1464/AB XXIV. GP
Eingelangt am 20.05.2009
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möglich.
BM für Unterricht, Kunst und Kultur
Anfragebeantwortung
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Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien
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Geschäftszahl: |
BMUKK-10.000/0115-III/4a/2009 |
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Wien, 19. Mai 2009
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1490J-NR/2009 betreffend das österreichische Islamgesetz von 1912, die die Abg. Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen am 25. März 2009 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Es wird einleitend darauf hingewiesen, dass nach dem Islamgesetz aus dem Jahr 1912 einige, teilweise grundlegende, Veränderungen im Rechtsbestand stattfanden. Es wird exemplarisch auf die Bestimmungen des Staatsvertrages von St. Germain und die in Österreich im Verfassungsrang stehende Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere Art. 9 hingewiesen. Weiters darf auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Islamgesetz vom 10.12.1987 (VfGH Slg. 11574/1987; ÖAKR 37/1987/88/353 ff) aufmerksam gemacht werden.
Zu Frage 1:
Hierzu ist festzuhalten, dass ein oberstes Organ der österreichischen Verwaltung Erklärungen nur für den Bereich seiner Vollziehung abgeben kann und darf. Für Österreich wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.12.1987 hingewiesen.
Zu Fragen 2 und 3:
Der Begriff „Kultusgemeinde“ im Gesetz bezieht sich auf eine territorial begrenzte Gemeinde, die nur einen Teil der Islamischen Glaubensgemeinschaft darstellt. Nach dem in ihrer Verfassung dargelegten Selbstverständnis spricht die Glaubensgemeinschaft von Religionsgemeinden. Die Frage Selbstbestimmung und Selbstverwaltung ist zu trennen von der Frage nach der Handlungsfähigkeit, die in der Fragestellung wohl eigentlich gemeint war. Bei den Rechten auf Selbstbestimmung und Selbstverwaltung handelt es sich um, durch das Grundrecht auf Religionsfreiheit, insbesondere aufgrund Art. 15 Staatsgrundgesetz 1867 geschützte, fundamentale Rechte von Kirchen und Religionsgesellschaften, die jeder gesetzlich anerkannten Kirche und Religionsgesellschaft zustehen.
Getrennt davon ist die Frage nach der Handlungsfähigkeit einer Kirche und Religionsgesellschaft zu betrachten. Dafür bedarf es handlungsfähiger Organe, wobei hierzu auf die zu diesem Bereich ergangene Judikatur und Literatur hingewiesen werden darf.
Zu Fragen 4 und 5 sowie 27 bis 29:
Das Islamgesetz ist teilweise nicht mehr anwendbar, insbesondere die in der Anfrage erwähnten Sondernormen für Bosnien und Hercegovina sind aufgrund faktischer und rechtlicher Veränderungen, auf welche bereits einleitend hingewiesen wurde, obsolet.
Zu Fragen 6 bis 10:
Hierüber werden keine zentralen Aufzeichnungen geführt, für ein aufsichtsbehördliches Eingreifen bestand bisher jedenfalls keine Notwendigkeit.
Zu Frage 11:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des § 4 Islamgesetz aus einer Zeit stammt, in welcher eine andere Begrifflichkeit im Strafrecht in Verwendung stand. In der modernen Begrifflichkeit entspricht dies Verurteilungen wegen mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe, von sonstigen strafbaren Handlungen nur dann, wenn sie mit Bereicherungsvorsatz begangen wurden oder eine strafbare Handlung des Zehnten Abschnittes des StGB darstellen. Zum Begriff der öffentlichen Ordnung darf auf den Staatsvertrag von St. Germain sowie Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention und die dazu erschienenen wissenschaftlichen Kommentare und höchstgerichtlichen Erkenntnisse hingewiesen werden.
Auch Religionslehrkräfte sind Religionsdiener im weiteren Sinn. Normadressat der Regelung ist die islamische Glaubensgemeinschaft. Es obliegt daher der Glaubengemeinschaft eine allenfalls erforderliche Entfernung aus dem Amt vorzunehmen.
