14862/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.08.2013
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

Alois Stöger

Bundesminister

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0205-I/A/15/2013

Wien, am 13. August 2013

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 15219/J der Abgeordneten Kurt Grünewald, Helene Jarmer, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 bis 8:

Einleitend ist festzuhalten, dass zur Beantwortung der vorliegenden parlamenta-rischen Anfrage eine Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt wurde, die in die nachfolgenden Ausführungen mit einbezogen ist.


Zu den einzelnen Fragen ist vorab anzumerken, dass diese wegen ihrer Allgemeinheit nur überblicksweise behandelbar sind und die folgenden Ausführungen daher eine Darstellung in allgemein gehaltener Form beinhalten.

 

Zunächst ist in Übereinstimmung mit dem Hauptverband darauf hinzuweisen, dass die UN-Behindertenrechtskonvention keine unmittelbaren Ansprüche gegenüber der Sozialversicherung, wohl aber Handlungspflichten des Gesetzgebers auslöst, um jede Benachteiligung auf Grund einer Behinderung hintanzuhalten. Leistungsansprüche gegenüber der Sozialversicherung sind primär nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

 

Zuständigkeit bzw. leistungsrechtliche Beurteilung:

Innerhalb der Sozialversicherung ist die Zuständigkeit wie folgt geregelt:

Die Krankenversicherungsträger erbringen bei Verstümmelungen, Verunstaltungen und körperlichen Gebrechen, welche die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit oder die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wesentlich beeinträchtigen, Zuschüsse für Hilfsmittel nach § 154 ASVG („Hilfe bei körperlichen Gebrechen“), deren Höhe nach Maßgabe einer gesetzlichen Höchstgrenze durch die Satzung der einzelnen Versicherungsträger festzulegen ist. Im Rahmen der medizi-nischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung gemäß § 154a ASVG („im Anschluss an die Krankenbehandlung, um den Erfolg der Krankenbehand-lung zu sichern oder die Folgen der Krankheit zu erleichtern“) werden notwendige Hilfsmittel ohne Selbstbehalt und Kostenbegrenzung finanziert. Es ist wohl anzu-nehmen, dass die in Rede stehenden technischen Geräte zumeist nicht unter diesen Hilfsmittelbegriff fallen (weil sie der beruflichen oder sozialen Rehabilitation dienen), sodass die Krankenversicherungsträger lediglich in besonders begründeten Fällen Zuschüsse aus dem Unterstützungsfonds erbringen.

Die Träger der Pensionsversicherung können im Rahmen ihrer Zuständigkeit (für Pensionsversicherte sowie Bezieher/innen einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit) Maßnahmen der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation erbringen und in diesem gesetzlichen Rahmen auch Hilfsmittel finanzieren.

 

Die Träger der Unfallversicherung sind für Rehabilitationsmaßnahmen auf Grund der Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit zuständig.

Hilfsmittel der unterstützenden Kommunikation (UK) und assistierenden Technologien (AT) sind im Wesentlichen dem Bereich der Behindertenhilfe zuzuordnen.

Für die Behandlung, Rehabilitation und Beistellung von Heilbehelfen und Hilfsmitteln an körper- und mehrfachbehinderte Personen besteht eine Zuständigkeit der Bundes-länder aufgrund der Behinderten- bzw. Sozialhilfegesetze, sofern die Leistungen die geburtsbedingte Körper- und Mehrfachbehinderung betreffen.

Mittel der UK dienen dazu, den Betroffenen zu ermöglichen, durch die (wieder-)er­langte Kommunikationsfähigkeit am sozialen Leben teilzunehmen und damit in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd einzunehmen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass es sich bei Mitteln der UK um Geräte handelt, die Personen mit angeborenen Erkrankungen oder erworbenen Schädi-gungen, die zu einem teilweisen bis vollständigen Verlust der Sprache führen, die Kommunikation ermöglichen. Mittel der UK sind daher wohl in erster Linie Hilfsmittel zur sozialen Rehabilitation bzw. kommt im Einzelfall allenfalls eine Kostenübernahme aus dem Titel der beruflichen Rehabilitation aus der Pensionsversicherung oder der Unfallversicherung in Betracht, wenn es sich um eine erwerbstätige Person handelt, die dies zur Ausübung des Berufs benötigt.

