14702/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.08.2013
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0085-I/3/2013

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 06. August 2013

 

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Werner Neubauer, Kolleginnen und

                        Kollegen vom 07. Juni 2013, Nr. 15017/J, betreffend Bilanz des

                        Umweltministers im Bereich der Atompolitik

 

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen vom 07. Juni 2013, Nr. 15017/J, teile ich Folgendes mit:

 

Die Österreichische Bundesregierung hält weiterhin an ihrer aktiven Anti-Atom-Politik fest und lehnt die Nutzung der Kernenergie im Allgemeinen sowie den Neubau/Ausbau von Kernkraftwerken im Besonderen entschieden ab. Grundsätzlich bleibt der generelle Ausstieg aus der energetischen Nutzung der Kernenergie unser Ziel. Bedauerlicherweise halten aber trotz der Katastrophe von Fukushima nach wie vor einige EU-Mitgliedstaaten an der Kernenergienutzung fest, ein tiefgreifendes Umdenken ist in der nahen Zukunft leider nicht zu erwarten.


Es ist auch zur Kenntnis zu nehmen, dass es derzeit nach Auffassung zahlreicher Rechtsexperten kein spezielles Rechtsmittel zur Verhinderung von Kernkraftwerken gibt, sofern die genehmigende Behörde die geltenden Rechtsvorschriften einhält und, im Falle eines EU-Mitgliedstaates, EU-Recht eingehalten wird.

 

Dass ein diesbezügliches Umdenken nicht umfassend und tiefgreifend war, zeigt sich auch an den von mir initiierten Stresstests. Die Stresstests haben wichtige Erkenntnisse in vielen Bereichen geliefert und zahlreiche Mängel deutlich aufgezeigt. Nunmehr wird es aber gewaltiger Anstrengungen aller Beteiligten bedürfen, nicht wieder zur Tagesordnung zurückzukehren, sondern die notwendigen Lehren aus den Stresstests zu ziehen und entsprechende Taten folgen zu lassen, um eine vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlungen sicherzustellen. Für mich gilt nach wie vor: Entweder werden Kernkraftwerke auf aktuelle Sicherheitsstandards und den Ergebnissen der Stresstests entsprechend nachgerüstet oder sie sind abzuschalten.

 

Alle mit der Thematik betroffenen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung machen so wie ich selbst bei jeder Gelegenheit auf die Gefahren der energetischen Nutzung der Kernenergie aufmerksam und argumentieren deren Ablehnung auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene. Da nun einerseits Energiepolitik national bestimmt wird und es andererseits nach wie vor keine verbindlichen Mindestsicherheitskriterien auf europäischer oder internationaler Ebene gibt, muss Österreich bei allen Anlagen, die ein potenzielles Risiko für Österreich darstellen, auf maximale Sicherheit drängen.

 

Zur Erreichung dieser Ziele steht eine Reihe politischer, administrativer sowie rechtlicher Instrumente zur Verfügung. Insgesamt ermöglichen diese Instrumente eine akzentuierte Vertretung österreichischer Interessen, die jedoch die Grenzen, die durch die nationale Souveränität anderer Staaten definiert werden, anerkennen muss.

 

Das umweltpolitische Ziel des BMLFUW ist Energieautarkie. Österreich könnte bis 2050 Selbstversorger mit Energie aus Wind-, Sonnen-, Wasserkraft und Biomasse sein. Energieautarkie auf Basis der erneuerbaren Energieträger ist ein schlüssiges Gesamtkonzept, bei dem alle profitieren: Die Menschen, die Umwelt, das Klima, der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft. Davon müssen wir auch andere Staaten überzeugen.

 

Die einzelnen Fragen, soweit sie einen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffen, beantworte ich wie folgt:


Zu Frage 1:

 

Es wird auf die einleitenden Ausführungen verwiesen. Darüber hinaus sei versichert, dass Österreich seine Bedenken betreffend die Blöcke 3 und 4 mit allen gebotenen Mitteln im Rahmen des UVP-Verfahrens eingebracht hat. Bezüglich der Details zum UVP-Verfahren darf auf die Internetseite des Umweltbundesamtes verwiesen werden, wo im Auftrag des BMLFUW alle verfahrensrelevanten Unterlagen zu allen Verfahren, an denen sich Österreich beteiligt, als umfassende Dienstleistung des BMLFUW veröffentlicht werden.

 

Zu Frage 2:

 

Wie im Regierungsprogramm ausgeführt, wird die Bundesregierung in allen Fällen von kerntechnischen Anlagen, die negative Auswirkungen auf Österreich haben oder haben könnten, alle rechtlichen Möglichkeiten zur Wahrung österreichischer Sicherheitsinteressen nutzen. Da es sich vorerst um eine Standortsuche handelt und somit noch kein formelles Genehmigungsverfahren eingeleitet wurde, kommen diesbezügliche völker- bzw. europarechtliche Bestimmungen (u. a. UVP-Verfahren) noch nicht zum Tragen. Wohl aber wird das bilaterale „Nuklearinformationsabkommen“ dazu genützt, Österreichs Bedenken vorzubringen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bleibt die Zusammenarbeit mit den zuständigen tschechischen Behörden essentiell.

 

Zu Frage 3:

 

Betreffend die Frage der Nuklearhaftung sei auf die Zuständigkeit der Bundesministerin für Justiz, betreffend Wettbewerbs- und Beihilfefragen sowie die Frage der Subvention der Kernenergie auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend verwiesen.

