14992/AB XXIV. GP

Eingelangt am 28.08.2013
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

  Alois Stöger

  Bundesminister

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: BMG-11001/0216-I/A/15/2013

Wien, am 23. August 2013

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 15334/J der Abgeordneten Markowitz und Kollegen nach den mir vor­liegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1:

Haltungsschäden können viele Ursachen haben, eine der Hauptursachen für Haltungsprobleme bei Kindern ist jedoch der heute vorherrschende bewegungsarme Lebensstil. Durch langes Stillsitzen in der Schule und einseitiges Freizeitverhalten werden Beweglichkeit, Kraft und Koordinationsfähigkeiten nicht ausreichend trainiert und es kommt vermehrt zu Muskel- und Haltungsschwächen.

 

Der Bedeutung regelmäßiger körperlicher Aktivität Rechnung tragend, habe ich in dieser Legislaturperiode bereits mehrere Initiativen zur Bewegungsförderung gesetzt. Im Jahr 2010 wurden im Auftrag meines Ressorts gemeinsam mit der Gesundheit Österreich GmbH, Geschäftsbereich Fonds Gesundes Österreich (FGÖ), in Koope-ration mit zahlreichen Expert/inn/en „Österreichische Empfehlungen für gesundheits-wirksame Bewegung“ erarbeitet. Gemeinsam mit dem Sportministerium wurde als nächster wichtiger Schritt ein „Nationaler Aktionsplan Bewegung“ (NAP.b) präsen-tiert. Im NAP.b werden konkrete Bewegungsziele für die einzelnen Bevölkerungs-gruppen gesetzt und Empfehlungen für deren Umsetzung gegeben, wobei Kinder und Jugendliche eine wichtige Zielgruppe darstellen.

 

Der NAP.b versteht sich als Teil einer Gesundheitsstrategie und kann dabei bereits auf entsprechende Zielsetzungen und Empfehlungen aufbauen. Sowohl in der

Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie (Ziel 7: „Bewegung von Kindern und Jugendlichen ermöglichen und fördern“) als auch in den Rahmen-Gesundheitszielen (Ziel 8: Gesunde und sichere Bewegung im Alltag durch die entsprechende Gestaltung der Lebenswelten fördern“) wird bereits auf den positiven Effekt von regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Gesundheit Bezug genommen.

 

Frage 2:

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein bestimmtes Schultaschengewicht bei gesun­den Kindern zu Rückenschmerzen oder Haltungsschäden führt, sind neben den indi­viduellen Körperproportionen und neuromuskulären Fähigkeiten der Kinder eine Vielzahl von Einflussfaktoren, wie z.B. Tragezeit, Tragetechnik, tatsächliche Gewichts­belastung und Langzeiteinwirkung, Schulweg sowie Umfang und Art körperlicher Bewegung in Schule und Freizeit zu berücksichtigen. Zu der Frage nach Gesundheits-schädigungen durch zu schwere Schultaschen liegen mehrere zum Teil kontroverse Studien vor.

 

Meinem Ressort liegt u.a. die Studie „Problemkreis Haltung - Schulmöbel, Schul­taschen“ von Kluger R. & Kristen K. H. (Bundesministerium für Unterricht und kultu-relle Angelegenheiten, 1995, Wien) vor. Auch in dieser Studie kann die Frage, ob schwerere Schultaschen häufiger Rückenschmerzen verursachen, nicht eindeutig beantwortet werden, da Rückenschmerz ein viel zu komplexes und multifaktorielles Geschehen ist und z.B. psychische Belastung dabei eine große Rolle spielt. Das Maximalgewichtgewicht der Schultasche sollte 10 bis 12,5 Prozent des Körperge-wichtes nicht überschreiten, was auch dem Richtwert gemäß ÖNORM A 2170 entspricht.

 

Eine Studie der Universität des Saarlandes (Kid-Check, Dr. Oliver Ludwig) widerspricht dieser bisher vorherrschenden Empfehlung und kommt zu dem Schluss, dass ein mo­derates Schultaschengewicht von 15 Prozent keine Gefahr für den Kinderrücken dar­stellt, sondern sogar einen leichten Trainingseffekt für die Rückenmuskulatur hat.

Laut dieser Studie bekommt kein Kind mit normalem Körperbau langfristige Haltungs-schäden, wenn es täglich eine halbe Stunde seinen Rucksack trägt.

 

Im Gegensatz dazu haben Forscher um Dr. Timothy Neuschwander von der kaliforni­schen Universität in San Diego mittels Magnetresonanztomographie belegt, dass es mit zunehmendem Gewicht von Rucksäcken sowohl zu einer Kompression der Band­scheiben als auch zu einer lumbalen Asymmetrie kommt.

(Neuschwander TB et al.: The Effect of Backpacks on the Lumbar Spine in Children: A Standing Magnetic Resonance Imaging Study. Spine 2010)

 

Die deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention kommt nach Bewertung der diesbezüglichen Literatur zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen dem Schultaschengewicht und der beobachteten Zunahme von chronischen Rücken­schmerzen oder dem Auftreten von Haltungsschäden bei Kindern und Jugendlichen derzeit nach evidenzbasierten Kriterien nicht ausreichend belegt ist. Der Einfluss ex­trinsischer Faktoren auf die tatsächliche Gewichtsbelastung der Wirbelsäule durch die Schultasche erlaubt keine objektivierbare Empfehlung.

 

Frage 3:

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass nach § 66 Schulunterrichtsgesetz Schul­ärztinnen/-ärzte u.a. die Aufgabe haben, die Lehrer/innen in gesundheitlichen Fragen der Schüler/innen, soweit sie den Unterricht und den Schulbesuch betreffen, zu bera­ten und die hiefür erforderlichen Untersuchungen der Schüler/innen durchzuführen. Sofern bei Untersuchungen gesundheitliche Mängel festgestellt werden, sind die Schüler/innen hievon von den Schulärzt/inn/en in Kenntnis zu setzen.

 

Da die einseitige Betrachtung des Schultaschengewichtes als Ursache für Rücken­schmerzen und Haltungsschäden jedenfalls zu kurz greift, erscheint es aus Sicht des Gesundheitsressorts wichtig, dass Kinder durch adäquate Bewegung und Training besser auf die Herausforderungen des Alltags vorbereitet werden. Seitens meines Ressorts werden, wie bereits ausgeführt, zahlreiche Aktivitäten gesetzt, um das Be­wegungsverhalten von Kindern zu verbessern.

 

Maßnahmen für mehr Bewegung in Schulen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.

Seitens des FGÖ wurden u.a. auch praxisbezogene Projekte in Schulen zur Prävention von Haltungsschäden gefördert. Auch die GIVE-Servicestelle für Gesundheitsbildung, eine Initiative des Bundes­ministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, des Bundesministeriums für Gesund­heit und des Österreichischen Jugendrotkreuzes, bietet Informationsmaterialien für mehr Bewegung in der Schule an.

 

Abschließend möchte ich betonen, dass ich das von der Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vorgelegte 10‑Punkte‑Programm für den Ausbau von Bewegung und Sport in Schulen ausdrücklich als einen Schritt in die richtige Richtung begrüße.