14377/AB XXIV. GP

Eingelangt am 04.07.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 14977/J des Abgeordneten Kickl und weiterer Abgeordneter betreffend Umsetzung des Regierungsprogramms für die XXIV. Gesetzgebungsperiode – Modernes und flexibles Arbeitsrecht schaffen wie folgt:

 

Fragen 1 und 2:

 

Zu der im Regierungsprogramm für die laufende Legislaturperiode vorgesehen Maßnahmen einer Neukodifizierung des Arbeitsrechts zur Beseitigung der derzeitigen Rechtszersplitterung sowie zur Schaffung eines Arbeitsvertragsrechts nach Vorschlägen der Sozialpartner halte ich Folgendes fest:

 

Das Arbeitsvertragsrecht bildet die Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen. Im Hinblick auf die Bedeutung dieses Rechtsgebietes stellt die Schaffung eines einheitlichen und modernen Arbeitsvertragsrechts eine große Herausforderung dar. In Anbetracht der Komplexität dieses äußerst ambitionierten Vorhabens geht es zunächst um die Klärung der zu regelnden inhaltlichen Schwerpunkte und die Festlegung der Struktur eines solchen Arbeitsvertragsrechtsgesetzes.

 

Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses „Strukturierungsvorschlags“ ergeben sich grundsätzlich aus dem Regierungsprogramm. Dazu zählen insbesondere:

·      Die Zusammenfassung sämtlicher arbeitsvertragsrechtlicher Bestimmungen in einem einheitlichen Arbeitsvertragsrechtsgesetz mit dem Ziel, die bisherige Rechtszersplitterung zu beseitigen.

·      Die Modernisierung des Arbeitsrechts unter Berücksichtigung der Rechtsprechung sowie der Lehre; zu denken ist hier etwa an:

Ø die Modernisierung und Vereinheitlichung der derzeit bestehenden Austritts- und Entlassungsgründe im Angestelltengesetz und in der Gewerbeordnung,

Ø die Schaffung eines modernen Entgeltbegriffs,

Ø die Modernisierung der Fürsorge- und Treuepflicht.

·      Die Schaffung eines einheitlichen und modernen Arbeitnehmerbegriffs:
Die unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Arbeiter/innen und Angestellte sind historisch bedingt und beruhen auf heute zum Teil überholten Kriterien. Eine Gleichsetzung der Angestelltentätigkeiten mit Dienstleistungsarbeiten bzw. der Arbeitertätigkeiten mit Arbeiten in der Warenproduktion entspricht nicht mehr den heutigen betrieblichen Gegebenheiten. Durch den Einsatz neuer Technologien, aber auch durch die immer höhere Qualifikation vieler Arbeiter/innen und entsprechender Anforderungsprofile von Arbeitertätigkeiten werden die Abgrenzungen immer unschärfer und ungerechter, was zu erheblichen Abgrenzungs- und Zuordnungsproblemen führt.

Bei der Schaffung eines „modernen“ Arbeitnehmerbegriffs dürfen die organisatorischen und technischen Neuerungen der heutigen Arbeitswelt und das Entstehen neuer Arbeitsformen nicht außer Acht gelassen werden. Es kann nicht darum gehen, neue Arbeitsformen, die teilweise auch den Bedürfnissen der Beschäftigten durch größere Flexibilität und Selbständigkeit entgegenkommen, zu verbieten. Es wird vielmehr um die Frage gehen, in welcher Form und in welchem Umfang den solcherart Beschäftigten der notwendige (soziale) Schutz im Arbeitsleben garantiert werden muss.

·      Maßnahmen im Bereich der (betrieblichen und überbetrieblichen) Mitbestimmung der Arbeitnehmer/innen und der Rechtsdurchsetzung:

Beim letzteren Thema wird es darum gehen, einen leichteren Rechtszugang für Arbeitnehmer/innen zu schaffen. Besondere Beachtung ist einer möglichst einfachen und wirksamen Durchsetzbarkeit der Normen zu schenken.