 

Die gegenwärtigen nationalen und internationalen Nuklearhaftungsregime sind in hohem Maße unbefriedigend, weshalb Österreich keines der diesbezüglichen internationalen Abkommen ratifiziert hat. Das österreichische Atomhaftungsrecht enthält für potentiell Geschädigte vorteilhaftere Regelungen als die internationalen Nuklearhaftungsregime. So sind im Österreichischen Atomhaftungsgesetz (AtomHG, BGBl I Nr. 170/1998) im Gegensatz zu den internationalen Haftungssystemen keine Haftungsobergrenze sowie keine ausschließliche Haftung des Betreibers (Kanalisierung) vorgesehen.

 

Seit Bestehen des Österreichischen Atomhaftungsgesetzes ist Österreich bemüht, dieses als Vorzeigemodell darzustellen und hat entsprechende Vorschläge für eine angemessene Nuklearhaftung mit Nachdruck wiederholt in die Debatten eingebracht und damit die fundamentalen Unterschiede zwischen internationalen Haftungsregimen und dem Österreichischen Haftungsrecht deutlich gemacht.

 

Es ist ferner festzuhalten, dass die rechtlichen Möglichkeiten der Europäischen Kommission beschränkt sind. Der Euratom-Vertrag sieht die Regelung der Nuklearhaftung nicht explizit vor, lediglich für die Versicherung von kerntechnischen Anlagen gibt es durch Art. 98 Euratom-Vertrag eine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Art. 98 normiert in Absatz 2, dass der Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments auf Vorschlag der Kommission, die zuvor die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses einholt, mit qualifizierter Mehrheit Richtlinien für die Art und Weise der Anwendung dieses Artikels erlassen kann.

 

Grundsätzlich wäre eine EU-weite Harmonisierung der Nuklearhaftungsregeln zu begrüßen. Ob die von der Europäischen Kommission angekündigten Legislativmaßnahmen zum Thema Nuklearhaftung eine substantielle Verbesserung im Vergleich zu den internationalen Haftungsregimen darstellen, bleibt abzuwarten. Österreich wird eventuelle Vorschläge der Europäischen Kommission sehr eingehend prüfen und vor oben erwähntem Hintergrund insbesondere darauf achten, dass die im österreichischen Atomhaftungsgesetz vorgesehenen (im Verhältnis zu den internationalen Nuklearhaftungsregimen) für potentiell Geschädigte vorteilhafteren Grundsätze vollinhaltlich Berücksichtigung finden und keinesfalls durchbrochen werden.

 

Im Zusammenhang mit der Debatte über die weitere europäische Klima- und Energiepolitik hat die Diskussion an Dynamik gewonnen. Bereits anlässlich des ersten Vorstoßes einiger Mitgliedstaaten, eine Ausnahme aus dem Wettbewerbs- und Beihilfenrecht erwirken zu wollen, um so eine direkte Förderung von kommerziellen Kernkraftwerken zu ermöglichen, habe ich mich umgehend mit einem Schreiben an Energiekommissar Öttinger gewandt und Österreichs strikte Ablehnung dieses Vorstoßes übermittelt.

 

Österreich lehnt strikt jede Ausnahme aus dem Wettbewerbs- und Beihilfenrecht für kommerzielle Kernkraftwerke ab. Nicht zuletzt auch deshalb, weil damit alle Bemühungen fortschrittlicher Mitgliedstaaten, erneuerbare Energieträger verstärkt einzusetzen und Energie effizienter zu nutzen, zunichte gemacht würden. Ohnehin knappe öffentliche EU- und nationale Mittel müssen weiterhin in Maßnahmen zur  Energieeffizienz und in Erneuerbare Energieträger investiert werden.


Diese Position wurde sowohl von mir als auch von Wirtschaftsminister Mitterlehner beim informellen Energie- und Umweltministerrat am 22. und 23. April 2013 in Dublin nachdrücklich vertreten.

 

Zu Frage 4:

 

Mit dem Beschluss des Bundesgesetzes über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) wurde Kontinuität und Planungssicherheit für die Erzeugung von Ökostrom in Österreich geschaffen. Ziel des Ökostromgesetzes 2012 ist unter anderem, die Abhängigkeit von Atomstromimporten bis 2015 bilanziell zu beseitigen.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Angelegenheiten der Kennzeichnung von Strom fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend. 

 

Zu den Fragen 7 bis 9:

 

Unter Bezug auf die einleitenden Ausführungen sei festgehalten, dass sowohl Slowenien als auch die Slowakei zu jenen Staaten gehören, die bedauerlicherweise noch immer an der Kernenergienutzung festhalten. „Ausstiegsverhandlungen“ setzen die Gesprächsbereitschaft des Partners voraus.

 

Generell gilt, dass die Projekte in den Nachbarstaaten Gegenstand des Informationsaustausches und der Konsultation im Rahmen der bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“ sind.

 

Zu Frage 10:

 

Das Ziel bleibt weiterhin der generelle Ausstieg aus der energetischen Nutzung der Kernenergie. Bis dahin gilt es, zum Schutz der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt, die Sicherheit von Kernkraftwerken, aber auch von anderen kerntechnischen Anlagen, ständig zu verbessern. Dass Österreich hier einen ganz wichtigen Beitrag leisten kann, haben zuletzt die Stresstests für europäische Kernkraftwerke gezeigt.

 

Der Bundesminister: