15277/AB XXIV. GP
Eingelangt am 30.09.2013
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BM für Wissenschaft und Forschung
Anfragebeantwortung
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BMWF 10.000/0300-III/4a/2013
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien Wien, 30. September 2013
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Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 15611/J-NR/2013 betreffend „Aktuelle Praxis der österreichischen Universitäten bei der Untersuchung eingereichter Arbeiten auf Plagiats-verdacht“, die die Abgeordneten Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen am 31. Juli 2013 an mich richteten, wird nach Einholung von Stellungnahmen der einzelnen Universitäten wie folgt beantwortet:
Der zweite Teil des Universitätsgesetzes 2002 (UG) umfasst das Studienrecht. Gemäß § 51 Abs. 1 UG werden die Universitäten in Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig. Gemäß § 46 Abs. 1 UG haben die Universitätsorgane in allen behörd-lichen Angelegenheiten das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) anzuwenden. Besteht somit der Verdacht, dass eine wissenschaftliche Arbeit plagiiert und in weiterer Folge ein Zeugnis ausgestellt oder sogar ein akademischer Grad erlangt wurde, so ist ein Ermittlungsverfahren im Sinne des AVG durchzuführen.
Zu Frage 1:
Da die Anzahl der für die Plagiatsprüfung
zuständigen Beschäftigten von der Größe der
Universität abhängt, variiert die Anzahl der Mitarbeiter/innen laut
Auskunft der Universitäten
zwischen einem und zehn pro Universität.
Zu Frage 2:
Eine durchschnittliche Verfahrensdauer kann aus den Angaben der
Universitäten schwer
angegeben werden, da diese Verfahren individuell zu führen sind und je
nach Umfang der
wissenschaftlichen Arbeit (von der Seminararbeit bis zur Habilitationsschrift)
unterschiedlich lang dauern können. Im Regelfall werden diese Verfahren
binnen eines Jahres abgeschlossen.
Zu Frage 3:
Die Mitarbeiter/innen sind bei ihren Untersuchungen laut Auskunft der Universitäten vollkommen unabhängig und handeln eigenverantwortlich.
Zu Frage 4:
Die Universitätsorgane haben sich aller zur Verfügung
stehenden Methoden und Hilfsmittel zu bedienen, um den wahren Sachverhalt
herauszufinden. Hierzu dienen laut Angaben der
Universitäten vor allem die fachspezifische Kenntnis der
wissenschaftlichen Betreuer/innen bzw. der Beurteiler/innen sowie die
Prüfung durch Plagiatssoftware. Außerdem kann im Rahmen
eines Ermittlungsverfahrens auch eine Expertise von außerhalb der
Universität durch interna-tionale und nationale Gutachter/innen eingeholt
werden.
Zu Frage 5:
Die Universitäten haben durchgehend bejaht, dass ihnen alle Mittel und Methoden unabhängiger Gutachter/innen zur Verfügung stehen.
Zu Frage 6:
Die um Stellungnahme ersuchte Universität Salzburg führte dazu Folgendes aus:
Die Frage der Konsequenzen ist im zeitlichen und fachspezifischen
Kontext zu sehen. Natürlich gibt es ein Mindestmaß an Redlichkeit,
aber nicht jedes fehlende Anführungszeichen bedeutet automatisch
Unredlichkeit. Letztlich geht es bei der Frage nach Konsequenzen darum, ob eine
Erschleichung einer positiven Beurteilung der Diplomarbeit vorliegt. Die am
Ende der Frage
zitierte Formulierung ist etwas aus dem Kontext gerissen, weshalb an dieser
Stelle die relevante Passage aus der Antwort an PD Dr. Weber zitiert sei:
„Nach der damaligen VwGH-Judikatur hatte der
Diplomarbeitsbegutachter nicht die Aufgabe, die Authentizität der
Diplomarbeit durch Textvergleiche mit den im Literaturverzeichnis
angeführten Quellen festzustellen; nur bei auftauchendem Plagiatsversuch
habe der Gutachter das Recht und die Pflicht, dem Verdacht nachzugehen, er hat
aber nicht die Pflicht, von vornherein mit
einem derartigen Verdacht an die Beurteilung jeder Arbeit heranzugehen. Nach
diesem Maßstab beurteilt, ist dem Beurteiler nichts vorzuwerfen. Dass an
der einen oder anderen Stelle eine Fußnote oder ein
Anführungszeichen fehlt, führt nicht zur Qualifikation als
„Erschleichung einer positiven Beurteilung“. Nach der damaligen
VwGH-Judikatur lag eine Erschleichung insb. dann vor, wenn eine andere Arbeit
fast zur Gänze abgeschrieben wurde, ohne die üblichen
Zitierregeln anzuwenden. Das ist bei der in Prüfung gezogenen Diplomarbeit
allerdings nicht der Fall – weder mengenmäßig noch inhaltlich.
Sie hat kein Ausmaß an "Unselbständigkeit", das zu einer
negativen Beurteilung der eingereichten Arbeit hätte führen
müssen. Es gibt durchaus beanstandungswürdige Übernahmen.