Zu Fragen 12 bis 17:
Jene 14 Lehrkräfte der über 400 Religionslehrerinnen und Religionslehrer, bei denen von den Landesschulräten bzw. dem Stadtschulrat für Wien mangelhafte Deutsch-Kenntnisse festgestellt wurden, müssen Sprachförderkurse besuchen und bis Herbst adäquate Deutsch-Kenntnisse vorweisen. Ansonsten haben sie mit dem Entzug der Unterrichtserlaubnis zu rechnen.
Zu Fragen 18 bis 23:
Aufgrund des für Kirchen und Religionsgesellschaften geltenden Sachlichkeitsgebotes wäre eine allgemeine Erhebung über die Kenntnisse der Unterrichtssprache aufgrund von Problemen, die bei einer Religionsgesellschaft aufgetreten sind, eine sachlich nicht zulässige und daher letztendlich rechtswidrige Vorgangsweise. Inwieweit bei Kirchen und Religionsgesellschaften in Zukunft solche Überprüfungen, allgemein oder auch nur in Einzelfällen, notwendig werden können, hängt von derzeit nicht vorhersehbaren Entwicklungen in den jeweiligen Konfessionen ab.
Für die gesetzlich anerkannten Kirchen darf darauf hingewiesen werden, dass diese seit Oktober 2007 die Ausbildung ihrer Religionslehrkräfte in weiten Teilen gemeinsam organisieren und hier gerade für die erst seit relativ wenigen Jahren in Österreich tätigen Kirchen Synergien entstehen.
Selbstverständlich wird bei einem Zweifel an den Fertigkeiten in der Unterrichtssprache auch bei anderen Konfessionen die sprachliche Qualifikation überprüft. Bei anderen Konfessionen, beispielsweise einer Lehrkraft aus dem serbischen Bereich, kam es in insgesamt fünf Fällen zu einem Schulungsbedarf.
Zu Frage 24:
Diese Bestimmung aus dem Jahr 1912 ist durch die Weiterentwicklung der österreichischen Rechtsordnung und der Verwaltung überholt. Zum besseren allgemeinen Verständnis darf darauf hingewiesen werden, dass bis 1938 in Österreich die Geburts-, Ehe- und Sterberegister nicht durch den Staat, sondern durch die Kirchen und Religionsgesellschaften geführt wurden, was heute nicht mehr zutreffend ist.
Zu Fragen 25 und 26:
Der Islam ist eine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft, die bestimmten, bei der Entstehung auf sie abgestimmten, Rechtsnormen unterliegt. Wie bereits bei Schaffung des Islamgesetzes im Jahre 1912 erkannt wurde, findet sich im Lehrbestand des gesamten Islam an Glaubens- und Sittenvorschriften manche Auffassung, dem der volle Schutz des Art. 15 Staatsgrundgesetz 1867 wegen seines Gegensatzes zum staatlichen Recht nicht eingeräumt werden kann. Als Beispiel sei auf die Polygamie hingewiesen, die, auch wenn sie im praktischen Leben der hier lebenden Anhänger des Islam keine Rolle spielt, so doch als innerkonfessionelle Möglichkeit besteht.
In den vergangenen Jahren hat die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich viel dazu beigetragen bei manchen angeblichen Glaubensregelungen Klarheit zu schaffen. Insbesondere ist auf die Schlusserklärungen der Imam-Konferenzen hinzuweisen, wobei als Beispiel auf die Frage der Zwangsehe hingewiesen wird, wo die Imame und die Islamische Glaubensgemeinschaft klar festgehalten haben, dass diese im Islam nicht nur keine Grundlage habe, sondern gegen die Rechte der Frau im Islam verstoße.
Zu Frage 30:
Das Bundesministeriengesetz 1986, BGBl. Nr. 76, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 3/2009 ordnet in der Anlage zu § 2 Abschnitt J Z 6 „Angelegenheiten des Kultus“, sohin den Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG, dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur zu.
Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied eh.