 

Die Bedeutung der Kodifikation des Arbeitsrechts sowie die Schaffung eines modernen und einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs zeigt sich bereits daran, dass ein Strukturierungsvorschlag zur Umsetzung dieses Gesamtpaketes - wie im Regierungsprogramm vorgesehen – auf Grundlage von gemeinsamen Vorschlägen der Sozialpartner erarbeitet werden soll. Erst im Anschluss daran kann mit der konkreten Planung und Umsetzung dieses Vorhabens auf Expertenebene begonnen werden, wobei darauf geachtet werden muss, dass dieses Vorhaben der Bundesregierung sowohl aus rechtswissenschaftlicher aber auch aus sozialpolitischer Hinsicht mit größter Gründlichkeit und Genauigkeit unter Einbeziehung der Sozialpartner vorbereitet und durchgeführt wird.

 

Bedauerlicher Weise sind die Gespräche mit den Sozialpartnern bis jetzt nicht zufriedenstellend verlaufen. Über erste Festlegungen zu einem Arbeitspaket zur Modernisierung bzw. Vereinheitlichung der Regelungen über die Dienstfreistellung für Angestellte und Arbeiter/innen und der Entlassungs- und Austrittsgründe insbesondere für den Arbeiter/innenbereich konnten die Verhandlungen nicht hinausgelangen.

 

Da aber bei einer derart grundlegenden und für die nächsten Jahrzehnte wirkenden Reform im Arbeitsrecht jedenfalls eine Einigung bzw. Zustimmung der Sozialpartner als den die Reform in der arbeitsrechtlichen Praxis mittragenden Akteuren notwendig erscheint, werden weiterhin Versuche unternommen werden müssen, um die Reformgespräche wieder aufzunehmen und weiterzuführen. Selbstverständlich wird sich mein Ressort weiterhin mit Nachdruck für eine Umsetzung des Gesamtprojekts einsetzen.

Frage 3:

„Nachteile“ – wenn man es so überhaupt bezeichnen kann - erwachsen durch die Nichtumsetzung dieser Maßnahmen lediglich insoweit, als die bestehende Rechtszersplitterung sowie die – wie bereits oben ausgeführt - noch in Teilbereichen bestehende Differenzierung zwischen Arbeiter/innen und Angestellte prolongiert wird.

Ich darf jedoch festzuhalten, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit mehrfach (etwa mit der Vereinheitlichung des Urlaubsrechts und dem Mutterschutzgesetz und Väterkarenzgesetz) sowie in jüngerer Zeit verstärkt dem Anliegen der rechtlichen Gleichstellung zwischen Arbeiter/innen und Angestellten Rechnung getragen hat. Zu nennen ist hier insb. das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, aber auch das Gleichbehandlungsgesetz. Einen weiteren Mosaikstein auf diesem Weg bildet die Ausweitung des Konkurrenzklauselrechts auf alle Arbeitsverhältnisse im Jahr 2006, nach der auch Arbeiter/innen von den diesen Konkurrenzklauseln einschränkenden Regelungen erfasst werden.

 

Weiters darf ich auf den mit 1.1.2013 erfolgten „Lückenschluss“ bei der Pflegefreistellung verweisen, indem - gleichermaßen zwingend für Arbeiter/innen wie Angestellte – der Anspruch auf Pflegefreistellung auch auf Patchwork- Kinder ausgeweitet sowie ein Anspruch der Eltern auf Begleitung ihres noch nicht zehnjährigen Kindes bei einem Krankenhausaufenthalt ihres Kindes geschaffen wurde. Der Anspruch auf Krankenhausbegleitung besteht auch für im gemeinsamen Haushalt lebende Patchwork- Kinder. Weiters besteht nunmehr ein Anspruch der leiblichen Eltern auf Pflegefreistellung nach Scheidung/Trennung unabhängig davon, ob das erkrankte leibliche Kind im gemeinsamen Haushalt lebt oder nicht.

 

Die jüngste Maßnahme zur Beseitigung der bestehenden Rechtszersplitterung bildet die Neuregelung, dass in Katastrophenfällen, in denen ein Arbeiter oder eine Arbeiterin persönlich betroffen ist, die Dienstfreistellungsregelung des § 1154b Abs. 5 ABGB nicht mehr wie bisher durch Kollektivvertrag abbedungen werden kann. Ziel ist es, für den Katastrophenfall eine Angleichung der für Arbeiter/innen und Angestellte geltenden Regelung herzustellen. Ein entsprechender Initiativantrag dazu wurde im Parlament bereits beschlossen.