Allerdings finden sich diese zum Teil in Passagen, die für eine
rechtsdogmatische Arbeit von geringer Bedeutung sind (- bei der Einleitung bzw.
der
Darstellung der Entstehungsgeschichte), während die im Bereich der
"Rechtsdogmatik ieS"
gemachten Ausführungen in weiten Teilen ordnungsgemäß
ausgeführt sind. Dass nicht jedes Gesetzeszitat (teilweise oder
vollständig) in Anführungszeichen gesetzt ist, wenn die Rechtsnorm
angeführt ist, entspricht dem Usus in den Rechtswissenschaften. Bei
einzelnen Passagen fehlt der Hinweis auf die wiedergegebene Rechtsnorm; der/die
fachkundige Leser/in wird aber zB § 14a AVRAG in diesem Text
wiedererkennen – und die Ausführungen nicht für eigene
Erkenntnisse der Verfasserin halten. Mehrmals werden von Ihnen fehlende
Anführungszeichen moniert, was aber verkennt, dass die Arbeit den bei den
Jurist/inn/en üblichen Gepflogenheiten entspricht, wonach
Anführungszeichen nicht nötig sind, wenn ohnedies eine Quelle
angegeben wird. Auch gibt es in der Rechtswissenschaft keinen einheitlichen
Standard, ob man bei
wörtlicher Übernahme "So Huber" oder "Huber" und
bei überarbeiteter Übernahme "Vgl. Huber" verwendet.“
Die Universität Salzburg hat sich sehr detailliert mit den
auf sieben Seiten dargestellten
„unsauberen bis plagiierten Übernahmen“ auseinandergesetzt,
jede einzelne monierte Passage genau untersucht und ist dann eben zum Ergebnis
gekommen, dass die allermeisten Bemängelungen unter Außerachtlassung
der Gepflogenheiten in der Rechtswissenschaft (nicht nur Stand 2002, sondern
auch Stand 2013) gemacht wurden und ins Leere gehen, und dass die
„tatsächlichen Unzulänglichkeiten“ kein Ausmaß an
„Unselbständigkeit“ bewirken, die ein
„Nicht genügend“ oder die Bewertung als
„Erschleichung“ rechtfertigen. Keinesfalls aber hat sich die
Universität auf das Argument, es gebe keinen einheitlichen Standard,
beschränkt, um
allfällige Konsequenzen unterlassen zu können. Vielmehr hat sie die
möglichen Konsequenzen im rechtlichen Kontext beurteilt. Dazu gehört
nach der VwGH-Judikatur zur Aberkennung des akademischen Grades neben der
Täuschungsabsicht auch eine Relevanz der Täuschung:
Abschreiben oder „schlampiges Zitieren“ alleine mag zwar
wissenschaftlich unethisch sein, rechtliche Konsequenzen sind damit aber nicht
automatisch verbunden; es bedarf der Prüfung des Einzelfalls.
Zu Fragen 7 und 8:
Jede Universität hat ihre eigenen wissenschaftlichen Standards zu definieren. Dass „prominente Personen“ bei Plagiatsverdacht geschützt werden würden, ist mir nicht bekannt. Ein Plagiatsverdacht wird ausnahmslos ohne auf das Ansehen der Person Rücksicht zu nehmen, amtswegig verfolgt. Dass an österreichischen Universitäten bei der Untersuchung von Plagiatsverdachts-fällen kein strenger Standard eingesetzt würde, ist nicht nachvollziehbar.
Aktuell ist eine Initiative der Österreichischen Universitätenkonferenz zur Akkordierung einer einheitlichen Plagiatsdefinition für alle österreichischen Universitäten im Laufen. Dies könnte die Grundlage zu einer einheitlicheren Vorgehensweise der Universitäten werden.
Zu Fragen 9 und 10:
Im UG ist normiert, dass die einzelnen Universitäten die
Nichtigerklärung von Beurteilungen und den Widerruf akademischer Grade in
I. Instanz (und bis 1.1.2014 auch in II. Instanz) durchzu-führen haben.
Jenes Organ, das ein Zeugnis ausgestellt oder einen akademischen Grad
verliehen hat, ist auch zuständig bei Plagiatsverdachtsfällen zu
handeln und ein entsprechendes Verfahren durchzuführen. Für das Image
jeder Universität ist es äußerst zuträglich, einen hohen
wissenschaftlichen Standard anzulegen und die Qualität der wissenschaftlichen
Arbeiten genau zu prüfen. Ein Nichtreagieren auf Plagiatsfälle
würde dem Ansehen einer Universität enorm schaden. Dabei ist es nebensächlich
um welche Art „von Personen“ es sich dabei handelt.
Zu Frage 11:
Bereits 2008 wurde die Österreichische Agentur für
wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) als
unabhängige „Servicestelle“ gegründet. Sie ist als Verein
organisiert, der sich der Förderung
guter wissenschaftlicher Praxis verpflichtet und dabei laut Statuten als
unabhängige
„Clearingstelle für Personen und/oder Institutionen, die die Regeln
guter wissenschaftlicher
Praxis verletzt sehen und jenen, denen vorgeworfen wird, diese verletzt zu
haben“, fungiert.
Der Bundesminister:
o. Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle e.h.