15085/AB XXIV. GP

Eingelangt am 03.09.2013
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0182-Pr 1/2013


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 15344/J-NR/2013

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „schwerer Missstände im Jugendstrafvollzug“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 8:

Insassenstand zum Stichtag 30. Juni 2013 in den abgefragten Justizanstalten:


Zu 9 bis 11 sowie 18 und 19:

In der Justizanstalt Wien-Josefstadt dauert die Einschlusszeit für Jugendliche Montag bis Freitag von 18:00 bis 7:00 Uhr, für junge Erwachsene von 15:00 bis 7:00 Uhr. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen dauert die Einschlusszeit einheitlich von 15:00 bis 7:00 Uhr. Ein durchgehender Einschluss von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Zeit von Freitag 15:00 bis Montag 8:00 Uhr kommt grundsätzlich nicht vor.

In der Justizanstalt Gerasdorf dauert die Einschlusszeit grundsätzlich für alle vier Abteilungen Montag bis Freitag von 18:00 bis 7:00 Uhr. Alternierend haben aber jeweils zwei Abteilungen verlängerte Öffnungszeiten bis 20:00 Uhr. Jeden Samstag sind zwei Abteilungen ab 12:30 und zwei ab 15:00 Uhr gesperrt sowie an Sonn- und Feiertagen jeweils zwei Abteilungen ab 13:30 und zwei ab 16:00 Uhr.

Die Einschlusszeit in der Justizanstalt Schwarzau dauert täglich von 20:30 bis 7:00 Uhr, weil Jugendliche bzw. junge Erwachsene dort im Wohngruppenvollzug angehalten werden.

Zu 12 bis 14:

Zur Ermittlung der Anzahl der körperlichen Übergriffe wurden die aufgrund solcher Verdachtslagen durchgeführten Ordnungsstrafverfahren ausgewertet. Gemäß § 118 Abs. 2 StVG sind die Justizanstalten verpflichtet, jeden Verdacht einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, die nicht bloß auf Verlangen des Opfers zu verfolgen ist, der zuständigen Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Die Dokumentation der Ordnungsstrafverfahren, der Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaften sowie Aufzeichnungen über Verfahrensausgänge erfolgt anstaltsweise und ist deshalb nur bedingt vergleichbar. Daher ist eine Differenzierung zwischen Fällen, die neben einem Ordnungsstrafverfahren auch zu einem strafrechtlichen Verfahren führten, nicht immer möglich. Auch eine detaillierte und systematische Auswertung, welchen Verfahrensausgang die strafrechtlichen Verfahren nahmen, kann ressourcenbedingt nicht bewerkstelligt werden. Regelmäßig wird jedoch ein Teil der eingeleiteten Ermittlungsverfahren ergebnislos eingestellt, beispielsweise weil der Tatbestand nicht erfüllt oder ein Verdacht aufgrund der Beweislage nicht erhärtet werden konnte.

Die Justizanstalt Wien-Josefstadt, Jugenddepartement, brachte seit dem Jahr 2010 in insgesamt 54 Fällen den Verdacht eines körperlichen Übergriffes auf ein jugendliches mutmaßliches Opfers zur Anzeige (2010: 15, 2011: 14, 2012: 17; bis 26.7.2013: 8). Der Verdacht eines körperlichen Übergriffes auf einen jungen Erwachsenen führte seit 2010 in 27 Fällen zu einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft (2010: 8, 2011: 7, 2012: 9, bis 26.7.2013: 3). Die hier angeführten Fälle betreffen sowohl männliche, als auch weibliche Insassen.


In der Justizanstalt Gerasdorf werden keine differenzierenden Aufzeichnungen geführt, sodass nachfolgend auch Fälle erfasst sein können, die nicht zu einer Anzeigeerstattung bei der Staatsanwaltschaft führten. In der Justizanstalt Gerasdorf bestand seit 2010 in 68 Fällen der Anfangsverdacht eines körperliche Übergriffes auf einen Insassen (2010: 18, 2011: 23, 2012: 15, bis 30.6.2013: 12).

In der Justizanstalt Schwarzau bestand im Jahr 2011 in einem Fall der Verdacht eines körperlichen Übergriffes an einer dem Jugendstrafvollzug unterstellten Insassin.