 

Eine weite Auslegung der Legaldefinition des § 154 ASVG, die zu einer Wertung von Mitteln der UK als Hilfsmittel im Sinn des sozialen Krankenversicherungsrechts führte, hätte zur Folge, dass die Länder von ihrer Verpflichtung nach den Behindertenge-setzen entbunden wären und es somit zu einer Verlagerung von Kosten, die von den Ländern zu tragen sind, auf die Sozialversicherung käme.

Eine Aussage zur Leistungspflicht der Krankenversicherung für assistierende Techno-logien (AT) ist aufgrund der Fülle von konkreten Leistungen, die unter diesem Begriff zusammengefasst werden, nicht möglich. Die Sach- bzw. Rechtslage wird jedoch analog den Ausführungen zu Mitteln der UK zu bewerten sein.

Eine Änderung der Zuständigkeit hin zu den Sozialversicherungsträgern hätte auch für andere Bereiche präjudizielle Auswirkungen.

 

Einheitlicher Hilfsmittelkatalog:

Zu unterstützen wäre die Schaffung eines einheitlichen Hilfsmittelkataloges, in dem die Zuständigkeit für die Abgabe von Hilfsmitteln zwischen den Gebietskörper-schaften (Bund, Länder) und der Sozialversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensions-versicherung) verbindlich festgelegt wird.

 

Wie der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger in diesem Zusammenhang einschränkend anmerkt, entwickeln sich die Bereiche UK bzw. AT mit großer Rasanz, sodass die Anführung eines bestimmten Produkts in Hilfsmittelkata-logen oftmals wenig sinnvoll erscheint. Darüber hinaus handelt es sich immer um speziell angepasste Behelfe, sodass im Einzelfall eine medizinische und rechtliche Beurteilung stattfinden muss, ob es sich um von der Sozialversicherung zu finan-zierende Hilfsmittel handelt oder nicht.

Eine unterschiedliche Behandlung von einschlägigen Hilfsmitteln für UK oder AT einerseits und sonstigen Hilfsmitteln andererseits ist leistungsrechtlich nicht denkbar, sodass der konkrete Vorschlag bedeutsame finanzielle Auswirkungen für die Kranken­versicherungsträger hätte.

 

Einheitliche Anlaufstelle:

Der Befund der Abgeordneten, dass es durch die unterschiedlichen Kompetenzen einen erschwerten Zugang zu den Hilfsmitteln gibt, ist auch meiner Wahrnehmung nach zutreffend und es ergibt sich auch insgesamt gesehen ein Verwaltungsmehr-aufwand, weil die einzelnen zur Unterstützung berufenen Stellen jede für sich die Berechtigung der Versorgung prüfen müssen, Kostenvoranschläge einholen müssen etc.

Die Implementierung einer einzig zuständigen Anlaufstelle (Antragstellung, Finan-zierung) für Menschen mit besonderen Bedürfnissen ist daher zu befürworten, da gerade diese Bevölkerungsgruppe sozial besonders schutzbedürftig ist. Diese einheit-liche Anlaufstelle sollte praktischerweise bei den Sozialversicherungsträgern liegen.

 

Kostentragung:

Derzeit besteht ein allfälliger Anspruch gegenüber den Krankenversicherungsträgern nur auf einen Zuschuss, der zu einer nur teilweisen Kostenübernahme führt. Aufgrund der unterschiedlichen satzungsmäßigen Höchstgrenzen je Versicherungs-träger (wofür § 154 ASVG die Grundlage ist) sind derzeit die Kostenübernahme-beträge in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch.

Am zielführendsten im Interesse der Betroffenen erscheint eine Vereinbarung der in Frage kommenden Kostenträger Krankenversicherung und Land, nach der die Kosten zunächst voll übernommen werden und dann eine Kostenteilung stattfindet. Auch dafür wäre eine gesetzliche Grundlage zweckmäßig, welche im Rahmen der Umset-zungsmaßnahmen aufgrund der Vereinbarung nach Art. 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit vorgesehen werden könnte. Jedenfalls würde sich sowohl im Hinblick auf Hilfsmittel als auch medizinische Maßnahmen der Rehabilitation eine stärkere Abstimmung zwischen den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung und den auf Landesebene jeweils zuständigen Trägern anbieten. Dies könnte insbesondere über einen Ausbau bzw. die Weiterentwicklung von teilweise bereits praktizierten

Co-Finanzierungsmodellen für bestimmte Zielgruppen (z.B. Kinder mit Behinderungen oder mit besonderem psychosozialem Betreuungsbedarf etc.) erfolgen.

