14941/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.08.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 15367 /J der Abgeordneten Doppler und weiterer Abgeordneter betreffend Kündigungen im Krankenstand wie folgt:
Frage 1:
Statistiken zum Thema Kündigungen im Krankenstand werden laut Auskunft der Statistik Austria nicht erstellt. Arbeitgeber/innen haben bei einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dem zuständigen Krankenversicherungsträger bloß den Umstand der Beendigung, nicht aber den rechtlichen Grund dafür zu melden.
Fragen 2 bis 4:
Zunächst möchte ich ganz grundsätzlich betonen, dass Kündigungen von Arbeitnehmer/innen, die sich im Krankenstand befinden, durch den/die Arbeitgeber/in, um sich damit die Entgeltfortzahlung zu ersparen, nicht nur moralisch unanständig, wie sich Präsident Kalliauer in der in der Anfrage zitierten Presseaussendung geäußert hat, sondern menschlich gesehen zutiefst verwerflich sind. Mit dem Arbeitsplatz wird diesen Menschen die materielle Existenzsicherung in Gestalt des Lohneinkommens in einer möglicherweise schwierigen Situation entzogen.
Rechtlich
gesehen stellt sich die Lage wie folgt dar:
Nach dem österreichischen Arbeitsrecht können unbefristete Arbeitsverhältnisse
durch Kündigung seitens des/der Arbeitgeber/in oder auch des/der
Arbeitnehmer/in beendet werden. Die Vertragspartner müssen sich zwar an
Kündigungsfristen und –termine halten, eine Kündigung muss aber
im Gegensatz zu einer Entlassung oder einem Austritt nicht begründet
werden. Grundsätzlich sind damit Kündigungen während des
Krankenstandes nicht unzulässig; unter bestimmten Umständen
können allerdings Kündigungen im Zusammenhang mit einer Erkrankung
vor dem Arbeits- und Sozialgericht als sozialwidrig angefochten werden.
Weiters sehen das Angestelltengesetz und das Entgeltfortzahlungsgesetz besondere Regelungen hinsichtlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vor, wenn das Arbeitsverhältnis vom/von der Arbeitgeber/in während eines Krankenstandes beendet wird. Danach wird die laufende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die der/die Arbeitgeber/in leisten muss, nicht durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unterbrochen oder beendet. Der/die Arbeitgeber/in hat das Entgelt auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses entsprechend der gesetzlich festgelegten Dauer der Entgeltfortzahlung hinaus weiter zu zahlen.
Bis zum Jahr 2000 bestanden für Arbeitnehmer/innen, deren Arbeitsverhältnisse dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) unterlagen, der sogenannte Entgeltfortzahlungs-Fonds, der bei den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern eingerichtet war. Dieser Fonds hatte die Aufgabe, Arbeitgeber/innen das an Arbeitnehmer/innen im Krankheitsfall fortgezahlte Entgelt zu erstatten. Der Fonds wurde im Wesentlichen durch Beiträge der Arbeitgeber/innen finanziert.
Mit dem durch die damalige ÖVP/FPÖ-Regierung initiierten Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 wurden die Regelungen über die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen im EFZG (§§ 8 ff EFZG) außer Kraft gesetzt. Begründet wurde die Beseitigung dieser Regelungen mit dem etwas lapidaren Hinweis, dass sich die bei Einführung des Entgeltfortzahlungsfonds gehegten Erwartungen nach einer Entlastung der Kleinbetriebe nicht erfüllt hätten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Kündigungen im Krankenstand im Wesentlichen kein Thema in der öffentlichen Diskussion.
Schon 2002 bzw. 2004 wurden wiederum – zunächst für Entgeltfortzahlungen der Arbeitgeber/innen bei Freizeit- und Arbeitsunfällen, 2004 auch für Entgeltfortzahlungen bei Erkrankungen – Regelungen über Zuschüsse an Dienstgeber/innen im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) geschaffen. Diese Bestimmungen sehen Zuschüsse an Klein- und Mittelbetriebe (Betriebe bis zu 50 Arbeitnehmer/innen) vor, die den Dienstgeber/innen die Kosten für die Entgeltfortzahlung in den genannten Fällen zum Teil ersetzen sollen. Nach den Erläuterungen zur Neuregelung aus 2004 wurde auf Anregung der Wirtschaftskammer Österreich diese Maßnahme im Hinblick auf im Zusammenhang mit der Abschaffung des EFZG-Fonds nach wie vor auftretende Problemen bei Kleinbetrieben wegen langandauernder und betriebsgefährdender Krankheitsfälle gesetzt.
Es muss aber heute festgestellt werden, dass auch diese Regelungen, die die Abschaffung des EFZ-Fonds im Jahr 2000 abmildern sollten, an der immer häufiger thematisierten Problematik der zunehmenden Anzahl von Kündigungen im Krankenstand nichts ändern konnten.
Auch ich bin daher der Ansicht, dass der durch die Abschaffung des EFZG-Fonds bzw. der Erstattungsregelungen des EFZG mitverursachte sozialpolitische Missstand der Kündigungen im Krankenstand beseitigt werden muss. Ob dies nun durch Schaffung von Kündigungsschutzregelungen nach dem Schweizer Vorbild oder einer mit den ASVG-Regelungen schon zum Teil beschrittenen Weg einer Wiedereinführung von Erstattungsregelungen bzw. einer Fonds-Lösung geschieht, sollte in bewährter Tradition zunächst mit den Sozialpartnern diskutiert werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieses Problem in der kommenden Legislaturperiode gelöst wird.