Zu 15:

Im Jahr 2010 wurden in zwei Fällen Jugendliche wegen sexueller Übergriffe auf Mitinsassen verurteilt (erster Fall: Täter 17 Jahre alt, Opfer 16 Jahre alt; zweiter Fall: zwei Täter, jeweils 15 Jahre alt, Opfer 17 Jahre alt). Ein weiterer Fall aus dem Jahr 2010 zum Nachteil eines 20-jährigen mutmaßlichen Opfers führte zu einem Verfahren gegen unbekannte Täter, das derzeit gemäß § 197 Abs. 1 und 2 StPO abgebrochen ist. Jeweils ein Fall im Jahr 2011 (drei Täter im Alter von 18, 18 und 20 Jahren, Opfer 19 Jahre alt) und ein Fall im Jahr 2012 (Täter 20 Jahre alt, Opfer 21 Jahre alt) führten zu Verurteilungen von jungen Erwachsenen wegen sexueller Übergriffe auf Mitinsassen. In einem Fall aus dem Jahr 2013 (Verdächtige 16, 16 und 17 Jahre alt mutmaßliches Opfer 14 Jahre alt) ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Zu 16:

Im Jahr 2011 wurde in einem Fall ein Jugendlicher (17 Jahre alt) und ein junger Erwachsener (18 Jahre alt) wegen eines sexuellen Übergriffes zum Nachteil eines 17-jährigen Opfers verurteilt. In einem Fall aus dem Jahr 2013 (Verdächtiger 17 Jahre alt, mutmaßliches Opfer 16 Jahre alt) ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Zu 17:

In der Justizanstalt Schwarzau bestand in den Jahren 2010 bis 2012 sowie im ersten Halbjahr 2013 (bis Stichtag 30. Juni 2013) in keinem Fall der Verdacht eines sexuellen Übergriffes an Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Zu 20:

In der Justizanstalt Wien-Josefstadt ist ein eigener Sporthof (Hof 5) eingerichtet, der grundsätzlich nur von jugendlichen Insassen zu benutzen ist. Derzeit wird der Bodenbelag ausgetauscht, um ihn künftig bei jeder Witterung benützen zu können. Die Jugendlichen können täglich entscheiden, ob sie am Aufenthalt im Freien teilnehmen und/oder in den Sporthof gehen möchten. Organisation und Durchführung obliegen den in der Abteilung eingeteilten Justizwachebediensteten.


Die Benutzung des Turnsaals ist jeden Montag, Dienstag und Freitag für die erwachsenen Insassen vorgesehen. Für jugendliche Insassen steht der Turnsaal an diesen Tagen folglich nur eingeschränkt (in Absprache mit der „Freizeitbetreuerin Erwachsene“) zur Verfügung. Reserviert ist der Turnsaal für Jugendliche jeden Mittwoch (externer Fußballtrainer) und Donnerstag (externer Tischtennistrainer) von 7:30 bis 10:30 Uhr. Mittwochs findet von 11:30 bis 13:00 Uhr zudem eine Sporteinheit für die an Schnupperlehren teilnehmenden Insassen statt. An jedem Samstag, Sonntag und Feiertag ist der Turnsaal ganztägig für die jugendlichen Insassen reserviert.

Zu 21:

Nachdem der betroffene Jugendliche dem zuständigen Abteilungsbeamten der Jugendabteilung am 6. Mai 2013 gemeldet hatte, dass er von seinen drei Mitinsassen bedroht und misshandelt worden sei, wurde er unverzüglich dem zuständigen Anstaltsarzt vorgeführt, der Verletzungen leichten Grades feststellen konnte. Die Übergriffe dürften sich nach Einschluss in den Haftraum ereignet haben. Der betroffene Jugendliche wurde dann sogleich intensiv psychologisch betreut und so untergebracht, dass es zu keinem weiteren Kontakt mit den mutmaßlichen Tätern kommen konnte. Eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung gemäß § 118 Abs. 2 StVG wurde unverzüglich an die Staatsanwaltschaft Wien erstattet.

Zu 22:

Neben Maßnahmen der Sensibilisierung des Personals und der verstärkten Bemühung, externe Stellen (etwa die Kinder- und Jugendanwaltschaft) in den Jugendvollzug zu integrieren und den Jugendlichen dadurch externe Ansprechpartner in Problemlagen verfügbar zu machen, findet derzeit unter anderem eine Intensivierung der Kooperation mit der Volksanwaltschaft und der ihr unterstellten Kommissionen statt.

Darüber hinaus soll auch eine stärkere Partizipation der inhaftierten Jugendlichen stattfinden. So wird in der Justizanstalt Gerasdorf derzeit in einer Abteilung die Einbeziehung eines Insassensprechers in das Abteilungsgeschehen erarbeitet. Nach Evaluation kann das Konzept auch in die anderen Abteilungen übernommen werden. Die Insassen erhalten zudem die Möglichkeit – etwa durch Teilnahme im Fachteam – die Inhalte des Vollzugsplans nicht nur zu erfahren, sondern auch nachvollziehen zu können. Durch diese Transparenz soll die Identifikation mit den Vollzugszielen nachhaltig erhöht werden.

In der Justizanstalt Wien-Josefstadt wurden folgende Maßnahmen bereits umgesetzt:

·         Grundsatz der Zwei-Personen-Belegung: Für sämtliche Hafträume, die zur Unterbringung von Jugendlichen dienen, ist eine Normalbelagsfähigkeit von zwei Haftplätzen festgelegt.


·         In der Jugendabteilung E/2 wurde ein Beschäftigungs- und Gruppenraum eingerichtet. Jugendliche, die in keinem Betrieb einer Justizanstalt beschäftigt werden können sowie solche, die an keiner Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, sind hier einer betreuten Beschäftigungsmöglichkeit zuzuführen.

Im Herbst 2013 wird ein Lehrgang für Bedienstete des Jugendvollzuges durchgeführt und der Ausbau des Aus- und Fortbildungsprogramms mit dem Ziel in Angriff genommen, vermehrt sozialpädagogisch ausgebildete Personen im Jugendvollzug einzusetzen (§ 54 JGG).

Selbstverständlich werden bei Bekanntwerden von Verdachtsfällen im Einzelfall umfassende Schutz- und Betreuungsmaßnahmen ergriffen. Solche Vorfälle lassen sich aber – worauf bereits der Schweizer Experte Walter Toscan zu Recht hingewiesen hat – nur (mit hohem Aufwand) vermindern, leider aber nie ganz verhindern.

Zu 23:

Bereits seit dem Jahr 2003 ist die Jugendabteilung mit drei Justizwachebeamten besetzt. Seit 2010 erfolgten der Ausbau des Lernzentrums für Jugendliche (Anbot von Schnupperlehren, Ausbau des Kursangebotes etc.) sowie die Erweiterung des Freizeitangebotes (Koch-, Gitarregruppen etc.) und der Sportbetreuung. Die sozialarbeiterische und psychologische Betreuung wird durch Bedienstete der Wiener Jugendgerichtshilfe erbracht, und zwar durch zwei Sozialarbeiterinnen und eine Psychologin. Deren Tätigkeitsfeld umfasst sowohl Betreuung bei Haft- als auch bei Gerichtsverfahren der Jugendlichen.

Zu 24:

Derzeit stehen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt für Jugendliche und junge Erwachsene 56 Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung. Als zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeit gibt es 16 Arbeitsplätze für Hausarbeiter und Hofreiniger.


Zu 25:

Die Jugendabteilung verfügt über eine eigene Besucherzone, in der ausschließlich Tischbesuche stattfinden. Von Montag bis Donnerstag werden Anmeldungen zum Besuch in der Zeit von 7:15 bis 13:30 Uhr angenommen, wobei sämtliche angemeldeten Besuche auch durchgeführt werden (außer im Falle der Abwesenheit des betreffenden Jugendlichen, beispielsweise in Folge einer Ausführung). In der überwiegenden Mehrheit der Fälle wird die wöchentliche Mindestsprechdauer von 60 Minuten verlängert. Jeden Freitag ist die Besuchsanmeldung zwischen 7:15 und 12:30 Uhr möglich, jeden Samstag zwischen 7:15 und 8:00 Uhr. Auch an diesen beiden Tagen werden alle angemeldeten Besuche durchgeführt und die meisten Besuche über das zeitliche Mindestmaß hinaus verlängert. Für junge Erwachsene hingegen gelten die gleichen Besuchsregeln wie für erwachsene Insassen; die Besuche finden daher in der allgemeinen Besucherzone statt.

Zu 26:

Es wurde ein umfassendes Konzept ausgehend von den im Wiener Raum in den nächsten 10 Jahren erforderlichen Baumaßnahmen erarbeitet, das die daraus resultierenden finanziellen und personellen Ressourcen darstellt und im Ergebnis den Neubau einer Justizanstalt mit 615 Belagsplätzen empfiehlt. In dieser multifunktionalen Justizanstalt wird ein Pavillon der Unterbringung von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen gewidmet werden.

Zu 27 und 28:

Im Rahmen der Task Force „Untersuchungshaft für Jugendliche – Vermeidung, Verkürzung, Vollziehung“, deren Fokus auf der Erarbeitung und Bewertung von Empfehlungen liegt, wird derzeit unter anderem die angesprochene Maßnahme erörtert. Nach Vorliegen des Abschlussberichtes des Runden Tisches voraussichtlich im Oktober 2013 wird die Entscheidung über die Umsetzung der vorgeschlagenen Empfehlungen erfolgen.

 

 

Wien,      . September 2013

 

 

 

Dr. Beatrix Karl