 

Ich darf daran erinnern, dass bereits jetzt im Abschnitt I des Bundesbehinderten-gesetzes, BGBl. Nr. 283/1990 idgF., ein Ansatzpunkt für die Wahrnehmung einer Koordinierung im Sinne einer Clearingstelle in Form der Teamberatungen der Rehabilitationsträger besteht. Aus meiner Sicht könnte der effizienten Umsetzung dieser Koordinationsaufgabe durch das Bundessozialamt stärkeres Augenmerk geschenkt werden.

 

Zusammenfassend zeigt sich die Problematik, dass die angesprochenen Hilfsmittel nur teilweise in die Leistungsverpflichtung der Träger der Sozialversicherung fallen und den Trägern der Sozial- und Behindertenhilfe diesbezüglich wesentliche Zuständigkeiten obliegen. Eine Verschiebung der Finanzierungsverantwortung von der Behindertenhilfe zur Sozialversicherung (wie sie den einschlägigen Forderungen letztlich implizit unterstellt werden muss) kann seitens der gesetzlichen Sozialver-sicherung weder aus kompetenzrechtlichen Erwägungen noch unter dem Gesichts-punkt der Verantwortung für die Sicherstellung eines finanziellen Gleichgewichts der ohnedies unter starkem Konsolidierungsdruck stehenden Krankenversicherungs-träger (wenn nicht zugleich für eine finanzielle Bedeckung zusätzlicher Aufgaben Sorge getragen wird) befürwortet werden.

 

Im Zusammenhang mit der vielfach - u.a. vom Monitoringausschuss - beklagten und bereits oben angesprochenen Zersplitterung der (sich aus der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung ergebenden) Zuständigkeiten bei der Kostentragung für Hilfs-mittel darf noch auf die Entschließung des Nationalrates vom 20. Oktober 2011,

204/E XXIV. GP, hingewiesen werden, mit der der Bundesminister für Gesundheit und

der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ersucht wurden, auch unter Berücksichtigung der Intentionen des Kindergesundheitsdialogs Lösungen für eine zentrale Anlaufstelle zur Bewilligung von Hilfsmitteln für Kinder zu erar-beiten. Aus diesem Anlass hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsu-mentenschutz das Bundessozialamt beauftragt, auf regionaler Ebene einen „round table“ mit Gebietskrankenkasse, Land und Bundessozialamt zu initiieren, in dem einerseits eine Bestandsaufnahme der Probleme, der derzeitigen Strukturen und Abläufe sowie Aspekte der Finanzierungszusagen erfolgen und andererseits Lösungs-vorschläge für administrative Erleichterungen, mögliche Prozessabläufe und Rahmen-bedingungen thematisiert werden sollten. Dabei sollte auch das Thema „Assistierende Technologien“ einfließen. Weiters sollte ein Pilotversuch im Land Oberösterreich unter Einbeziehung dieser Träger gestartet werden. Mein Ressort hat den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger um Unterstützung dieses Projektes ersucht. Ein offizielles verwertbares Ergebnis dazu liegt derzeit noch nicht vor.

 

Ambient Assisted Living (AAL) und Tele-Care sind Konzepte, die das alltägliche Leben älterer und benachteiligter Menschen situationsabhängig im alltäglichen Leben in ihrer vertrauten Umgebung (zu Hause, betreutes Wohnen etc.) unterstützen. Die Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflege sind zunehmend mit der entsprechenden Technologie in der häuslichen Betreuung konfrontiert und zeigen die Bedeutung dieser Technologie in der häuslichen Pflege auf.

Im Rahmen der Arbeiten zur Konkretisierung der Evaluierungsergebnisse der Aus-bildungen der Gesundheits- und Krankenpflege betonten die Expert/inn/en daher wiederholt das Erfordernis, entsprechende Grundkenntnisse zu assistierenden Tech-nologien in die generalistische Ausbildung zu integrieren. Ziel der Gesundheitspolitik muss sein, „Assistierende Technologien“ bei der nächsten Ausbildungsreform zu be-rücksichtigen, damit die Absolvent/inn/en über Grundkenntnisse in der Handhabung bzw. Bedienung der (sehr heterogenen) „Assistierenden Technologien“ verfügen, um die Zielgruppe sowie deren soziales Umfeld in der Bedienung der Geräte unterstützen zu können.