und Schadensabwehr er nicht beherrschen kann.
Frage 9:
Die Ernährungstherapie spielt als tumorkausale Behandlung aktiver Krebserkrankungen keine Rolle. Ernährungstherapie ist jedoch in der Phase schwerer akuten Nebenwirkungen bei Radiochemotherapien oder auch alleiniger Chemo- oder operativer Therapieverfahren von Bedeutung, um ausreichende Kalorien- und Nährstoffzufuhr zu erlauben, zudem kann das Einhalten bestimmter Ernährungsgewohnheiten in der Primär- und Sekundärprävention eine Rolle spielen.